Sport-Boom geht zu Ende

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Sport-Boom geht zu Ende

 
16.03.02 23:19
Um jeden Preis wollten die Medienkonzerne die TV-Rechte für Fußball, um Zuschauer und Werbekunden zu gewinnen. Die Rechnung ist nicht aufgegangen

Berlin - Rainer Calmunds Genesungswunsch kommt, und dabei verfällt sein rheinischer Tonfall ins Dramatische, "von Herzen". Leo Kirch - "ein über Jahre zuverlässiger Freund" - soll "möglichst schnell" wieder auf die Beine kommen, hofft der Manager von Bayer Leverkusen. Doch über die Pay-TV-Rechtepreise nachverhandeln, so wie es Georg Kofler, Chef des Kirch-Senders Premiere, halb fordert, halb erbittet, käme gar nicht infrage. Bei Geld hört selbst im Rheinland die Freundschaft auf.

Die Besserungswünsche Richtung München sind so nachvollziehbar wie eigennützig. Denn die Finanzkrise der KirchGruppe bedroht auch die Klubs. Auf die Gerüchte über das Ende von Premiere reagieren die Bundesliga-Manager verspannt, zu abhängig sind sie in den vergangenen Jahren von deren TV-Geldern geworden.

Bislang konnten sie sich darauf verlassen, dass sich die Medienkonzerne beim Kampf um die TV-Rechte gegenseitig überbieten. Fußball "um jeden Preis" wollte der Medienunternehmer Rupert Murdoch (News Corp, BSkyB) Mitte der neunziger Jahre erwerben. Die Klubs hörten das gern, konnten sie doch dann wieder in neue Spieler investieren, die eigentlichen Gewinner der TV-Rechte-Hausse.

Doch, so konstatieren die TV-Macher heute, das Kalkül, dass mit dem Fußball Quoten, Werbeeinnahmen und Zahl der Pay-TV-Abonnenten im gleichen Maße steigen wie die Ausgaben, ist nicht aufgegangen. "Insgesamt", so Alexander Liegl, Sportrechtechef bei der KirchGruppe, "ist mit Steigerungsraten bei den Rechtepreisen wie in der Vergangenheit nicht zu rechnen."

Schlechte Nachrichten für die Bundesligisten, die sich äußerst abhängig von den TV-Geldern gemacht haben. 1,54 Milliarden Euro hat Kirch für seine Sender Sat.1 und Premiere für vier Jahre Bundesliga bezahlt. 7,9 Millionen Euro erhält jeder Erstligist pro Saison mindestens, durchschnittlich sechs Millionen Euro werden nochmal leistungsabhängig vergeben. Mindestens ein Drittel der Klub-Etats stammt aus den TV-Einnahmen.

Klar, kaum ein Ereignis ist im Fernsehen so beliebt wie Fußball. Klassiker wie Manchester gegen München am vergangenen Mittwoch locken immer noch mehr als acht Millionen Zuschauer zu RTL. Fußball ist, so Bayer-Manager Calmund, "der absolute Quotenrenner und kaum zu toppen". Das gilt auch für die Bundesliga, die trotz fallender Quoten bei "ran" auf Sat.1 insgesamt nicht an Zuschauerzuspruch eingebüßt hat. Schließlich läuft durch die Verwertung auf Premiere, ZDF, DSF und den Regionalprogrammen die Meisterschaft am Wochenende quasi rund um die Uhr. Und die Rechtekosten für Premiere sind im Vergleich zu den Milliardenverpflichtungen des Senders gegenüber den Hollywood-Studios nicht nur das kleinere Problem, sondern immer noch ein entscheidendes Abo-Argument: "Fußball ist im Pay-TV nicht alles", philosophiert Bernd Hoffmann, Vize-Chef der Rechteagentur Sportfive, einem Zusammenschluss von Ufa Sports (Bertelsmann), Sport Plus (Vivendi) und der Groupe Jean-Claude Darmon, "aber ohne Fußball ist Pay-TV nichts".

Die Popularität ist eine Sache, die Preise sind eine andere. Die wurden "bei einigen Rechten auf Grund der harten Konkurrenzsituation", so Hoffmann, "nach oben getrieben". Doch die Zeiten des harten Wettbewerbs zwischen TV-Sendern einerseits und Sportrechtehändlern andererseits sind vorüber. Aspiranten, die in jedem Bietergefecht immer wieder bei den Etablierten wie RTL (Bertelsmann) und Kirch für Unruhe sorgten und die Preise hochjazzten, sind nicht in Sicht. Der Medienunternehmer Murdoch, immer wieder als Tycoon gefürchtet, hat nach den wenig gelungenen Engagements bei Vox, dem Ex-Champions-League-Sender TM3 und Premiere offensichtlich die Nase voll vom deutschen Fernsehmarkt. Kinowelt-Gründer Michael Kölmel, der vor zwei Jahren noch für die Bundesliga-Rechte mitbot, kämpft um das Überleben seines eigenen Unternehmens. Sportrechteagenturen wie ISL haben sich beim Bietergefecht um Tennis-Rechte verzockt und sind bereits pleite. "Die Zahl der potenten Nachfrager nimmt ab", beobachtet Michael Amsinck, Chef der Sportrechteagentur von ARD und ZDF SportA, "wenn sich die Fußball-Interessenten mit den Rechteinhabern an einen Tisch setzen, um irgendetwas im Bereich Fußball zu verhandeln, bedeutet das heute nicht mehr per se eine 20-prozentige Preiserhöhung der Rechte."

Die Sender sehen die Marktberuhigung mit Genugtuung. Preise, wie in der Vergangenheit, wollen sie nicht mehr bezahlen. Schließlich macht Sat.1 mit seiner ran-Sendung genauso Defizite wie RTL mit der Champions League. Bei den Verhandlungen werden sich die beiden wohl nicht ins Gehege kommen. "Es hat auch bei den anderen Sendern ein Umdenken gegeben", so RTL-Informationsdirektor Hans Mahr, "man stürzt sich nicht mehr so leicht ins Unglück" - und setzt sich für die anstehenden Verhandlungen schon mal die Controllermaske auf: "Ganz sicher ist", prophezeit RTL-Manager Mahr, "dass wir bei den Neuverhandlungen nicht einmal in die Nähe der Summen kommen werden, die für den derzeitigen Vertrag gelten." Die UEFA und die Vereine müssten erkennen, dass "es ein Ende der Fahnenstange gibt".

Da hilft auch wenig, dass Bayer-Mann Calmund darauf verweist, dass die deutschen Klubs "nicht fürstlich bezahlt worden sind im Vergleich zu Spanien, England oder Italien" und dass für Deutschland mit dem höchsten Bruttosozialprodukt und den meisten Einwohnern in Europa schließlich auch die höchsten Rechtepreise zu erwarten seien.

Denn auch in Frankreich, Spanien, Italien und England nähert sich die Party dem Ende. Auch dort schreiben die Pay-TV-Anbieter - bis auf das englische BSkyB - rote Zahlen. Auch dort erlahmt der Wettbewerb, weil Pay-TV-Anbieter den Markt verlassen und nur noch ein Monopolist übrig bleibt. Und auch dort lässt das Interesse nach, wie die rückläufigen Champions-League-Quoten in Frankreich und Spanien 2001 im Vorjahresvergleich zeigen.

Calmund will davon nichts hören. Dieses Treiben wie "am türkischen Basar" wolle er nicht mitmachen, meint er fast trotzig: "Wenn RTL kein Fußball mehr senden will, dann sollen sie das tun." Mahrs Replik: "Wenn ein anderer Veranstalter die Champions-League-Rechte um diese Wahnsinns-Summe haben will, dann soll er sie haben."

Bietergefechte hören sich anders an.
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