Lesenswert finde ich das Interview, auch wenn ich mir keine Meinung zur Prognose erlauben möchte... Aber die werte Community vielleicht?
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Ressort: Finanzen
URL: /finanzen/artikel/678/97581/article.html
Datum und Zeit: 11.01.2007 - 17:04
Maßlosigkeit an den Börsen ,,Stimmung erinnert an 1987 und 2000‘‘
Roland Leuschel hat die Kurseinbrüche 1987 und 2000 am Aktienmarkt vorausgesehen. Der 69-jährige Vermögensverwalter glaubt, dass an den Börsen ein neuerlicher Crash unmittelbar bevorsteht.
SZ: Herr Leuschel, die meisten Analysten prognostizierten 2007 weiter steigende Aktienkurse. Sie nicht. Warum?
Leuschel: Weil mich diese wunderbare Stimmung überall und die vielen Übertreibungen im Markt ganz stark an die Jahresanfänge 1987 und 2000 erinnern. Auch zur Jahreswende 1928/29, also kurz vor der größten Depression des vergangenen Jahrhunderts, wähnten sich die Menschen inmitten goldener Jahre.
SZ: Bitte konkret, wo genau sehen Sie Übertreibungen und Parallelen zu den Crashjahren der Vergangenheit?
Leuschel: Der durchschnittliche Angestellte der Investmentbank Goldman Sachs verdient 600000 Dollar im Jahr. Gefeuerte Konzernchefs wie der von Home Depot bekommen dreistellige Millionen-Abfindungen. Die Chefstrategen der 14 größten Wall-Street-Banken zeigen sich in Umfragen alle sehr optimistisch. Dabei sind die großen Investmentfonds und viele andere institutionelle Anleger bereits voll in Aktien investiert, haben sogar Kredite aufgenommen, um noch mehr Geld in Aktien zu stecken. Solche Symptome der Maßlosigkeit waren auch Anfang 1987 und auch 2000 kurz vor dem Platzen der New-Economy-Blase zu beobachten.
SZ: Und warum soll dieser Trend gerade jetzt ein Ende haben? Die Konjunktur läuft doch weltweit auf Hochtouren.
Leuschel: Gerade weil jeder optimistisch ist, gibt es in vielen Dingen kein Halten mehr. Mit am beunruhigendsten ist das Volumen der Wertpapierkredite an der Wall Street. Rund 300 Milliarden Dollar, das entspricht 1,6 Prozent des gesamten Börsenwertes aller in New York notierten Firmen, stammen aus Darlehen, die nur für Wertpapierkäufe aufgenommen wurden. Das ist fast exakt das Volumen, das auch im März 2000 erreicht wurde, und auch vor dem Crash 1987 lag die Quote mit 1,8 Prozent der Marktkapitalisierung in ähnlichen Regionen.
SZ: Was könnte einen Crash auslösen?
Leuschel: Bei dieser starken Kreditabhängigkeit der Märkte reicht schon eine normale Kurskorrektur von zehn Prozent, um einen Stein ins Rollen zu bringen. Oder eine Leitzinserhöhung, weil sie Kredite verteuert und damit dem Markt Liquidität entzieht. Wenn die Kurse rutschen, spüren das zuerst die, die am meisten Schulden haben, also etwa Privathaushalte mit hohen Hypothekendarlehen oder eben auf Pump finanzierte Investoren. Einige werden von den Banken aufgefordert werden, Geld nachzuschießen oder Kredite zurückzuzahlen, weil die Basis, also ihre Aktien oder auch ihre Immobilien, weniger wert sind. Wenn sie aber keine Mittel mehr beibringen können, wird die Bank ihre Papiere verkaufen, um ausstehende Summen zu decken. Sind im Zuge dieses Prozesses bestimmte Kursmarken unterschritten, werden automatisch weitere Veräußerungsprogramme ausgelöst - der Crash ist da.
SZ: Was raten Sie Anlegern in der aktuellen Situation?
Leuschel: Viel Liquidität halten. Ich habe mich - zugegeben zu früh aus jetziger Sicht - vor sechs Monaten von allen Aktien getrennt. 60 Prozent der Mittel sind in Geldmarktfonds investiert. Während noch alles ruhig ist, kann man in Ruhe substanzhaltige Aktien heraussuchen, in die man nach dem Crash einsteigen kann. Denn ein Kurssturz kommt aus heiterem Himmel, trifft alle Titel und verursacht Panik. Es ist gut, wenn man dann auf eine vorher festgelegte Anlagestrategie zurückgreifen kann.
(SZ vom 11.01.07)
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Ressort: Finanzen
URL: /finanzen/artikel/678/97581/article.html
Datum und Zeit: 11.01.2007 - 17:04
Maßlosigkeit an den Börsen ,,Stimmung erinnert an 1987 und 2000‘‘
Roland Leuschel hat die Kurseinbrüche 1987 und 2000 am Aktienmarkt vorausgesehen. Der 69-jährige Vermögensverwalter glaubt, dass an den Börsen ein neuerlicher Crash unmittelbar bevorsteht.
SZ: Herr Leuschel, die meisten Analysten prognostizierten 2007 weiter steigende Aktienkurse. Sie nicht. Warum?
Leuschel: Weil mich diese wunderbare Stimmung überall und die vielen Übertreibungen im Markt ganz stark an die Jahresanfänge 1987 und 2000 erinnern. Auch zur Jahreswende 1928/29, also kurz vor der größten Depression des vergangenen Jahrhunderts, wähnten sich die Menschen inmitten goldener Jahre.
SZ: Bitte konkret, wo genau sehen Sie Übertreibungen und Parallelen zu den Crashjahren der Vergangenheit?
Leuschel: Der durchschnittliche Angestellte der Investmentbank Goldman Sachs verdient 600000 Dollar im Jahr. Gefeuerte Konzernchefs wie der von Home Depot bekommen dreistellige Millionen-Abfindungen. Die Chefstrategen der 14 größten Wall-Street-Banken zeigen sich in Umfragen alle sehr optimistisch. Dabei sind die großen Investmentfonds und viele andere institutionelle Anleger bereits voll in Aktien investiert, haben sogar Kredite aufgenommen, um noch mehr Geld in Aktien zu stecken. Solche Symptome der Maßlosigkeit waren auch Anfang 1987 und auch 2000 kurz vor dem Platzen der New-Economy-Blase zu beobachten.
SZ: Und warum soll dieser Trend gerade jetzt ein Ende haben? Die Konjunktur läuft doch weltweit auf Hochtouren.
Leuschel: Gerade weil jeder optimistisch ist, gibt es in vielen Dingen kein Halten mehr. Mit am beunruhigendsten ist das Volumen der Wertpapierkredite an der Wall Street. Rund 300 Milliarden Dollar, das entspricht 1,6 Prozent des gesamten Börsenwertes aller in New York notierten Firmen, stammen aus Darlehen, die nur für Wertpapierkäufe aufgenommen wurden. Das ist fast exakt das Volumen, das auch im März 2000 erreicht wurde, und auch vor dem Crash 1987 lag die Quote mit 1,8 Prozent der Marktkapitalisierung in ähnlichen Regionen.
SZ: Was könnte einen Crash auslösen?
Leuschel: Bei dieser starken Kreditabhängigkeit der Märkte reicht schon eine normale Kurskorrektur von zehn Prozent, um einen Stein ins Rollen zu bringen. Oder eine Leitzinserhöhung, weil sie Kredite verteuert und damit dem Markt Liquidität entzieht. Wenn die Kurse rutschen, spüren das zuerst die, die am meisten Schulden haben, also etwa Privathaushalte mit hohen Hypothekendarlehen oder eben auf Pump finanzierte Investoren. Einige werden von den Banken aufgefordert werden, Geld nachzuschießen oder Kredite zurückzuzahlen, weil die Basis, also ihre Aktien oder auch ihre Immobilien, weniger wert sind. Wenn sie aber keine Mittel mehr beibringen können, wird die Bank ihre Papiere verkaufen, um ausstehende Summen zu decken. Sind im Zuge dieses Prozesses bestimmte Kursmarken unterschritten, werden automatisch weitere Veräußerungsprogramme ausgelöst - der Crash ist da.
SZ: Was raten Sie Anlegern in der aktuellen Situation?
Leuschel: Viel Liquidität halten. Ich habe mich - zugegeben zu früh aus jetziger Sicht - vor sechs Monaten von allen Aktien getrennt. 60 Prozent der Mittel sind in Geldmarktfonds investiert. Während noch alles ruhig ist, kann man in Ruhe substanzhaltige Aktien heraussuchen, in die man nach dem Crash einsteigen kann. Denn ein Kurssturz kommt aus heiterem Himmel, trifft alle Titel und verursacht Panik. Es ist gut, wenn man dann auf eine vorher festgelegte Anlagestrategie zurückgreifen kann.
(SZ vom 11.01.07)