Siemens wird langsam richtig billig
In Schwäche kaufen. Das sagt sich leicht, aber die Siemens-Aktie könnte in den nächsten Wochen dazu einladen.
Die Aktie hat seit Anfang des Jahres 35 Prozent verloren und zur Spitze mehr als die Hälfte. Der Konzern kostet noch rund drei Fünftel des erwarteten Umsatzes. Für einen Technologiewert ist das nichts - zumindest für einen profitablen. Siemens ist davon mit einer operativen Marge von fünf Prozent noch weit entfernt. Im laufenden Geschäftsjahr wird es wegen der Konjunkturschwäche ganz sicher nichts mit der angestrebten Verbesserung. Die Gewinnschätzungen, die für das laufende Jahre vor sechs Monaten noch bei fast vier Euro pro Aktie gelegen hatten, sind jetzt bei 2,8 Euro. Herauskommen werden vermutlich nicht mal zwei Euro. Das hängt davon ab, wie die außerordentlichen Erträge verbucht werden, zum Beispiel die aus der Übertragung der Infineon-Aktien an den eigenen Pensionsfonds.
In den nächsten Wochen droht weiteres Ungemach. Erste Analysten glauben jetzt, dass dieses Jahr nur 370 Millionen Mobiltelefone abgesetzt werden. Das sind zehn Prozent weniger als von Nokia geplant. Weitere Gewinnwarnungen von Nokia und anderen Telefonherstellern sind daher ziemlich wahrscheinlich. Dazu kommen ernste Probleme im Geschäft mit Netzwerken, Computern, Chips (Infineon) und vermutlich der Beratung (SBS). Am 25. Juli könnte Siemens daher selbst noch mal ordentlich enttäuschen.
Aber wenn Siemens noch mal ein paar Euro verliert, wäre die Aktie richtig billig. Der Konzern bemüht sich um die Marge, und bei besserer Konjunktur wird das auch wieder greifen. Die wirtschaftlich unempfindlichen Sparten Kraftwerke, Verkehrssysteme, Medizintechnik und Beleuchtung helfen schon jetzt, den Ertragsrückgang zu dämpfen. Gut wäre aber, wenn Siemens am 25. Juli sagen würde, wie die Probleme mit Telefonen und Netzwerken angegangen werden sollen.
Compaq
Ist bei Compaq das Schlimmste vorüber? Trotz Umsatzwarnung und verfehlten Gewinnvorgaben für das zweite Quartal ist die Aktie angestiegen. Möglicherweise werden die Anleger neu nachdenken müssen - und nicht nur, weil die unberücksichtigten Entlassungskosten von 490 Mio. $ den Quartalsgewinn von rund 70 Mio. $ auffressen. Die Nachfrage in den USA stabilisiert sich zwar. Die Margen bleiben aber an allen Fronten unter Druck, an denen Compaq kämpft. Und jetzt bricht auch noch Europa ein. Das wird die Ergebnisse im zweiten Halbjahr belasten.
Unterstellt man für 2001 einen Umsatzrückgang von 15 Prozent - und nicht von zehn Prozent, wie die Analysten vor der Warnung noch erwarteten - kostet Compaq das 0,6fache des laufenden Umsatzes. Nach CSFB haben PC-Aktien in der Vergangenheit ihr Tief beim 0,3- bis 0,5fachen gefunden. Auch das deutet auf weitere Rückgänge bei Compaq hin, das mittlerweile seinen Thron der aggressiveren Dell räumen musste.
Auf längere Sicht könnte Compaq eine höhere Bewertung verdienen. Das Unternehmen will seine Abhängigkeit vom wachstumsschwachen PC-Geschäft verringern. Es drängt in höher bewertete Bereiche. Aber überall weht der Wind schärfer. Bei Servern kämpft Compaq gegen Hewlett-Packard und wieder mal gegen Dell, bei Speicherlösungen gegen EMC. In manchen Feldern ist Compaq schon erfolgreich. Bei Taschencomputern scheinen die Texaner sogar zur Nummer eins aufgerückt. Der Anteil am Gesamtumsatz bleibt aber mickrig. Compaq scheiterte zuletzt, eine Beraterfirma zu kaufen. Ohnehin werden IBM, EDS oder HP nicht tatenlos zusehen, wie Compaq in ihrem Revier wildert.
Übernahmegesetz
Finanzminister Hans Eichel war fix. Nur eine Woche nachdem die europäische Übernahmerichtlinie gescheitert ist, hat das deutsche Übernahmegesetz das Kabinett passiert.
Wer 30 Prozent der Anteile einer Gesellschaft erwirbt, muss den Aktionären ein Pflichtangebot machen. Die Schwelle liegt niedrig. Damit wird die geringe Präsenz auf deutschen Hauptversammlungen genügend berücksichtigt. Für Übertragungen bei Familienunternehmen gibt es Ausnahmen.
So genannte Giftpillen, Schutzmaßnahmen gegen unerwünschte Übernahmen, darf der Vorstand nur mit Zustimmung der Aktionäre nutzen. Das ist gut so. Zwar ist es aus Aktionärssicht nicht optimal, dass Giftpillen auf Vorrat genehmigt werden können. Es scheint aber notwendig, um international Waffengleichheit herzustellen.In Frankreich und Spanien genießt der Staat häufig mit Minderheitsanteilen bei ehemaligen öffentlichen Unternehmen Vetorechte, die freie Aktionäre bevormunden. In den USA ist die Stellung der Manager stark, Giftpillen ohne Zustimmungspflicht der Aktionäre sind weit verbreitet. Das deutsche Übernahmegesetz belässt das Heft im Falle einer Übernahme zum Glück in den Händen aller Eigentümer.
© 2001 Financial Times Deutschland
In Schwäche kaufen. Das sagt sich leicht, aber die Siemens-Aktie könnte in den nächsten Wochen dazu einladen.
Die Aktie hat seit Anfang des Jahres 35 Prozent verloren und zur Spitze mehr als die Hälfte. Der Konzern kostet noch rund drei Fünftel des erwarteten Umsatzes. Für einen Technologiewert ist das nichts - zumindest für einen profitablen. Siemens ist davon mit einer operativen Marge von fünf Prozent noch weit entfernt. Im laufenden Geschäftsjahr wird es wegen der Konjunkturschwäche ganz sicher nichts mit der angestrebten Verbesserung. Die Gewinnschätzungen, die für das laufende Jahre vor sechs Monaten noch bei fast vier Euro pro Aktie gelegen hatten, sind jetzt bei 2,8 Euro. Herauskommen werden vermutlich nicht mal zwei Euro. Das hängt davon ab, wie die außerordentlichen Erträge verbucht werden, zum Beispiel die aus der Übertragung der Infineon-Aktien an den eigenen Pensionsfonds.
In den nächsten Wochen droht weiteres Ungemach. Erste Analysten glauben jetzt, dass dieses Jahr nur 370 Millionen Mobiltelefone abgesetzt werden. Das sind zehn Prozent weniger als von Nokia geplant. Weitere Gewinnwarnungen von Nokia und anderen Telefonherstellern sind daher ziemlich wahrscheinlich. Dazu kommen ernste Probleme im Geschäft mit Netzwerken, Computern, Chips (Infineon) und vermutlich der Beratung (SBS). Am 25. Juli könnte Siemens daher selbst noch mal ordentlich enttäuschen.
Aber wenn Siemens noch mal ein paar Euro verliert, wäre die Aktie richtig billig. Der Konzern bemüht sich um die Marge, und bei besserer Konjunktur wird das auch wieder greifen. Die wirtschaftlich unempfindlichen Sparten Kraftwerke, Verkehrssysteme, Medizintechnik und Beleuchtung helfen schon jetzt, den Ertragsrückgang zu dämpfen. Gut wäre aber, wenn Siemens am 25. Juli sagen würde, wie die Probleme mit Telefonen und Netzwerken angegangen werden sollen.
Compaq
Ist bei Compaq das Schlimmste vorüber? Trotz Umsatzwarnung und verfehlten Gewinnvorgaben für das zweite Quartal ist die Aktie angestiegen. Möglicherweise werden die Anleger neu nachdenken müssen - und nicht nur, weil die unberücksichtigten Entlassungskosten von 490 Mio. $ den Quartalsgewinn von rund 70 Mio. $ auffressen. Die Nachfrage in den USA stabilisiert sich zwar. Die Margen bleiben aber an allen Fronten unter Druck, an denen Compaq kämpft. Und jetzt bricht auch noch Europa ein. Das wird die Ergebnisse im zweiten Halbjahr belasten.
Unterstellt man für 2001 einen Umsatzrückgang von 15 Prozent - und nicht von zehn Prozent, wie die Analysten vor der Warnung noch erwarteten - kostet Compaq das 0,6fache des laufenden Umsatzes. Nach CSFB haben PC-Aktien in der Vergangenheit ihr Tief beim 0,3- bis 0,5fachen gefunden. Auch das deutet auf weitere Rückgänge bei Compaq hin, das mittlerweile seinen Thron der aggressiveren Dell räumen musste.
Auf längere Sicht könnte Compaq eine höhere Bewertung verdienen. Das Unternehmen will seine Abhängigkeit vom wachstumsschwachen PC-Geschäft verringern. Es drängt in höher bewertete Bereiche. Aber überall weht der Wind schärfer. Bei Servern kämpft Compaq gegen Hewlett-Packard und wieder mal gegen Dell, bei Speicherlösungen gegen EMC. In manchen Feldern ist Compaq schon erfolgreich. Bei Taschencomputern scheinen die Texaner sogar zur Nummer eins aufgerückt. Der Anteil am Gesamtumsatz bleibt aber mickrig. Compaq scheiterte zuletzt, eine Beraterfirma zu kaufen. Ohnehin werden IBM, EDS oder HP nicht tatenlos zusehen, wie Compaq in ihrem Revier wildert.
Übernahmegesetz
Finanzminister Hans Eichel war fix. Nur eine Woche nachdem die europäische Übernahmerichtlinie gescheitert ist, hat das deutsche Übernahmegesetz das Kabinett passiert.
Wer 30 Prozent der Anteile einer Gesellschaft erwirbt, muss den Aktionären ein Pflichtangebot machen. Die Schwelle liegt niedrig. Damit wird die geringe Präsenz auf deutschen Hauptversammlungen genügend berücksichtigt. Für Übertragungen bei Familienunternehmen gibt es Ausnahmen.
So genannte Giftpillen, Schutzmaßnahmen gegen unerwünschte Übernahmen, darf der Vorstand nur mit Zustimmung der Aktionäre nutzen. Das ist gut so. Zwar ist es aus Aktionärssicht nicht optimal, dass Giftpillen auf Vorrat genehmigt werden können. Es scheint aber notwendig, um international Waffengleichheit herzustellen.In Frankreich und Spanien genießt der Staat häufig mit Minderheitsanteilen bei ehemaligen öffentlichen Unternehmen Vetorechte, die freie Aktionäre bevormunden. In den USA ist die Stellung der Manager stark, Giftpillen ohne Zustimmungspflicht der Aktionäre sind weit verbreitet. Das deutsche Übernahmegesetz belässt das Heft im Falle einer Übernahme zum Glück in den Händen aller Eigentümer.
© 2001 Financial Times Deutschland