Insiderhandel
Schwamm drüber?
Bislang galt der Anlegerschutz nicht eben als Ruhmesblatt der deutschen Justiz. Am Freitag soll ein Stuttgarter Gericht den Ex-Börsenjournalisten und Fondsberater Sascha Opel wegen Insiderhandels verurteilen. Doch die Richter tun sich schwer.
TOBIAS MOERSCHEN, Stuttgart
HANDELSBLATT, 27.8.2002
Mit Aktien“, sagt Richter Joachim Herle, „hab' ich nix am Hut.“ Das gilt allerdings nur privat. Denn beruflich verhandelt der Vorsitzende der 6. Großen Wirtschaftsstrafkammer des Stuttgarter Landgerichts einen der heißesten Fälle im Börsenstrafrecht: Härle leitet das erste Insiderverfahren gegen einen Ex-Börsenjournalisten und einstigen Fondsberater.
Angeklagt ist Sascha Alfred Opel, einer der gefallenen Stars des Neuen Marktes. Opel war stellvertretender Chefredakteur des Anlegermagazins „Der Aktionär“ und Berater zweier Fonds, die in Boomzeiten knapp 500 Millionen Euro verwalteten. Er soll im Herbst 2000 die Marktmacht der Fonds illegal ausgenutzt haben.
Laut Staatsanwalt Hans Richter hat Opel zunächst Aktien für sich selbst und einen Komplizen gekauft. Dann habe er die gleichen Titel seinen Fonds empfohlen, die mit ihren Orders die Kurse bewegen konnten. Kurz darauf habe Opel die privat erworbenen Aktien mit Gewinn verkauft. Weit über 100 000 Mark verdienten die beiden angeblich bei acht Transaktionen, die meist nur wenige Tagen dauerten.
Dabei waren die Spekulationen mit Poet Holdings, Ce Consumer, Fame, Eurofins Scientific und Deag wohl nur ein Test. „Wir wollten sehen, wie es klappt, und das Ding dann richtig groß aufziehen“, sagt der Mitangeklagte Daniel K. vor Gericht. Er sammelte bei Angehörigen und Bekannten in einem Stuttgarter Daytrading-Center rund eine halbe Million Mark ein und überredete Opel, das Geld anzulegen.
Mit dem Verfahren hat die Justiz Neuland betreten. So kam erstmals in einer Börsensache ein verdeckter Ermittler zum Einsatz. Er gab sich als reicher Investor aus, der sich an den Insidergeschäften beteiligen wolle. Nur durch ihn kam die Staatsanwaltschaft Opel auf die Schliche.
Der heute 29-jährige Reserveoffizier Opel zählte zu den ganz Großen am Neuen Markt. Er war die rechte Hand des Neue-Markt-Gurus Bernd Förtsch, zu dessen Kulmbacher Imperium das Magazin „Der Aktionär“ ebenso zählt wie 0190-Aktienhot- lines, eine Beteiligung am Brokerhaus „United Capital“ und Beratermandate für Aktienfonds, die zeitweise Milliarden verwalteten. Opel selbst beriet den DAC-Kontrast-Universal-Fonds und den H & A Lux DAC-Neuer-Markt-Fonds der renommierten Privatbank Hauck & Aufhäuser.
Doch die Traumkarriere endete am 26. Oktober 2000 abrupt, als die Polizei Opel aus dem Auto zerrte und festnahm. Nach einer Nacht im Gefängnis kam er gegen Kaution frei, aber die Beratermandate waren weg. Auch beim „Aktionär“ trat Opel nicht mehr in Erscheinung.
Jetzt soll die Stuttgarter Strafkammer Rechtsgeschichte schreiben und erstmals auf Grund des Wertpapierhandelsgesetzes (WPHG) so vertrackte Fragen klären wie: Ab wann werden die Interessenkonflikte zwischen privater Geldanlage, journalistischen Aktientipps und Fondsberatung zum Straftatbestand? Und war Opel überhaupt Insider im Sinne des WPHG?
Ginge es nach den Verteidigern, dann könnte Richter Härle die Insider-Problematik getrost vergessen. Mehrfach haben sie dem Gericht einen Deal angeboten: Der Insidervorwurf solle ausgeklammert werden; dafür würden die Angeklagten andere Taten – etwa Verstoß gegen das Kreditwesengesetz – gestehen. Vorsitzender Härle wäre auf das Angebot gerne eingegangen. Er verspürt wenig Lust, ein Pionier-Urteil zu fällen, das wegen der unklaren Rechtslage in der nächsten Instanz vom Bundesgerichtshof möglicherweise einkassiert wird. Doch Staatsanwalt Hans Richter hat sich quer gelegt. Der kleine Mittfünfziger mit der leisen, aber schneidenden Stimme will das Verfahren durchziehen. „Können wir es uns leisten, dass der Eindruck entsteht, Insiderhandel werde am deutschen Kapitalmarkt gar nicht verfolgt? Ich meine, nein“ sagt er.
Der Ruf des deutschen Kapitalmarktschutzes ist erheblich angekratzt, seit es im bislang einzigen Präzedenzfall gegen Egbert Prior gar nicht erst zur Verfahrenseröffnung gekommen ist. Grund: Den Richtern fehlten vor zwei Jahren genügend Beweise, dass der Frankfurter Reporter und Börsenguru beim privaten Kauf einzelner Aktien bereits wusste, dass er deren Kurse später durch öffentliche Empfehlungen „pushen“ würde.
Sascha Opel argumentiert in Stuttgart ähnlich wie einst Prior in Frankfurt: Zwar habe er wiederholt Aktien für sich oder seinen Kompagnon und später die Fonds gekauft. Aber ein „System, wie der Staatsanwalt es konstruiert“, habe nie existiert. „Wenn ich von einer Aktie überzeugt war, habe ich sie den Fonds empfohlen und auch privat gekauft“, sagt Opel. Soll der Vertreter der Anklage erst mal das Gegenteil beweisen.
Zum Knackpunkt für Opel könnte die Frage werden, ob die von ihm initiierten Fondsaufträge geeignet waren, „im Falle ihres Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen“. So formuliert Paragraf 13 des WPHG den Tatbestand des Insiderhandels, für den eine Geldbuße oder bis zu fünf Jahre Haft fällig werden können.
Opel selbst betont, die Kaufaufträge seien kursschonend abgewickelt worden. Daher könne kein Insiderhandel vorliegen. Das sieht der Sachverständige Thomas Hoffmann vor Gericht anders. Er hat den Fall Opel beim damaligen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel bearbeitet. Hoffmann hält die Fondsorders für „durchaus kursrelevant“. So habe das vom Angeklagten empfohlene Ordervolumen im Fall Ce Consumer das Anderthalbfache der normalen Tagesumsätze der Aktie betragen. „Das sind ganz erhebliche Prozentzahlen“, sagt Hoffmann. Solche Orders seien trotz Schutzmechanismen nicht völlig kursneutral abzuwickeln.
Die Beweisaufnahme ist nun fast abgeschlossen, am Freitag soll bereits ein Urteil fallen. Dennoch ist völlig offen, ob das Gericht der Anklage überhaupt folgt. Denn Richter Härle, der während einer Zeugenanhörung erstaunt feststellt, dass die Aktienkurse schon seit Jahren auf Euro statt auf D-Mark lauten, fühlt sich unwohl auf dem börsenrechtlichen Neuland des Wertpapierhandelsgesetzes: „Das Gesetz isch sehr schwammig formuliert“, gibt der Schwabe zu Protokoll.
HANDELSBLATT, Dienstag, 27. August 2002, 06:01 Uhr
Schwamm drüber?
Bislang galt der Anlegerschutz nicht eben als Ruhmesblatt der deutschen Justiz. Am Freitag soll ein Stuttgarter Gericht den Ex-Börsenjournalisten und Fondsberater Sascha Opel wegen Insiderhandels verurteilen. Doch die Richter tun sich schwer.
TOBIAS MOERSCHEN, Stuttgart
HANDELSBLATT, 27.8.2002
Mit Aktien“, sagt Richter Joachim Herle, „hab' ich nix am Hut.“ Das gilt allerdings nur privat. Denn beruflich verhandelt der Vorsitzende der 6. Großen Wirtschaftsstrafkammer des Stuttgarter Landgerichts einen der heißesten Fälle im Börsenstrafrecht: Härle leitet das erste Insiderverfahren gegen einen Ex-Börsenjournalisten und einstigen Fondsberater.
Angeklagt ist Sascha Alfred Opel, einer der gefallenen Stars des Neuen Marktes. Opel war stellvertretender Chefredakteur des Anlegermagazins „Der Aktionär“ und Berater zweier Fonds, die in Boomzeiten knapp 500 Millionen Euro verwalteten. Er soll im Herbst 2000 die Marktmacht der Fonds illegal ausgenutzt haben.
Laut Staatsanwalt Hans Richter hat Opel zunächst Aktien für sich selbst und einen Komplizen gekauft. Dann habe er die gleichen Titel seinen Fonds empfohlen, die mit ihren Orders die Kurse bewegen konnten. Kurz darauf habe Opel die privat erworbenen Aktien mit Gewinn verkauft. Weit über 100 000 Mark verdienten die beiden angeblich bei acht Transaktionen, die meist nur wenige Tagen dauerten.
Dabei waren die Spekulationen mit Poet Holdings, Ce Consumer, Fame, Eurofins Scientific und Deag wohl nur ein Test. „Wir wollten sehen, wie es klappt, und das Ding dann richtig groß aufziehen“, sagt der Mitangeklagte Daniel K. vor Gericht. Er sammelte bei Angehörigen und Bekannten in einem Stuttgarter Daytrading-Center rund eine halbe Million Mark ein und überredete Opel, das Geld anzulegen.
Mit dem Verfahren hat die Justiz Neuland betreten. So kam erstmals in einer Börsensache ein verdeckter Ermittler zum Einsatz. Er gab sich als reicher Investor aus, der sich an den Insidergeschäften beteiligen wolle. Nur durch ihn kam die Staatsanwaltschaft Opel auf die Schliche.
Der heute 29-jährige Reserveoffizier Opel zählte zu den ganz Großen am Neuen Markt. Er war die rechte Hand des Neue-Markt-Gurus Bernd Förtsch, zu dessen Kulmbacher Imperium das Magazin „Der Aktionär“ ebenso zählt wie 0190-Aktienhot- lines, eine Beteiligung am Brokerhaus „United Capital“ und Beratermandate für Aktienfonds, die zeitweise Milliarden verwalteten. Opel selbst beriet den DAC-Kontrast-Universal-Fonds und den H & A Lux DAC-Neuer-Markt-Fonds der renommierten Privatbank Hauck & Aufhäuser.
Doch die Traumkarriere endete am 26. Oktober 2000 abrupt, als die Polizei Opel aus dem Auto zerrte und festnahm. Nach einer Nacht im Gefängnis kam er gegen Kaution frei, aber die Beratermandate waren weg. Auch beim „Aktionär“ trat Opel nicht mehr in Erscheinung.
Jetzt soll die Stuttgarter Strafkammer Rechtsgeschichte schreiben und erstmals auf Grund des Wertpapierhandelsgesetzes (WPHG) so vertrackte Fragen klären wie: Ab wann werden die Interessenkonflikte zwischen privater Geldanlage, journalistischen Aktientipps und Fondsberatung zum Straftatbestand? Und war Opel überhaupt Insider im Sinne des WPHG?
Ginge es nach den Verteidigern, dann könnte Richter Härle die Insider-Problematik getrost vergessen. Mehrfach haben sie dem Gericht einen Deal angeboten: Der Insidervorwurf solle ausgeklammert werden; dafür würden die Angeklagten andere Taten – etwa Verstoß gegen das Kreditwesengesetz – gestehen. Vorsitzender Härle wäre auf das Angebot gerne eingegangen. Er verspürt wenig Lust, ein Pionier-Urteil zu fällen, das wegen der unklaren Rechtslage in der nächsten Instanz vom Bundesgerichtshof möglicherweise einkassiert wird. Doch Staatsanwalt Hans Richter hat sich quer gelegt. Der kleine Mittfünfziger mit der leisen, aber schneidenden Stimme will das Verfahren durchziehen. „Können wir es uns leisten, dass der Eindruck entsteht, Insiderhandel werde am deutschen Kapitalmarkt gar nicht verfolgt? Ich meine, nein“ sagt er.
Der Ruf des deutschen Kapitalmarktschutzes ist erheblich angekratzt, seit es im bislang einzigen Präzedenzfall gegen Egbert Prior gar nicht erst zur Verfahrenseröffnung gekommen ist. Grund: Den Richtern fehlten vor zwei Jahren genügend Beweise, dass der Frankfurter Reporter und Börsenguru beim privaten Kauf einzelner Aktien bereits wusste, dass er deren Kurse später durch öffentliche Empfehlungen „pushen“ würde.
Sascha Opel argumentiert in Stuttgart ähnlich wie einst Prior in Frankfurt: Zwar habe er wiederholt Aktien für sich oder seinen Kompagnon und später die Fonds gekauft. Aber ein „System, wie der Staatsanwalt es konstruiert“, habe nie existiert. „Wenn ich von einer Aktie überzeugt war, habe ich sie den Fonds empfohlen und auch privat gekauft“, sagt Opel. Soll der Vertreter der Anklage erst mal das Gegenteil beweisen.
Zum Knackpunkt für Opel könnte die Frage werden, ob die von ihm initiierten Fondsaufträge geeignet waren, „im Falle ihres Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen“. So formuliert Paragraf 13 des WPHG den Tatbestand des Insiderhandels, für den eine Geldbuße oder bis zu fünf Jahre Haft fällig werden können.
Opel selbst betont, die Kaufaufträge seien kursschonend abgewickelt worden. Daher könne kein Insiderhandel vorliegen. Das sieht der Sachverständige Thomas Hoffmann vor Gericht anders. Er hat den Fall Opel beim damaligen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel bearbeitet. Hoffmann hält die Fondsorders für „durchaus kursrelevant“. So habe das vom Angeklagten empfohlene Ordervolumen im Fall Ce Consumer das Anderthalbfache der normalen Tagesumsätze der Aktie betragen. „Das sind ganz erhebliche Prozentzahlen“, sagt Hoffmann. Solche Orders seien trotz Schutzmechanismen nicht völlig kursneutral abzuwickeln.
Die Beweisaufnahme ist nun fast abgeschlossen, am Freitag soll bereits ein Urteil fallen. Dennoch ist völlig offen, ob das Gericht der Anklage überhaupt folgt. Denn Richter Härle, der während einer Zeugenanhörung erstaunt feststellt, dass die Aktienkurse schon seit Jahren auf Euro statt auf D-Mark lauten, fühlt sich unwohl auf dem börsenrechtlichen Neuland des Wertpapierhandelsgesetzes: „Das Gesetz isch sehr schwammig formuliert“, gibt der Schwabe zu Protokoll.
HANDELSBLATT, Dienstag, 27. August 2002, 06:01 Uhr