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11. September 2000 P O L I T I K | W I R T S C H A F T |
S C H U M M E L F I R M A
Infomatec droht Ausschluss vom Neuen Markt
Das Softwareunternehmen Infomatec hat, wie eine Sprecherin zugegeben hat, "Leichen im Keller". Jetzt sprangen beide Beraterbanken ab, die Zukunft des Unternehmens ist höchst ungewiss.
Augsburg - Infomatec teilte am Montag mit, dass nach der WestLB jetzt auch die zweite Beraterbank der Firma, Sal. Oppenheim, ihr Mandat niedergelegt habe. Damit erfüllt das Augsburger Unternehmen nicht mehr die Voraussetzungen für eine Notierung am Neuen Markt. In den Regeln steht, dass jedes notierte Unternehmen zwei so genannte "Designated Sponsors" braucht.
Infomatec prüft nun, ob neue Beraterbanken einspringen würden. Eine andere Möglichkeit wäre, in ein anderes Börsensegment zu wechseln, sagte eine Sprecherin. Das Unternehmen hat sich bei der Deutschen Börse bis Mittwoch Bedenkzeit erbeten. Der Infomatec-Kurs rutschte am Montag in den Keller.
Aus Expertensicht bleibt Infomatec keine andere Wahl, als neue Sponsoren zu suchen. Denn ein Wechsel an den Geregelten Markt würde den völligen Einbruch der Aktie bedeuten. "Am Geregelten Markt droht das Unternehmen schnell in Vergessenheit zu geraten", sagte Oliver Wrangel, Analyst bei Merck Finck & Co.
Doch welche Bank will ein Unternehmen betreuen, gegen das die Augsburger Staatsanwaltschaft wegen Betrugs ermittelt? Wenn sich überhaupt jemand fände, dann mit Sicherheit keine "erste Adresse", meint Wrangel. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Infomatec wegen der Fälschung mehrerer Börsenpflichtmitteilungen (Ad-Hoc-Meldungen) und unzulässiger Insidergeschäfte.
Im Gegensatz zu früheren Ankündigungen rechnet das Software-Unternehmen für das laufende Geschäftsjahr mit einem gegenüber früheren Prognosen halbierten Jahresumsatz von rund 98 Millionen Mark und einem Verlust vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von rund 51 Millionen Mark.
I N F O M A T E C
Leichen im Keller
Das Augsburger Softwareunternehmen Infomatec musste fehlerhafte Ad hoc-Mitteilungen des letzten Jahres berichtigen. Jetzt droht der Firma eine Strafanzeige wegen Kursbetrugs und Insiderhandels.
Augsburg - Zwei Vorstände des am Neuen Markt gelisteten Unternehmens hätten den Kurs mit geschönten Mitteilungen in die Höhe getrieben, erklärte die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) am Mittwoch. Die SdK werde daher so schnell wie möglich Anzeige erstatten, sagte Sprecherin Reinhild Keitel. Die Staatsanwaltschaft solle prüfen, ob die Tatbestände des Kursbetrugs und des Insiderhandels erfüllt würden.
Infomatec hatte seine Jahresprognose am Dienstag nach unten korrigiert. Der Umsatz mit internetbasierenden Endgeräten sei unter den Erwartungen geblieben, erklärte das Unternehmen. Außerdem stellte es zwei Ad hoc-Mitteilungen von vergangenem Herbst richtig, in denen Aufträge bekannt gegeben beziehungsweise angekündigt worden waren.
"Entgegen einer Ad hoc-Mitteilung vom 13. September 1999, in der ein Auftrag des Unternehmens Global Wellcom in Höhe von 55 Millionen Mark bekannt gegeben wurde", heiße es in der Rahmenvereinbarung: "Global Wellcom und Infomatec AG haben sich das Ziel gesetzt, 100.000 Surfstations gemeinsam (...) zu vermarkten."
Außerdem sei am 16. November ein Auftrag der WorldWide Database Company angekündigt worden. Nach "langwieriger und eingehender Prüfung der unterschriebenen Dokumente bezüglich deren Verbindlichkeit" komme Infomatec aber zu dem Schluss, "dass keine weiteren Umsätze aus diesem Projekt zu erwarten sind".
Als Folge rechne das Unternehmen für das Gesamtjahr nur noch mit der Hälfte des ursprünglich prognostizierten Umsatzes bis zu 100 Millionen Euro.
Am Mittwoch notierte der Aktienkurs von Infomatec nur noch bei knapp sieben Euro. Im Vorjahr habe die Aktie auf Grund der positiven Unternehmensnachrichten bei über 60 Euro gelegen, sagte die SdK. Keitel befürchtet, das möglicherweise noch mehr Mitteilungen fehlerhaft waren. Die SdK fordere auch das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel auf zu prüfen, ob die Vorstände die vermutlich falschen Darstellungen genutzt hätten, um Aktien aus ihrem Bestand zu verkaufen.
Infomatec-Sprecherin Rianne Biesters sagte, seit 1. Juli habe das Unternehmen ein neues operatives Management. Neben Verträgen seien frühere Ad hoc-Mitteilungen geprüft worden. Dabei sei festgestellt worden, dass teilweise "unsauber kommuniziert" worden sei. Anhaltspunkte für Absicht gebe es nicht. "Mein Eindruck ist, dass unsorgfältig formuliert wurde", sagte sie. Das sei "sehr, sehr unerfreulich". Jetzt setze das Unternehmen auf "transparente Kommunikation". Um den Schaden zu begrenzen habe sie dafür plädiert, "die Leichen, die wir im Keller haben, bekannt zu geben".
11. September 2000 P O L I T I K | W I R T S C H A F T |
S C H U M M E L F I R M A
Infomatec droht Ausschluss vom Neuen Markt
Das Softwareunternehmen Infomatec hat, wie eine Sprecherin zugegeben hat, "Leichen im Keller". Jetzt sprangen beide Beraterbanken ab, die Zukunft des Unternehmens ist höchst ungewiss.
Augsburg - Infomatec teilte am Montag mit, dass nach der WestLB jetzt auch die zweite Beraterbank der Firma, Sal. Oppenheim, ihr Mandat niedergelegt habe. Damit erfüllt das Augsburger Unternehmen nicht mehr die Voraussetzungen für eine Notierung am Neuen Markt. In den Regeln steht, dass jedes notierte Unternehmen zwei so genannte "Designated Sponsors" braucht.
Infomatec prüft nun, ob neue Beraterbanken einspringen würden. Eine andere Möglichkeit wäre, in ein anderes Börsensegment zu wechseln, sagte eine Sprecherin. Das Unternehmen hat sich bei der Deutschen Börse bis Mittwoch Bedenkzeit erbeten. Der Infomatec-Kurs rutschte am Montag in den Keller.
Aus Expertensicht bleibt Infomatec keine andere Wahl, als neue Sponsoren zu suchen. Denn ein Wechsel an den Geregelten Markt würde den völligen Einbruch der Aktie bedeuten. "Am Geregelten Markt droht das Unternehmen schnell in Vergessenheit zu geraten", sagte Oliver Wrangel, Analyst bei Merck Finck & Co.
Doch welche Bank will ein Unternehmen betreuen, gegen das die Augsburger Staatsanwaltschaft wegen Betrugs ermittelt? Wenn sich überhaupt jemand fände, dann mit Sicherheit keine "erste Adresse", meint Wrangel. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Infomatec wegen der Fälschung mehrerer Börsenpflichtmitteilungen (Ad-Hoc-Meldungen) und unzulässiger Insidergeschäfte.
Im Gegensatz zu früheren Ankündigungen rechnet das Software-Unternehmen für das laufende Geschäftsjahr mit einem gegenüber früheren Prognosen halbierten Jahresumsatz von rund 98 Millionen Mark und einem Verlust vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von rund 51 Millionen Mark.
I N F O M A T E C
Leichen im Keller
Das Augsburger Softwareunternehmen Infomatec musste fehlerhafte Ad hoc-Mitteilungen des letzten Jahres berichtigen. Jetzt droht der Firma eine Strafanzeige wegen Kursbetrugs und Insiderhandels.
Augsburg - Zwei Vorstände des am Neuen Markt gelisteten Unternehmens hätten den Kurs mit geschönten Mitteilungen in die Höhe getrieben, erklärte die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) am Mittwoch. Die SdK werde daher so schnell wie möglich Anzeige erstatten, sagte Sprecherin Reinhild Keitel. Die Staatsanwaltschaft solle prüfen, ob die Tatbestände des Kursbetrugs und des Insiderhandels erfüllt würden.
Infomatec hatte seine Jahresprognose am Dienstag nach unten korrigiert. Der Umsatz mit internetbasierenden Endgeräten sei unter den Erwartungen geblieben, erklärte das Unternehmen. Außerdem stellte es zwei Ad hoc-Mitteilungen von vergangenem Herbst richtig, in denen Aufträge bekannt gegeben beziehungsweise angekündigt worden waren.
"Entgegen einer Ad hoc-Mitteilung vom 13. September 1999, in der ein Auftrag des Unternehmens Global Wellcom in Höhe von 55 Millionen Mark bekannt gegeben wurde", heiße es in der Rahmenvereinbarung: "Global Wellcom und Infomatec AG haben sich das Ziel gesetzt, 100.000 Surfstations gemeinsam (...) zu vermarkten."
Außerdem sei am 16. November ein Auftrag der WorldWide Database Company angekündigt worden. Nach "langwieriger und eingehender Prüfung der unterschriebenen Dokumente bezüglich deren Verbindlichkeit" komme Infomatec aber zu dem Schluss, "dass keine weiteren Umsätze aus diesem Projekt zu erwarten sind".
Als Folge rechne das Unternehmen für das Gesamtjahr nur noch mit der Hälfte des ursprünglich prognostizierten Umsatzes bis zu 100 Millionen Euro.
Am Mittwoch notierte der Aktienkurs von Infomatec nur noch bei knapp sieben Euro. Im Vorjahr habe die Aktie auf Grund der positiven Unternehmensnachrichten bei über 60 Euro gelegen, sagte die SdK. Keitel befürchtet, das möglicherweise noch mehr Mitteilungen fehlerhaft waren. Die SdK fordere auch das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel auf zu prüfen, ob die Vorstände die vermutlich falschen Darstellungen genutzt hätten, um Aktien aus ihrem Bestand zu verkaufen.
Infomatec-Sprecherin Rianne Biesters sagte, seit 1. Juli habe das Unternehmen ein neues operatives Management. Neben Verträgen seien frühere Ad hoc-Mitteilungen geprüft worden. Dabei sei festgestellt worden, dass teilweise "unsauber kommuniziert" worden sei. Anhaltspunkte für Absicht gebe es nicht. "Mein Eindruck ist, dass unsorgfältig formuliert wurde", sagte sie. Das sei "sehr, sehr unerfreulich". Jetzt setze das Unternehmen auf "transparente Kommunikation". Um den Schaden zu begrenzen habe sie dafür plädiert, "die Leichen, die wir im Keller haben, bekannt zu geben".