:o-Interview mit Vorstandschef Dr. Heinrich v. Pierer
Ein Jahr früher als erwartet verdient Siemens nun deutlich mehr als die internen Kapitalkosten. Für das neue Geschäftsjahr geht Chef Heinrich v. Pierer weiter von deutlich anziehenden Umsätzen und einem Gewinn, der vergleichbar gerechnet stärker steigen wird als der Umsatz, aus. Lesen Sie das Interview mit dem Siemens-Chef:
? Wird Siemens auch ein Rumpfgeschäftsjahr einlegen, um bereits ab Januar 2001 von den neuen Körperschaftssätzen zu profitieren?
v. Pierer Wir sehen zur Umstellung des Geschäftsjahres auf das Kalenderjahr keinen Handlungsbedarf. Neben den Kosten für den Abschluss eines zusätzlichen Rumpfgeschäftsjahres hätten wir im Vergleich mit anderen Unternehmen zusätzliche Kosten und Schwierigkeiten zu bewältigen, die sich aus der gleichzeitigen Umstellung unserer Rechnungslegung auf US-GAAP und den Anforderungen des Listings in New York ergeben würden, das für das kommende Frühjahr geplant ist.
? Haben Sie noch EK-45-Rücklagen, woraus Sie die überbezahlte Körperschaftsteuer als Bonus an die Aktionäre auszahlen können ?
v. Pierer Nein.
? Wie hoch wird der Bonus aufgrund der Des-Investments für die Siemens-Aktionäre ausfallen? Wie hoch ist die Dividendenerhöhung ?
v. Pierer Siemens hat 1999/2000 ein Rekordergebnis erzielt und aufgrund der Des-Investments zusätzlich hohe außerordentliche Erträge. Wir wollen sowohl die Aktionäre als auch die Mitarbeiter davon profitieren lassen. Aufgrund der deutlichen Fortschritte im operativen Geschäft schlagen Aufsichtsrat und Vorstand der Hauptversammlung vor, die Dividende auf 1,40 EUR nach 1,50 DM im Vorjahr zu erhöhen. Wegen der hohen außerordentlichen Erträge, die im Geschäftsjahr 1999/2000 angefallen sind, soll ein zusätzlicher Bonus in Höhe von 1,00 EUR pro Aktie bezahlt werden. Außerdem sollen auch die Mitarbeiter im Rahmen eines Aktien-Sonderprogramms vom außerordentlichen Gewinn des Unternehmens profitieren.
? Steckt genug Eigendynamik in der Siemens AG, so dass schon dadurch mit einer weiteren Verbesserung des laufenden Betriebsergebnisse im kommenden Geschäftsjahr gerechnet werden kann ?
v. Pierer Siemens hat ein Jahr früher als geplant deutlich mehr verdient als seine Kapitalkosten. Mit dem positiven Geschäftswertbeitrag haben wir einen wichtigen Zwischenschritt bei der Verbesserung unserer Ertragslage erreicht. Das ist ein Meilenstein auf dem Weg, zu den Besten der Branche aufzuschließen. Für das laufende Jahr gehen wir von weiter deutlich anziehenden Umsätzen aus. Das Ergebnis wird vergleichbar gerechnet stärker steigen als der Umsatz – auf der Basis des gegenwärtigen Portfolios und gerechnet auf der Grundlage unserer neuen Rechnungslegung nach US-GAAP.
? Wie stark spüren sie Ölpreis- und Zinsverteuerungen im Nachfrageverhalten auf den Märkten ? Werden solche Dämpfungseinflüsse durch Vorteile aus den hohen Dollarkurs überlagert ?
v. Pierer Natürlich wird die Weltwirtschaft durch die Entwicklung der Ölpreise und der Zinsen einen Dämpfer erhalten. Für uns in Europa kommt hinzu, dass die für das Geschäft zweifellos stimulierende Wirkung des schwachen Euro im nächsten Jahr nachlassen dürfte. Dennoch sehen wir zuversichtlich in die Zukunft. Gerade der Anstieg der Ölpreise treibt die Nachfrage nach innovativen und energiesparenden Technologien weltweit an, und hier sehen wir unsere Stärke. Dazu kommt, dass die Ölländer mit ihren hohen zusätzlichen Einnahmen verstärkt Investitionsgüter nachfragen. Die weltweite Nachfrage auf dem Elektromarkt wird nach unserer Einschätzung im nächsten Jahr immerhin wieder ein Plus von etwa knapp 10% erreichen, nach 13% in diesem Jahr, und damit weiter über dem langjährigen Trend liegen.
? Wird der hohe Dollar-Kurs sie veranlassen, besonders kritisch über die Notwendigkeit sämtlicher Vermögenswerte in den USA nachzudenken und überflüssige womöglich zu verkaufen ?
v. Pierer Asset-Management ist für uns keine Frage des Dollarkurses und nicht auf einzelne Länder bezogen, sondern eine der Aufgaben mit höchster Priorität im gesamten Konzern und weltweit. Wir sind dabei schon ein gutes Stück vorangekommen. So haben wir zum Beispiel das “working capital“, also die Vorräte, Forderungen und Verbindlichkeiten deutlich reduziert. Von weiteren Fortschritten allein in diesem Feld erwarten wir mittelfristig Geschäftswertsbeiträge in dreistelligen Millionen-Bereich.
? Konkurrent Ericsson kämpft mit schweren Verlusten in der Handy-Produktion. Wie kommen Sie mit der langsamer wachsenden Nachfrage und zunehmendem Wettbewerb zurecht ?
v. Pierer Wir sehen kein Abflachen der Nachfragekurve. Im Gegenteil: unser Geschäft im In- und Ausland boomt, wir könnten wesentlich mehr Mobiltelefone verkaufen. Wir haben im zurückliegenden Geschäftsjahr unseren Absatz verdoppelt und konnten Marktanteile im internationalen Umfeld hinzugewinnen. Das Wachstum wird - aber das gilt für die gesamte Branche - lediglich durch Engpässe bei den Komponentenzulieferungen begrenzt. Ich rechne hier mit einer deutlichen Entspannung im Laufe des nächsten Jahres. Dann werden auch die Zuwachsraten und Margen, die von kurzfristigen und damit teuren Zukäufen auf den Spotmärkten belastet sind, in diesem Geschäft wieder stimmen.
? Wie konnte Ericsson Ihnen den Mobilcom-Auftrag über den Aufbau des UMTS-Netzes wegschnappen ? Wie weit sind sie anderswo mit Aufträgen, um die sie sich sicher bewerben ?
v. Pierer Wir sind darüber nicht überrascht. Mobilcom hatte ja bereits sehr frühzeitig bekannt gegeben, den Auftrag an Ericsson zu erteilen. Siemens ist in ganz Europa in vielfältigen Gesprächen mit Mobilfunkbetreibern, die Verhandlungen in Deutschland und Italien sind hier bereits sehr konkret. Wir gehen davon aus, dass wir in den kommenden Wochen positive Nachrichten über Vertragsabschlüsse vermelden können. So hat z.B. schon der italienische Mobilfunkbetreiber Wind die Absicht erklärt, sein UMTS-Netz mit Siemens aufzubauen.
? Sie wollen über eine Forcierung des Internet-Geschäfts auf Dauer 4 Mrd. Euro pro Jahr einsparen. Wie viel werden Sie davon als Vorteil für sich behalten können, weil sie es nicht im Wettbewerb an Kunden weitergeben müssen ?
v. Pierer Globale Transparenz und die Möglichkeit des Kunden mit einem "Click“ zur Konkurrenz zu wechseln, wird es in preisdominierten Marktsegmenten wie etwa den mobilen Endgeräten unumgänglich machen, Teile der Einsparung an den Kunden weiterzureichen. Das ist eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit, wird aber von Geschäftsfeld zu Geschäftsfeld unterschiedlich ausfallen. Schließlich gibt es auch genug Segmente, in denen stärker als der Preis Qualität und Service im Vordergrund stehen. Viel gravierender wären aber die Umsatzverluste, wenn wir die Möglichkeiten des E-Business nicht nutzen und damit unsere Wettbewerbsposition schwächen würden.
? Wird das absehbare Ende der Atomwirtschaft in Deutschland für Siemens den Ausstieg aus diesem Geschäft bedeuten und Abschreibungen der Restbuchwerte mit sich bringen? Welche Vermögenswerte stehen dafür noch in der Bilanz ?
v. Pierer Das Ende der Kernenergienutzung in Deutschland ist für uns nicht absehbar. Nach der Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Stromversorgern können die neueren Kernkraftwerke noch 20 Jahre arbeiten. Das gibt der Politik genügend Zeit, die verfehlte Ausstiegspolitik zu korrigieren. Siemens steht zu seinem Engagement in der Kerntechnik und ist gerade dabei, sein Nukleargeschäft durch eine Zusammenlegung mit dem von Framatome zu stärken, damit es unter den veränderten Marktbedingungen erfolgreich weitergeführt werden und Wachstumschancen in Drittländern wahrgenommen werden können.
Unser Auslandsgeschäft konnten wir in den letzten Jahren deutlich ausbauen. Es macht jetzt mehr als die Hälfte unseres Nukleargeschäfts aus.
? Welche Größenordnung erreicht inzwischen das Siemens-Solar-Geschäft ? Was investieren Sie hier ? Ist es denkbar, dass Sie diese Aktivitäten teilweise an die Börse bringen, wo momentan beste Kurse dafür bewilligt werden ?
v. Pierer Das Geschäft von Siemens Solar liegt zur Zeit bei rund 100 Millionen Euro pro Jahr. Die jährlichen Wachstumsraten von derzeit über 20 Prozent erfordern auch Investitionen von rund 20 Prozent vom Umsatz. Ein Börsengang ist derzeit nicht geplant.
Die WGZbank zu den Aussichten:
Er erwarte einen Gewinn in Höhe von 4,84 Mrd. Euro für 2000/2001 und 5,88 Mrd. Euro für 2001/2002./akr/sb/ub