Der Markt heute
Zu keiner Zeit konnte AMD bisher trotz des eigenen Wachstums den inzwischen auf über 80 Prozent gekletterten Anteil Intels am Mikroprozessormarkt gefährden. AMD wuchs, Intel wuchs kräftiger und der Markt wuchs gewöhnlich schneller als alle zusammen, so lässt sich die Situation bis Ende der neunziger Jahre charakterisieren.
Doch inzwischen hat sich für AMD die Situation geändert. Der auch in Verlustjahren konstant hoch gehaltene Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung und die Investitionen in neue Produktionsstätten modernster Technik zeigen ihre Wirkung. Stolz weist man bei AMD darauf hin, dass die Forschungsabteilungen im letzten Jahr erstmals mehr Patente angemeldet haben, als ihre Kollegen bei Intel. In Dresden wurde mit Fab 30 erst kürzlich ‘die modernste Chip-Produktionsstätte’ der Welt eingeweiht. Dort wird seitdem mit Hochdruck und offensichtlich hoher Ausbeute ein großer Teil der aktuellen Athlon-Familie in 180-nm-Kupfertechnologie hergestellt. Der andere Teil kommt aus dem Stammwerk Fab 25 in Austin, Texas, wo allerdings die 180-nm-Aluminium-Technik gefahren wird. Auch die neuen Duron-Prozessoren für den Low-Cost-Markt werden dort hergestellt. Von den insgesamt sieben Chipschmieden AMDs sind somit zwei allein mit der Produktion aktueller Technik ausgelastet.
Die Umstellung auf den 180-nm-Prozess scheint damit bei AMD besser geglückt als bei Intel, obwohl Intel bereits an der 130-nm-Technik werkelt. Intel verfügt zur Zeit über 17 Fabs. Die Produktion der Prozessoren verteilt sich im Wesentlichen auf fünf nahezu identisch aufgebaute Chipfabriken. Intels schier unglaubliche Pleiten-, Pech- und Pannenliste (siehe Kasten) insbesondere der letzten zwölf Monate deutet darauf hin, dass der Chipgigant mit Design, Test und Produktion seiner forsch propagierten technischen Neuheiten große Probleme hat. Ständige Verzögerungen bei der Neueinführung offensichtlich übereilt angekündigter Chipsätze und Prozessoren, deren Bugliste auch nach Auslieferung langsam aber sicher wächst, verärgern nicht nur Hersteller von Boards und Rechnern. Auch die Endverbraucher, die den 1995er-Pentium-Bug schon fast vergessen hatten, zeigen zunehmende Skepsis. Und die zur Zeit gravierenden Lieferschwierigkeiten bei fast allen Prozessoren tragen auch nicht zur Stabilisierung der auf jede Meldung sensibel reagierenden Aktienkurse bei. Insgesamt agiert Intel erstaunlich hektisch, seit sich die Erfolge AMDs häufen.
Das dürfte mit den unter Druck der Mitbewerber stark verkürzten Entwicklungszeiten, vermutlich aber auch mit der ständig notwendigen Aufrüstung der bestehenden Altanlagen parallel zur Produktion zu tun haben. Zwar will Intel dieses Jahr rund sechs Milliarden Dollar in die Produktion investieren. Neue Produktionsstätten werden aber nach Intels eigenen Angaben erst 2001 online gehen können.
Mit dem Rambus verfolgt Intel seit 1999 zwar mit Blick auf zukünftige, noch stärker integrierte und schnellere Prozessoren ein fortschrittliches Speicherkonzept, zumindest für den Highend-Serverbereich. Allerdings zeugt gerade diese Entscheidung von einer völligen Fehleinschätzung des Massenmarktes und einem etwas überheblichen Glauben an die eigene technische Allmacht.
Die meisten Boardhersteller waren über den notwendigen Designaufwand, das teure Testequipment und die extrem hohen Speicherkosten von Anfang an nicht begeistert. Außerdem war der objektive Leistungsgewinn im Zusammenspiel mit Intels Pentium-III-Generation im Vergleich selbst zur bereits marktreif verfügbaren Speichertechnik mit 133-MHz-DDR-SDRAM eher klein - viel zu klein in Relation zu den trotz Intels Bemühungen und Anschubfinanzierungen exorbitant hohen RIMM-Preisen. Hersteller wie IBM, Compaq und HP, die es dennoch wagten, entsprechende Platinen für den Camino-Chipsatz (i820) von Intel vorzubereiten, mussten auch noch hinnehmen, dass Intel die Auslieferung seines Chipsatzes mehrfach verschob, um kurzfristig entdeckte Stabilitätsprobleme zu beseitigen. Zu allem Übel hatte Intel den Rambus auch für den Low-Cost-Markt (Timna-Prozessor) vorgesehen - angesichts der Speicherpreise ein völlig aussichtsloses und gerade verschobenes Unterfangen.
Intel versuchte natürlich, die Situation auszubügeln und bastelte eine technische Krücke, den Memory Translation Hub (MTH), mit dem sich SDRAM auch auf i820 und i840-Boards einsetzen lassen sollte. Doch auch hier ist der Wurm drin, denn das Zusammenspiel des MTH mit den Chipsätzen und dem SDRAM funktionierte von Beginn an nicht in allen Kombinationen reibungsfrei, wie Intel allerdings erst nach Markteinführung entdeckte. Und es kam noch schlimmer: Das ganze Design erwies sich inzwischen als derart instabil, dass Intel Anfang Juni kleinlaut eine Umtauschaktion einleiten musste.
De facto verfügt Intel damit zur Zeit über kein funktionierendes System eigener moderner Chipsätze mit aktuellen Prozessoren bis in den Highend-PC-Bereich. Intel-Konkurrent und AMD-Partner VIA freut sich nun trotz eigener technischer Probleme auf die Umsätze durch seine funktionierenden DDR-SDRAM-Boards für die Pentium-III-Prozessoren und als Hoflieferant für AMDs erfolgreiche Athlon- und die neue Duron-Klasse.
Die Folge dieses Katastrophenjahres (siehe Kasten) für Intel: Auf der gerade zu Ende gegangenen Computex in Taiwan hieß es erstmals überwiegend ‘Follow the AMD roadmap!’. Selbst langjährige Vasallen Intels wie IBM und Gateway haben heute keine Hemmungen mehr, AMDs aktuelle Prozessoren in ihren Systemen anzubieten. Das Speichersystem PC266 wird von allen Board-Herstellern unterstützt und man darf spekulieren, wann selbst IBM den Rambus fallen lässt.
So verschieden die beiden Unternehmen heute auch darstehen, Intel und AMD hatten in ihren Anfangsjahren viele gemeinsame Wurzeln und Berührungspunkte, die bis in die heutige Zeit fortwirken. Denn beide Firmen wurden vor rund drei Jahrzehnten unweit des heutigen Silicon Valley von hochrangigen Aussteigern der Halbleiterschmiede Fairchild Semiconductors gegründet, allerdings unter durchaus verschiedenen Vorzeichen.
Quelle: Ausschnitt aus www.heise.de/ct/00/14/088/