REGIERUNG:"Das tut immer weh" 26.10.2002

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zombi17:

REGIERUNG:"Das tut immer weh" 26.10.2002

 
27.10.02 19:43
REGIERUNG
"Das tut immer weh"
26.10.2002

 



Bundesfinanzminister Hans Eichel, 60, über die Versprechungen der Regierung vor - und ihre Taten nach der Wahl, über den Unterschied zwischen Steuererhöhungen und Subventionsabbau sowie seine Rolle im neuen Kabinett

SPIEGEL: Herr Eichel, haben Sie und die rot-grüne Regierung vor der Wahl die Wähler getäuscht?
Eichel: Wie kommen Sie denn auf die Idee?
SPIEGEL: Sie haben vor der Wahl einen Haushalt aufgestellt, der nun Makulatur ist. Sie haben gesagt, dass Sie das Maastricht-Kriterium von drei Prozent Neuverschuldung nicht überschreiten; jetzt liegen Sie doch darüber. Und Sie haben versprochen, dass Sie die Steuern nicht erhöhen - und nun tun Sie es doch ...
Eichel: ... nein, das tue ich nicht!
SPIEGEL: Sieht so seriöse Politik aus?
Eichel: Da muss ich Ihnen ganz entschieden widersprechen. Wir haben die Wähler nicht getäuscht. Ich habe den ganzen Sommer über gesagt, dass wir uns keine zusätzlichen Schulden leisten können, weil wir dann sofort ein Problem mit Maastricht bekommen. Ich habe eine Haushaltssperre erlassen. Und wir haben den Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe deshalb auch nicht - wie die Union es wollte - über neue Schulden finanziert.
SPIEGEL: Trotzdem müssen Sie dieses Jahr mehr Schulden machen - und zwar fast so viel wie Ihr Vorvorgänger Theo Waigel zu seinen schlimmsten Zeiten. Sogar einen Nachtragshaushalt wird es geben. Sind Sie mit Ihrer Sparpolitik gescheitert?

Eichel: Im Gegenteil. Wir haben das Sparen erst populär gemacht. Niemals zuvor hat eine Regierung die Ausgaben derart entschlossen zurückgefahren wie Rot-Grün. Wir geben dieses und nächstes Jahr sogar weniger Geld aus, als wir uns 1999 vorgenommen haben. Das Problem ist nur, dass jetzt die schwache Konjunktur voll auf den Haushalt durchschlägt. Deshalb werden wir in diesem Jahr - aber nur einmalig - mehr Schulden machen als im Etat geplant.
SPIEGEL: Im Haushalt 2002 klafft immerhin ein Loch von 12 bis 15 Milliarden Euro. Warum haben Sie den Wählern die wahre Finanzlage verschwiegen?
Eichel: Das habe ich doch gar nicht.
SPIEGEL: Haben Sie doch. Alle Meldungen, die darüber vor der Wahl in der Presse erschienen, wurden von Ihrem Ministerium entschieden dementiert.
Eichel: Ich habe immer gesagt, dass unser Haushalt auf Kante genäht ist und keine konjunkturellen Puffer mehr hat. Und bis zum Sommer gingen ja auch noch alle Ökonomen davon aus, dass die Wirtschaft im zweiten Halbjahr anzieht - und damit auch die Steuereinnahmen. Leider kommt es jetzt anders.
SPIEGEL: Machen Sie es sich damit nicht ein bisschen einfach?
Eichel: Überhaupt nicht. Das Wachstum im Vorjahr war doch schon zwei Prozent geringer, als alle vorausgesagt haben - trotzdem ist uns 2001 beim Haushalt praktisch eine Punktlandung gelungen. Für dieses Jahr lagen die Prognosen, und zwar von allen Instituten, wieder rund zwei Prozent zu hoch. Solch einen Einbruch müssen Sie erst einmal bewältigen.
SPIEGEL: Die Etatlöcher haben Sie doch in Wahrheit zum Teil selbst produziert. Ihre Unternehmensteuerreform führte dazu, dass die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer dramatisch einbrachen.
Eichel: Natürlich haben die Kapitalgesellschaften in diesem und im vorigen Jahr nicht so viel Steuern gezahlt, wie wir das gern hätten. Sie haben aber zugleich auch sehr viel Geld an ihre Aktionäre ausgeschüttet. In dem Maße hat sich auch die Kapitalertragsteuer, die von den Aktionären bezahlt wird, erhöht.
SPIEGEL: Nicht ganz: Die Körperschaftsteuer ist um rund 24 Milliarden Euro eingebrochen, die Einnahmen aus der Kapitalertragsteuer sind aber gleichzeitig nur um sieben Milliarden Euro gestiegen.
Eichel: Ich will nicht verhehlen, dass die Konzerne auch ihre steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten genutzt haben. Aber noch einmal: Das lag nicht an unserer Steuerreform. Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, dass die Firmen derzeit sehr viel weniger Gewinn machen als noch vor zwei, drei Jahren. Was wir derzeit bei der Körperschaftsteuer erleben, hat also nicht zuletzt auch konjunkturelle Gründe.
SPIEGEL: Dennoch klafft ein riesiges Loch in Ihrem Etat für 2002. Das kann doch nicht über Nacht entstanden sein. Warum haben Sie so lange geschwiegen?
Eichel: Im Juli und August schien es zeitweise so, als ginge es mit den Steuereinnahmen wieder nach oben. Schon da habe ich immer gesagt: Lasst uns erst mal den September abwarten, das ist ein ganz wichtiger Steuermonat, vorher macht ein Urteil fürs ganze Jahr keinen Sinn. Die September-Zahlen fielen weit schlechter aus als erwartet. Da habe ich sofort gesagt: Es geht nicht mehr.
SPIEGEL: Offenbar haben Sie also als Letzter in Berlin erfahren, was seit dem Sommer jeder Experte wusste: Die Drei-Prozent-Marke, das berühmte Maastricht-Kriterium, ist nicht zu halten.
Eichel: Das waren doch wilde Spekulationen. Der deutsche Finanzminister macht - völlig unabhängig vom Wahltermin - solch eine Aussage erst dann, wenn es wirklich zwingend und absolut sicher ist. Alles andere wäre, gerade auch mit Blick auf den Euro und die Finanzmärkte, völlig unverantwortlich.
SPIEGEL: Der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser behauptet, das alles sei schon vor der Wahl absehbar gewesen. Er hält Ihnen vor: "Wenn der Bundesfinanzminister jetzt etwas anderes behauptet, dann lügt er."
Eichel: Herr Faltlhauser sollte lieber still sein. Die Union hat den Wählern im Wahlkampf das Blaue vom Himmel erzählt, sie hat riesige Versprechungen gemacht, für die das Geld fehlte. Edmund Stoiber wollte nach der Flut sogar die Schulden erhöhen. Mit Verlaub: Das ist keine seriöse Finanzpolitik.
SPIEGEL: Reden wir über Ihre Versprechungen. Noch im August sagten Sie: "Wir planen keine Steuererhöhungen." Nun geschieht das Gegenteil.
Eichel: Nein, das gilt noch immer. Wir erhöhen die Steuern nicht - mit einer einzigen Ausnahme, das räume ich ausdrücklich ein: beim Erdgas. Ansonsten streichen wir nur steuerliche Subventionen. Das war immer unser erklärter Wille, und so stand es auch im SPD-Wahlprogramm.
SPIEGEL: Tatsache ist: Die Menschen müssen mehr Steuern zahlen.
Eichel: Wenn Sie den Menschen Geld wegnehmen, tut das immer weh. Aber wenn eine Sache nicht dem regelrechten Steuersatz unterworfen wird, handelt es sich um eine Steuervergünstigung. Und wenn solche Subventionen abgebaut werden, ist das keine Steuererhöhung.
SPIEGEL: Sie erhöhen zum Beispiel auch den Mehrwertsteuersatz auf Blumen, auf Saatgut, auf Brennholz. Ist das keine Steuererhöhung?
Eichel: Auch hier geht es um steuerliche Subventionen für bestimmte Produkte. Das können Sie übrigens auch im Subventionsbericht der Regierung nachlesen.
SPIEGEL: Und deswegen muss ein Anleger künftig auch seine Einnahmen aus Aktienverkäufen versteuern?
Eichel: Das muss er auch heute schon, wenn er innerhalb der Spekulationsfrist von einem Jahr verkauft.
SPIEGEL: Wir reden jetzt nicht von Spekulanten, sondern von Kleinanlegern, die für die Zukunft vorsorgen wollen. Die empfinden das als eine neue Steuer.
Eichel: Realisierte Aktienkursgewinne sind Einkommen. Da haben wir beim Kapitaleigentümer ein Steuerprivileg gegenüber dem normalen Arbeitnehmer und auch dem Freiberufler, letztlich gegenüber jedem, der durch seine Arbeit sein Einkommen verdient. Das beseitigen wir. Wie in Amerika, wie in Großbritannien.
SPIEGEL: Aber dort sind die Steuersätze viel geringer - zumal dann, wenn die Aktien über viele Jahre gehalten werden.
Eichel: Einverstanden. Aber warten Sie doch erst mal den genauen Gesetzentwurf ab. Der liegt in vier Wochen vor.
SPIEGEL: Auch bei der Eigenheimzulage wollen Sie kräftig zulangen. Die Bauverbände befürchten, dass die Bauindustrie deswegen schwere Probleme bekommt und 200 000 Jobs verloren gehen.
Eichel: Wollen Sie wirklich kritisieren, dass ich diese Subvention abbaue? Für die Eigenheimzulage geben wir zurzeit jedes Jahr zehn Milliarden Euro aus, obwohl der Wohnungsmarkt, vor allem in Ostdeutschland, durch Überkapazitäten gekennzeichnet ist. Wenn das keine krasse Fehlsubventionierung ist, dann weiß ich nicht, was ökonomischer Unsinn ist. Dagegen ist die Förderung des Steinkohlebergbaus harmlos.
SPIEGEL: Die Streichung von Steuervergünstigungen fordern alle Experten - aber nur, wenn gleichzeitig die Steuersätze sinken. Sonst erhöht sich die Last der Bürger.
Eichel: Die Steuersätze wurden und werden gesenkt, und zwar in einem Maß, wie es sie nach dem Krieg in Deutschland noch nicht gegeben hat. Die nächsten Stufen der Steuerreform kommen 2004 und 2005, dadurch werden die Bürger und Unternehmen nochmals um 23 Milliarden Euro entlastet.
SPIEGEL: Und diese Stufen werden auch nicht bei der nächstbesten Haushaltskrise erneut verschoben? Womöglich sogar auf den Sankt-Nimmerleins-Tag?
Eichel: Nein, die Steuerreform ist fester Bestandteil unserer Planungen. Deswegen machen wir doch die ganze Operation, mit all dem Ärger, der damit verbunden ist.
SPIEGEL: Die Wähler hätten vielleicht mehr Verständnis für Ihre Form der Geldbeschaffung, wenn Sie darin nicht nur Flickschusterei, sondern ein Reformkonzept erkennen könnten. Offenbar geht es aber nur darum, Haushaltslöcher zu stopfen.
Eichel: Dieser Eindruck täuscht. Ich habe ein ganz klares Konzept, und das heißt: Subventionsabbau.
SPIEGEL: Glauben Sie tatsächlich, dass die Regierung mit Steuer- und Abgabenerhöhungen ihr wichtigstes Ziel erreichen wird: den Abbau der Arbeitslosigkeit?
Eichel: Ja, sicher. Denn wir bleiben unter wesentlich erschwerten wirtschaftlichen Bedingungen konsequent auf Konsolidierungskurs - mit dem erklärten Ziel, 2006 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen. Und wir gehen nach der Steuer- und Rentenreform jetzt die Reform des Arbeitsmarkts an. Wir setzen zudem einen Schwerpunkt bei der Gesundheitsreform und bei der Entbürokratisierung.
SPIEGEL: Stichwort Entbürokratisierung. Was soll da geschehen?
Eichel: Das ist künftig die Leitlinie für alle Ministerien. Ich werde zum Beispiel in einem ersten Schritt in dieser Wahlperiode die 70 000 Vorschriften, die es im Steuerrecht gibt, um mindestens 20 000 reduzieren. Wolfgang Clement wird die Arbeitsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen sowie Existenzgründer verbessern und Otto Schily die Verwaltungsvorschriften des Staats reduzieren. Auch das ist in der Öffentlichkeit nur so lange populär, wie es nicht ganz konkret wird.
SPIEGEL: Dennoch fällen die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten ein vernichtendes Urteil. Sie sagen, dass der derzeitige Kurs der Regierung das Wachstum bremst und die Wirtschaftskrise verschärft.
Eichel: Dieselben Institute sagen auch, ich solle den Konsolidierungskurs konsequent weitergehen. Da drehe ich den Spieß um und frage: Was sind die Alternativen? Ich habe nach Lektüre des Gutachtens nicht eine einzige gefunden.
SPIEGEL: Rente, Pflege, Krankenversicherung - alle Sozialkassen laufen aus dem Ruder. Die Beiträge steigen auf breiter Front. Wo bleiben die notwendigen Gegenmaßnahmen?
Eichel: In der Krankenversicherung wird Ulla Schmidt hoffentlich alles tun, um gegenzusteuern. Und zur Rente nur so viel: Wir standen angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung vor drei Alternativen. Erstens: Wir kürzen die aktuellen Renten, was rechtlich nicht geht. Zweitens: Wir erhöhen die Beiträge für alle auf 19,8 Prozent. Oder drittens: Wir erhöhen die Beitragsbemessungsgrenze von 4500 auf 5100 Euro im Monat. Das trifft nur eine relative kleine Gruppe. Was ist daran kritikwürdig?
SPIEGEL: Sehr viel, wenn man bedenkt, dass Ihr Maßstab einmal die Generationengerechtigkeit war. Nun zahlen die Jüngeren mal wieder für die Älteren.
Eichel: Das Prinzip der Generationengerechtigkeit hilft uns nicht über die Probleme im Jahr 2003 hinweg. Außerdem ist ja schon interessant, wer sich derzeit über unsere angeblich so ungerechte Politik aufregt: Das sind diejenigen mit mittleren und höheren Einkommen. Dass wir auch bei der Bundesanstalt für Arbeit oder beim Arbeitsministerium relativ stark kürzen, wird einfach verdrängt. Unsere Politik ist absolut ausgewogen.
SPIEGEL: Herr Eichel, in der letzten Legislaturperiode waren Sie der Star der Regierung ...
Eichel: ... das haben Sie und Ihre Kollegen immer behauptet.
SPIEGEL: Sie standen für eine solide Finanzpolitik. Jetzt ist von flexibler Finanzpolitik die Rede. Und in den Koalitionsverhandlungen wurden Sie kräftig ausgebremst.
Eichel: Von Flexibilität kann überhaupt keine Rede sein. Aber natürlich setzt ein Finanzminister nicht hundert Prozent seiner Vorstellungen durch. Das ist immer so. Entscheidend für mich ist: Die Gesamtlinie der Koalitionsvereinbarung stimmt.
SPIEGEL: Ihr neuer Kabinettskollege Clement setzt offenbar andere Prioritäten, er will mehr investieren und weniger sparen. Ist da der Dauerkonflikt nicht programmiert?
Eichel: Nein. Zwischen Wolfgang Clement und mir ...
SPIEGEL: ... passt kein Blatt Papier?
Eichel: (lacht) Diese Formulierung werde ich nicht verwenden, die ist vorbelastet. Aber ich bin sicher, dass wir uns auch in Zukunft auf eine gemeinsame Linie einigen - so wie in den Koalitionsverhandlungen.
SPIEGEL: Da hat Sie der Kanzler aber gelegentlich mit Worten wie "Hans, jetzt lass doch mal gut sein" gebremst. Steht Gerhard Schröder noch hinter Ihnen?
Eichel: Natürlich. Aber der Kanzler muss den ganzen Laden zusammenhalten. Und der Finanzminister muss den scharfen Hund spielen. Am Ende steht immer ein Kompromiss. Das ist das politische Geschäft. Wichtig ist nur, dass wir dabei auf dem Weg zum Ziel bleiben.
SPIEGEL: Herr Eichel, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.



REGIERUNG:Das tut immer weh 26.10.2002 831143
Arbeiter:

Aber aber

 
27.10.02 19:50
Alter:

Den frechen Gerhard Schröder Steuersong gibts da:

 
27.10.02 20:28
www.bild.de

und dann zum frechen Gerhard Schröder Steuersong  
Alter:

Auch diese Subvention kann abgeschafft werden:

 
27.10.02 20:33
nämlich die Zahlungen an die Minister der Schröder-Regierung. Vollkommen unnötige und ungerechtfertigte Zahlungen. Aber die werden bald sicher wieder erhöht, wetten dass....

zombi17:

Gründet doch die Partei der Jammertitten

 
27.10.02 20:52
Wir müssen sparen , aber doch nicht bei mir! Warum geht Ihr nicht mal auf die Ceo`s Eurer Favoriten los , die durch Ihre Gehälter Eure Performance vermasseln? Natürlich läuft ne Menge falsch , aber irgendwo muß man doch mal anfangen.
Subventionen müssen weg , wer nicht wirtschaften kann, hat keine Zukunft .
Dem Bergbau gebe ich noch 5 bis 10 Jahre , bei fallender Beihilfen , die bauen ab ohne Ende. Agra weiß ich nicht .
Demnächst sind die Sozialleistungen dran , denn anders geht es nicht. Und wenn der Staat
sich auch noch besinnen sollte , das bei Ihm selbst erhebliches Einsparpotential vorhanden ist, dann geht es aufwärts. Aber eines ist sicher , es kann alles beschlossen werden , es gibt immer Viele, die aus den Depressionen nicht herauskommen.
Mir geht es immer noch super , wie ist es bei Euch ? Hungert Ihr schon?
Gruß
REGIERUNG:Das tut immer weh 26.10.2002 831173
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