Sollten wir uns ein Beispiel an China nehmen?

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Sollten wir uns ein Beispiel an China nehmen?

 
22.11.02 09:38
Stillstand ist Rückschritt"

Von Stefan Simons

Chinas Botschafter in Deutschland eröffnete in Hamburg die Jahrestagung des "Ostasiatischen Vereins". Dabei warb er für das Engagement ausländischer Unternehmen in seiner Heimat. Ihnen und privaten chinesischen Kapitalisten komme für die Entwicklung der Volksrepublik künftig eine Schlüsselrolle zu.

Hamburg - Durch die Bewertung von Privatunternehmern als "Erbauer des Sozialismus" hat die Kommunistische Partei auf ihrem jüngsten Parteitag eine entscheidende Neubewertung vorgenommen. "Nicht das Eigentum, sondern die ideologische Haltung zählt künftig", sagte Botschafter Ma Canrong am Donnerstag während eines Besuches in Hamburg.
Mit diesem Bekenntnis zur ideologischen Flexibilität und der Zukunft einer Partei, die ihren Führungsanspruch der kontinuierlichen Entwicklung anzupassen habe, eröffnete Chinas Top-Diplomat in Deutschland am Donnerstag die Jahrestagung des "Ostasiatischen Vereins" (OAV).

Dank des Generationenwechsels im Führungskollektiv hin zu einer "jüngeren und fähigen" Riege von Nachwuchspolitikern, sei China in der Lage den Kurs der "Öffnung und Reform" weiter zu verfolgen. Nur so sei das angestrebte Ziel, ein "bescheidener Wohlstand" (mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 3000 US-Dollar bis zum Jahr 2020) auch zu erreichen: "Stillstand ist Rückschritt".

Kein Wunder, angesichts der Herausforderungen, denen sich die seit über 50 Jahren regierenden Kommunisten stellen müssen - ein ungebrochener demographischer Anstieg, der China etwa alle acht Jahre eine Bevölkerung von der Größe eines wiedervereinigten Deutschland beschert (rund 80 Millionen Menschen); wachsende Arbeitslosigkeit, ein Milliarden-Schuldenberg aus faulen Krediten und eine immer größere Kluft zwischen Arm und Reich.

Zu überwinden sind diese Probleme nur mit einem dynamischen Wachstum. Während der nächsten 18 Jahre sei eine Vervierfachung des Bruttoinlandsproduktes nötig - im Schnitt eine Zunahme von jährlich sieben Prozent. "Das ist ein realistisches Vorhaben", sagte Ma Canrong, der den 16. Parteitag in Peking verfolgt hatte, "wir werden dazu auch unsere Kapitalmärkte weiter öffnen."

Von der Expansion soll künftig auch die deutsche Wirtschaft stärker profitieren. Die Exporte nach China beliefen sich zwar auf etwa 25 Milliarden Euro, aber umfassten damit gerade zwei Prozent des hiesigen Außenhandels: "Das Potenzial", so der Botschafter in bestem Deutsch vor den OAV-Delegierten, die 500 Spitzenfirmen des Asiengeschäfts vertreten, "ist damit noch längst nicht erschöpft."

Der Einstieg in "Chinas Höhenflug", so das Urteil einer Expertenrunde zu "Hürden, Hoffnungen und Herausforderungen" des Milliarden-Marktes, ist noch immer kniffelig - vor allem für den oft beschworenen deutschen Mittelständler.

Zahlenwerke, ob Statistiken oder Bilanzen, seien oft nicht überprüfbar, warnte Wolf-Bernhard Kersten von der Hermes Kreditversicherungs-AG, Entscheidungen nicht nachvollziehbar: "Die werden in irgendwelchen Zirkeln und Gremien getroffen - keiner weiß, wie, wo und warum."

Selbst für einen Branchenriesen wie Siemens, seit über 20 Jahren in China aktiv, ist ein langer Atem nötig, so Jürgen Oberg, Vizepräsident für Asien und Australien. Der Konzern investiere langfristig - gerade auch in die Ausbildung von chinesischem Mitarbeitern.

Getreu dem Partei-Motto "yi bu, yi bu" ("Schritt für Schritt") habe Siemens erst einmal mit dem Einstieg an einem einzigen Gemeinschaftsunternehmen Erfahrungen gesammelt - heute operiert es in der Volksrepublik über 45 "Joint Ventures". Wichtiges Erfolgsrezept: In jeder Firma sorgen mindestens zwei Stammkräfte von Siemens - Fertigung und Controlling - für Qualität von Produkten und Buchhaltung.

Die Stimmung unter den 1600 deutschen Firmen in China - davon die Hälfte Repräsentanzen - ist dennoch eher optimistisch. "Der Glaube ist da", meint Margot Schüler, Expertin beim Hamburger Institut für Asienkunde. Und die "personelle Weichenstellung" des 16.Parteitages verspräche politische und wirtschaftliche Stabilität.

Unkenrufe, etwa über den "Bevorstehenden Kollaps Chinas" (US-Autor Gordon Chang), resümierte OAV-Vorstand Wolfgang Niedermark, zufrieden, seien damit wohl fehl am Platz. Und auch Hermes-Vertreter Kersten stellte fest: "Wir haben bei unserem Engagement - der Exportversicherung - keine Angst. Gute Vorbereitung ist wichtig, Demut ist entscheidend."

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