MEIN KOMMENTAR: LIEBER RAUS AUS CONSORS
Raus aus Aktien!
Die Regenmacher
Von Claus Vogt
"In his recent testimony to Congress, Alan Greenspan described his job as difficult. In our view, he might as well have quoted Prime Minister Giovanni Giolitti. When asked in the early 1900's whether it was difficult to govern Italy, Giolitti replied, ,Not at all, but it's useless'." (In seiner letzten Rede vor dem Kongreß beschrieb Alan Greenspan seinen Job als schwierig. Unserer Meinung nach hätte er ebenso gut Premierminister Giovanni Giolitti zitieren können. Als dieser Anfang des 20. Jahrhunderts gefragt wurde, ob es schwierig sei, Italien zu regieren, antwortete er: "Überhaupt nicht, aber es ist nutzlos.")
John P. Hussman, Ph.D., Fund Manager, Hussman Econometrics Advisors, August 2001
In allen Sozialwesen oder Gesellschaften erwartet das Volk von seinen Führern die aktive Lösung von Problemen. In archaischen Gesellschaftsformen, deren Wohlstand fast ausschließlich von landwirtschaftlichem Erfolg abhing, war das Auftreten einer Dürreperiode ein existenzbedrohendes Ereignis. Gerade in Gegenden, in denen dies mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftrat, mußte die politische Führung der Erwartungshaltung des Volkes entsprechend eine aktive Beseitigung des Problems in Aussicht stellen. Soziologen und Ethnologen beschreiben die in unseren aufgeklärten Gesellschaften belächelte Problemlösung als "die Regenmacher".
Die Regenmacher gehörten aufgrund der Bedeutung ihres Auftrages der gesellschaftlichen Elite an. Ihre Aufgabe war es, für Regen und gute Ernten zu sorgen und das Volk in dem Glauben zu bestärken, daß die politische Führung die Geschicke der Gesellschaft aktiv zum Wohle aller steuert. Insbesondere während der deutlich überwiegenden Jahre, in denen keine Dürre auftrat, erfüllten die Regenmacher ihre Aufgabe mit Bravour. In den seltenen Dürrejahren gelang es ihnen zumeist, gute Gründe für den Zorn der Götter und eine glaubhafte Ausrede für ihre eigene Erfolglosigkeit zu finden. In den sehr seltenen Fällen, in denen diese Strategie nicht fruchtete, wurden sie durch vermeintlich fähigere Führer ersetzt. Absurd? Vielleicht.
Die Regenmacher unserer Zeit, wir könnten sie die "Wohlstandsmacher" nennen, sehen wir insbesondere in der Chefetage der US-Notenbank am Werk. Auch hier haben wir es mit Eliten zu tun, von denen das Unmögliche verlangt wird. Auch sie nehmen diese gesellschaftlich erwünschte Rolle gerne an und versuchen den Eindruck zu vermitteln, die Dinge im Griff zu haben. Auch sie übernehmen stolz die Verantwortung für die statistisch überwiegenden guten Jahre und liefern Ausreden für die eher seltenen schlechten. Was meinen wir damit konkret?
Marktwirtschaft oder Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das zyklisch Auf- und Abschwünge erzeugt, den Wirtschaftszyklus. Die Abschwünge oder Rezessionen sind nicht etwa nur ein unvermeidbares Übel, sondern sie erfüllen einen wichtigen Zweck. Diese Erkenntnis ist in neuerer Zeit weitgehend in Vergessenheit geraten. Während der Boomphase des Zyklus? entstehen Übertreibungen und Ungleichgewichte. Die Wirtschaftssubjekte neigen dazu, die guten Zeiten endlos zu extrapolieren und darauf aufbauend Fehlentscheidungen zu treffen. Es werden Schulden gemacht, die später nicht bedient werden können, Investitionen vorgenommen, die sich später als unwirtschaftlich herausstellen und so weiter und so fort. Mit anderen Worten, während des Aufschwunges entstehen die Ursachen des folgenden Abschwunges.
Die Rezession korrigiert die Übertreibungen und die Ungleichgewichte. Unwirtschaftliche Unternehmen gehen pleite, überschüssige Kapazitäten werden abgebaut, Ineffizienzen eliminiert und Kosten reduziert, Schulden werden abgeschrieben, die Sparneigung nimmt zu - kurz, es werden die Grundlagen für den nächsten Aufschwung geschaffen.
Marktwirtschaftlicher Fortschritt entsteht also nicht geradlinig. Vielmehr folgen auf drei Schritte vorwärts ein oder zwei Schritte zurück. Dieses Muster kennzeichnet die kapitalistische Entwicklung und wurde als Wirtschaftszyklus insbesondere von der leider wenig populären Österreichischen Schule hervorragend analysiert. Auch der von uns bereits mehrfach empfohlene Wirtschaftswissenschaftler Joseph A. Schumpeter beschäftigte sich ausführlich mit dieser Thematik. Sein Werk "Business Cycles" war uns eine große Hilfe im Verständnis der "Bubble Economy" der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. Aus diesem Verständnis des Wirtschaftszyklus leitet sich die Handlungsanweisung des Laissez Faire für die Wirtschafts- und Geldpolitik ab: Je weniger sich Regierungen und Notenbanken in das Wirtschaftsgeschehen einmischen, desto effizienter funktionieren die Märkte.
Wieso ist dieser Kernsatz der Marktwirtschaft mittlerweile selbst in den USA nahezu in Vergessenheit geraten und das ausgerechnet in einer Zeit, in der der Gegenpol des Laissez Faire, also Planwirtschaft oder Kommunismus, Konkurs anmelden mußte? Wieso agieren nicht nur europäische, sondern auch US-amerikanische politische Eliten nach Rezepten der Konjunktursteuerung von John Maynard Keynes?
Unsere Antwort auf diese Fragen ist das Regenmacher-Syndrom. Das Volk erwartet eine anpackende, aktive Problemlösung von seinen Führern, die folglich in Aktionismus um jeden Preis verfallen, auch wenn die Schwierigkeiten damit nicht beseitigt werden können. Die hohe Popularität von Keynes erklärt sich aus diesem Zusammenhang heraus ganz zwangsläufig.
Natürlich übertreiben wir bewußt mit unserer Regenmacher-Analogie. Wir wissen, daß steuernde Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen Wirkungen erzeugen, während die Regenmacher wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge das Wetter nicht beeinflussen können. Wir haben aber erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit fiskal- und geldpolitischer Manipulationen. Bestenfalls verschieben sie den notwendigen Bereinigungsprozeß auf einen späteren Zeitpunkt, schlimmstenfalls führen sie zu größeren Ungleichgewichten, deren Bereinigung um so schmerzhafter ausfallen wird.
Das Ende des "Long Bonds"
In einem überraschenden Schritt hat die US-Regierung am 31. Oktober bekanntgegeben, ab sofort keine 30jährigen Staatsanleihen mehr zu emittieren. Diese Entscheidung erfolgte zu einem erstaunlichen Zeitpunkt. Während Unternehmen und Immobilienfinanzierer sich das sehr niedrige Zinsniveau möglichst langfristig sichern, beschließt der US-amerikanische Staat das exakte Gegenteil. Just zu einer Zeit, als der Hypothekenboom in den USA zu kippen droht und die während der Bubble-Jahre (auch von Alan Greenspan) erstellten Prognosen massiver Haushaltsüberschüsse sich als schöner Traum erwiesen haben, sollen auf diese Weise die langfristigen Zinsen nach unten manipuliert werden. Während die US-Notenbank in atemberaubender Geschwindigkeit die kurzfristigen Zinssätze nach unten geschleust hat, zeigten die langfristigen Zinsen eine hartnäckige Stabilität, ganz anders als in früheren Zinssenkungsphasen.
Das paßte so gar nicht in die Welt der "Wohlstandsmacher", die die Konjunktur mit Zinssenkungen glauben ankurbeln zu können. Insbesondere versprechen sie sich von niedrigeren Hypothekenzinsen eine Verlängerung des Immobilienbooms. Folglich mußten sie aus ihrer Logik heraus handeln. Der Staat versucht jetzt also, den Preis (= Zins) des Geldes zu steuern. Warum nicht auch den Preis für Brot, Zucker, Autos, Computer oder Arbeit? Sind wir auf dem Weg zu einem US-Zentralkomitee? Die Geschichte lehrt, daß auch dieser Versuch, Preise zu manipulieren, längerfristig nicht von Erfolg gekrönt sein wird. Die Kraft der Märkte ist stärker.
Raus aus Aktien!
Jubiläum
Es ist vollbracht. In einem beispiellosen Kraftakt hat die US-Notenbank unter ihrem Präsidenten Alan Greenspan zum zehnten Mal in diesem Jahr die Zinsen gesenkt. Seit Jahresanfang wurden die kurzfristigen Zinsen von 6,5 Prozent auf aktuell 2,0 Prozent ermäßigt. Nachdem die ersten 400 Basispunkte nicht die angestrebten Wirkungen zeigten, werden die nunmehr beschlossenen weiteren 50 Basispunkte endlich das gewünschte Ziel erreichen? Wir befürchten, die Antwort lautet "nein".
Nach dem Platzen einer der größten Spekulationsblasen aller Zeiten haben wir es leider nicht mit einer für die Nachkriegszeit typischen Rezession zu tun. Deren Muster: Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage begann das gesamtwirtschaftliche Angebot zu übersteigen, was zu einer inflationären volkswirtschaftlichen Überhitzung führte. Die Notenbank reagierte mit Zinserhöhungen, um die Nachfrage und den Inflationsdruck zu dämpfen. Fallende Nachfrage bei gleichbleibendem Angebot führte zu steigenden Lagerbeständen der Wirtschaft, deren Abbau eine zyklische Rezession auslöste. Zinssenkungen stimulierten anschließend über billige Kredite sowohl die Nachfrage als auch die Angebotsseite der Wirtschaft, die auf den neuerlichen Nachfrageschub mit kreditfinanzierten Erweiterungsinvestitionen reagierte.
Dieser Zyklus würde sich nebenbei bemerkt natürlich auch ohne den Eingriff der Notenbanken entfalten. Statt einer elitären Altherrenrunde würden die Marktkräfte die Höhe der kurzfristigen Zinssätze bestimmen. Da wir von der Überlegenheit des Marktes als Preisfindungsmechanismus überzeugt sind, stehen wir dieser Funktion der Notenbanken sehr kritisch gegenüber. Lediglich als "Lender of last resort" ("letzte" Refinanzierungsquelle des Bankensystems), also als Sicherheitsnetz bei Krisen des Finanzsystems, sind Notenbanken unverzichtbar.
Wie wir schon mehrmals beschrieben haben, folgt die derzeitige Situation nicht diesem typischen Rezessionsskript. Dieses Mal haben wir es mit einer geplatzten Spekulationsblase und gewaltigen Überkapazitäten zu tun. Die aktuelle Rezession wurde nicht von der Nachfrageseite der Volkswirtschaft ausgelöst, sondern von der Angebotsseite, die dramatische Einbrüche bei den Investitionen zu verzeichnen hat und mit schrumpfenden Gewinnmargen kämpft. Zinssenkungen adressieren diese Probleme nicht. Unternehmen, die unter Überkapazitäten und schrumpfenden Margen leiden, haben einfach keinen Grund, die Kapazitäten durch neue Investitionen auszuweiten, egal wie niedrig der Zinssatz ist.
Und die Nachfrageseite der Wirtschaft? Einerseits hemmt hier die extrem hohe Verschuldung der Haushalte eine zinsinduzierte Stimulierung. Schließlich sind zahlreiche Haushalte in den USA an einem Punkt angekommen, an dem sie entweder keinen neuen Kredit erhalten oder aufgrund der gestiegenen Arbeitsplatzunsicherheit keine zusätzlichen Schulden mehr aufnehmen wollen. Ein rational agierendes Wirtschaftssubjekt nutzt unter diesen Umständen die niedrigen Zinsen zur Umschuldung und beginnt zu sparen. Andererseits befindet sich die aggregierte Nachfrage nicht etwa auf Rezessionsniveau, sondern ist noch immer sehr hoch. Beispielsweise verzeichneten die USA im Oktober 2001 den höchsten Autoabsatz aller Zeiten. Und das Jahr 2001 wird vermutlich einen Rekord beim Absatz von Eigenheimen aufstellen.
"New Era" für Henry Blodget
Der einstige "Staranalyst" für Internetwerte und "New Era"-Prophet Henry Blodget verläßt Merrill Lynch. In einem Artikel der New York Times wird uns versichert, diese Entscheidung erfolge nicht aufgrund unzufriedener Kunden oder gar eines mißgestimmten Arbeitgebers. Vielmehr handele es sich um eine "Lifestyle"-Entscheidung. Falls Herr Blodget seinen eigenen Empfehlungen nicht gefolgt ist, wird er sich problemlos zur Ruhe setzen können. Zumindest für ihn hat sich der Traum einer "New Era" gelohnt. Wir gehen davon aus, daß im Laufe des säkularen Bärenmarktes nach und nach die "Cheerleader" der Bubble-Jahre durch kritische Analysten ersetzt werden.
Raus aus Aktien! Das Gesamtmodell Unser aus drei umfangreichen Komponenten bestehendes Gesamtmodell signalisiert jetzt wieder Gefahr für die Aktienmärkte. Alle drei Komponenten haben sich im Berichtszeitraum verschlechtert, teilweise deutlich.
Die monetären Rahmenbedingungen sind weiterhin durch ein außergewöhnlich hohes Geldmengenwachstum geprägt. Damit bleibt dieser Teilbereich klar positiv. Allerdings kam es bei den Zinssätzen in allen Laufzeiten zu einer geradezu dramatischen Wende. Nach der Bekanntgabe, die Emission 30jähriger Staatsanleihen in den USA einzustellen, erlebten die Anleihemärkte panikartige Kurssteigerungen. Dabei erreichte ein wichtiger Sentiment-Indikator, Market Vane's Bullish Consensus, einen Extremwert von 93 Prozent. Kurz darauf kam es mit vergleichbarer Vehemenz zu Kursverlusten, die die vorangegangene Bewegung mehr als wettmachten.
Dieses Marktverhalten interpretieren wir dahingehend, daß an den US-Anleihemärkten ein mittelfristiges Hoch, also ein Tiefpunkt der Zinssätze, erreicht wurde. Damit verschlechtern sich die monetären Rahmenbedingungen erheblich. Eine weitere negative Entwicklung sehen wir im Verlauf des Dow Jones Utilities Index. Dieser hat in den letzten Tagen die September-Tiefs unterschritten. Die von uns verwendeten Sentiment-Indikatoren sind mehrheitlich auf Niveaus angestiegen, die auf ein bevorstehendes Ende der Bearmarket-Rallye hindeuten. Einige befinden sich sogar auf Rekordständen, markieren also mehr Optimismus als an den Höchstständen des Jahres 2000. Beispielsweise zeigt der von Richard Bernstein, Merrill Lynch, entwickelte "Sell Side Indicator" einen Rekordstand von 76 Prozent an; er mißt die durchschnittlich empfohlene Aktienallokation der Wall Street-Strategen, also deren Optimismus.
Die fundamentalen Bewertungen sind weiterhin absurd hoch und haben sich aufgrund der Kurssteigerungen natürlich verschlechtert. Selbst das IBES- oder Fed-Modell, das das Kurs-Gewinn-Verhältnis mit den langfristigen Zinssätzen vergleicht, zeigt mittlerweile wieder eine leichte Überbewertung an. Wir erwähnen das, weil dieses Modell viel Popularität erfahren hat, nachdem es Ende September erstmals seit Jahren eine deutlichere Unterbewertung signalisiert hatte. Ein Rückgriff auf dieses langfristig gesehen sehr erfolglose Prognosemodell war unserer Meinung nach die einzige Möglichkeit, nicht von einer offensichtlichen fundamentalen Überbewertung der Märkte berichten zu müssen.
Fazit
Die von uns in der Oktober-Ausgabe der Performance angekündigte Bearmarket-Rallye "in der Größenordnung von mindestens 20 Prozent" ist eingetreten. Während dieser Aufwärtsbewegung hat die Advance-Decline-Statistik zu keiner Zeit auch nur annähernd eine interne Marktstärke, die für den Beginn eines Bullenmarktes sprechen würde, erkennen lassen. Im Gegenteil, die Daten dieser Statistik blieben klar hinter den Werten zurück, die nach den März-April-Tiefs zu verzeichnen waren. Die prozentualen Kurssteigerungen der Rallye von den März-April-Tiefs zu den Mai-Hochs betrugen 25 Prozent im Dow Jones, 22 Prozent im S&P 500 und 44 Prozent an der NASDAQ.
Die bisher erreichten November-Hochs betragen 24 Prozent im Dow Jones, 22 Prozent im S&P 500 und 40 Prozent an der NASDAQ. Die 200-Tage-Durchschnittlinien fallen bei allen Indizes deutlich und die September-Tiefs haben den langfristigen Abwärtstrend bestätigt. Die aktuellen Kurse befinden sich in greifbarer Nähe ihrer fallenden 200-Tage-Durchschnittlinien und in der Nähe anderer charttechnischer Widerstandsmarken. Selbst ein Überwinden der fallenden 200-Tage-Durchschnittlinien würde ausdrücklich kein Kaufsignal erzeugen. Vielmehr sehen wir eine solche Entwicklung, die dann sicherlich von den TV-Cheerleadern marktschreierisch als bullish hervorgehoben würde, als idealen Ausstiegspunkt in einem Bärenmarkt an.
Gleichzeitig signalisiert unser Gesamtmodell Gefahr für die Börsen. Der Stimmungsumschwung seit den September-Tiefs in Richtung Optimismus ist erstaunlich groß. Vor dem Hintergrund einer sich weiterhin verschlechternden Lage der Weltwirtschaft wird diese Bewegung offensichtlich lediglich von einer irrationalen Welle der Hoffnung getragen. Einige mittelfristige Indikatoren lassen zwar noch Raum für einige wenige Prozentpunkte Kurssteigerungen. Ein Ausreizen dieser Situation halten wir unter Risiko-Ertrags-Gesichtspunkten vor diesem Gesamtbild jedoch nicht für angemessen.
Claus Vogt ist Leiter der Researchabteilung der Berliner Effektengesellschaft - eine Niederlassung der Consors Capital Bank AG.
Raus aus Aktien!
Die Regenmacher
Von Claus Vogt
"In his recent testimony to Congress, Alan Greenspan described his job as difficult. In our view, he might as well have quoted Prime Minister Giovanni Giolitti. When asked in the early 1900's whether it was difficult to govern Italy, Giolitti replied, ,Not at all, but it's useless'." (In seiner letzten Rede vor dem Kongreß beschrieb Alan Greenspan seinen Job als schwierig. Unserer Meinung nach hätte er ebenso gut Premierminister Giovanni Giolitti zitieren können. Als dieser Anfang des 20. Jahrhunderts gefragt wurde, ob es schwierig sei, Italien zu regieren, antwortete er: "Überhaupt nicht, aber es ist nutzlos.")
John P. Hussman, Ph.D., Fund Manager, Hussman Econometrics Advisors, August 2001
In allen Sozialwesen oder Gesellschaften erwartet das Volk von seinen Führern die aktive Lösung von Problemen. In archaischen Gesellschaftsformen, deren Wohlstand fast ausschließlich von landwirtschaftlichem Erfolg abhing, war das Auftreten einer Dürreperiode ein existenzbedrohendes Ereignis. Gerade in Gegenden, in denen dies mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftrat, mußte die politische Führung der Erwartungshaltung des Volkes entsprechend eine aktive Beseitigung des Problems in Aussicht stellen. Soziologen und Ethnologen beschreiben die in unseren aufgeklärten Gesellschaften belächelte Problemlösung als "die Regenmacher".
Die Regenmacher gehörten aufgrund der Bedeutung ihres Auftrages der gesellschaftlichen Elite an. Ihre Aufgabe war es, für Regen und gute Ernten zu sorgen und das Volk in dem Glauben zu bestärken, daß die politische Führung die Geschicke der Gesellschaft aktiv zum Wohle aller steuert. Insbesondere während der deutlich überwiegenden Jahre, in denen keine Dürre auftrat, erfüllten die Regenmacher ihre Aufgabe mit Bravour. In den seltenen Dürrejahren gelang es ihnen zumeist, gute Gründe für den Zorn der Götter und eine glaubhafte Ausrede für ihre eigene Erfolglosigkeit zu finden. In den sehr seltenen Fällen, in denen diese Strategie nicht fruchtete, wurden sie durch vermeintlich fähigere Führer ersetzt. Absurd? Vielleicht.
Die Regenmacher unserer Zeit, wir könnten sie die "Wohlstandsmacher" nennen, sehen wir insbesondere in der Chefetage der US-Notenbank am Werk. Auch hier haben wir es mit Eliten zu tun, von denen das Unmögliche verlangt wird. Auch sie nehmen diese gesellschaftlich erwünschte Rolle gerne an und versuchen den Eindruck zu vermitteln, die Dinge im Griff zu haben. Auch sie übernehmen stolz die Verantwortung für die statistisch überwiegenden guten Jahre und liefern Ausreden für die eher seltenen schlechten. Was meinen wir damit konkret?
Marktwirtschaft oder Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das zyklisch Auf- und Abschwünge erzeugt, den Wirtschaftszyklus. Die Abschwünge oder Rezessionen sind nicht etwa nur ein unvermeidbares Übel, sondern sie erfüllen einen wichtigen Zweck. Diese Erkenntnis ist in neuerer Zeit weitgehend in Vergessenheit geraten. Während der Boomphase des Zyklus? entstehen Übertreibungen und Ungleichgewichte. Die Wirtschaftssubjekte neigen dazu, die guten Zeiten endlos zu extrapolieren und darauf aufbauend Fehlentscheidungen zu treffen. Es werden Schulden gemacht, die später nicht bedient werden können, Investitionen vorgenommen, die sich später als unwirtschaftlich herausstellen und so weiter und so fort. Mit anderen Worten, während des Aufschwunges entstehen die Ursachen des folgenden Abschwunges.
Die Rezession korrigiert die Übertreibungen und die Ungleichgewichte. Unwirtschaftliche Unternehmen gehen pleite, überschüssige Kapazitäten werden abgebaut, Ineffizienzen eliminiert und Kosten reduziert, Schulden werden abgeschrieben, die Sparneigung nimmt zu - kurz, es werden die Grundlagen für den nächsten Aufschwung geschaffen.
Marktwirtschaftlicher Fortschritt entsteht also nicht geradlinig. Vielmehr folgen auf drei Schritte vorwärts ein oder zwei Schritte zurück. Dieses Muster kennzeichnet die kapitalistische Entwicklung und wurde als Wirtschaftszyklus insbesondere von der leider wenig populären Österreichischen Schule hervorragend analysiert. Auch der von uns bereits mehrfach empfohlene Wirtschaftswissenschaftler Joseph A. Schumpeter beschäftigte sich ausführlich mit dieser Thematik. Sein Werk "Business Cycles" war uns eine große Hilfe im Verständnis der "Bubble Economy" der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. Aus diesem Verständnis des Wirtschaftszyklus leitet sich die Handlungsanweisung des Laissez Faire für die Wirtschafts- und Geldpolitik ab: Je weniger sich Regierungen und Notenbanken in das Wirtschaftsgeschehen einmischen, desto effizienter funktionieren die Märkte.
Wieso ist dieser Kernsatz der Marktwirtschaft mittlerweile selbst in den USA nahezu in Vergessenheit geraten und das ausgerechnet in einer Zeit, in der der Gegenpol des Laissez Faire, also Planwirtschaft oder Kommunismus, Konkurs anmelden mußte? Wieso agieren nicht nur europäische, sondern auch US-amerikanische politische Eliten nach Rezepten der Konjunktursteuerung von John Maynard Keynes?
Unsere Antwort auf diese Fragen ist das Regenmacher-Syndrom. Das Volk erwartet eine anpackende, aktive Problemlösung von seinen Führern, die folglich in Aktionismus um jeden Preis verfallen, auch wenn die Schwierigkeiten damit nicht beseitigt werden können. Die hohe Popularität von Keynes erklärt sich aus diesem Zusammenhang heraus ganz zwangsläufig.
Natürlich übertreiben wir bewußt mit unserer Regenmacher-Analogie. Wir wissen, daß steuernde Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen Wirkungen erzeugen, während die Regenmacher wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge das Wetter nicht beeinflussen können. Wir haben aber erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit fiskal- und geldpolitischer Manipulationen. Bestenfalls verschieben sie den notwendigen Bereinigungsprozeß auf einen späteren Zeitpunkt, schlimmstenfalls führen sie zu größeren Ungleichgewichten, deren Bereinigung um so schmerzhafter ausfallen wird.
Das Ende des "Long Bonds"
In einem überraschenden Schritt hat die US-Regierung am 31. Oktober bekanntgegeben, ab sofort keine 30jährigen Staatsanleihen mehr zu emittieren. Diese Entscheidung erfolgte zu einem erstaunlichen Zeitpunkt. Während Unternehmen und Immobilienfinanzierer sich das sehr niedrige Zinsniveau möglichst langfristig sichern, beschließt der US-amerikanische Staat das exakte Gegenteil. Just zu einer Zeit, als der Hypothekenboom in den USA zu kippen droht und die während der Bubble-Jahre (auch von Alan Greenspan) erstellten Prognosen massiver Haushaltsüberschüsse sich als schöner Traum erwiesen haben, sollen auf diese Weise die langfristigen Zinsen nach unten manipuliert werden. Während die US-Notenbank in atemberaubender Geschwindigkeit die kurzfristigen Zinssätze nach unten geschleust hat, zeigten die langfristigen Zinsen eine hartnäckige Stabilität, ganz anders als in früheren Zinssenkungsphasen.
Das paßte so gar nicht in die Welt der "Wohlstandsmacher", die die Konjunktur mit Zinssenkungen glauben ankurbeln zu können. Insbesondere versprechen sie sich von niedrigeren Hypothekenzinsen eine Verlängerung des Immobilienbooms. Folglich mußten sie aus ihrer Logik heraus handeln. Der Staat versucht jetzt also, den Preis (= Zins) des Geldes zu steuern. Warum nicht auch den Preis für Brot, Zucker, Autos, Computer oder Arbeit? Sind wir auf dem Weg zu einem US-Zentralkomitee? Die Geschichte lehrt, daß auch dieser Versuch, Preise zu manipulieren, längerfristig nicht von Erfolg gekrönt sein wird. Die Kraft der Märkte ist stärker.
Raus aus Aktien!
Jubiläum
Es ist vollbracht. In einem beispiellosen Kraftakt hat die US-Notenbank unter ihrem Präsidenten Alan Greenspan zum zehnten Mal in diesem Jahr die Zinsen gesenkt. Seit Jahresanfang wurden die kurzfristigen Zinsen von 6,5 Prozent auf aktuell 2,0 Prozent ermäßigt. Nachdem die ersten 400 Basispunkte nicht die angestrebten Wirkungen zeigten, werden die nunmehr beschlossenen weiteren 50 Basispunkte endlich das gewünschte Ziel erreichen? Wir befürchten, die Antwort lautet "nein".
Nach dem Platzen einer der größten Spekulationsblasen aller Zeiten haben wir es leider nicht mit einer für die Nachkriegszeit typischen Rezession zu tun. Deren Muster: Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage begann das gesamtwirtschaftliche Angebot zu übersteigen, was zu einer inflationären volkswirtschaftlichen Überhitzung führte. Die Notenbank reagierte mit Zinserhöhungen, um die Nachfrage und den Inflationsdruck zu dämpfen. Fallende Nachfrage bei gleichbleibendem Angebot führte zu steigenden Lagerbeständen der Wirtschaft, deren Abbau eine zyklische Rezession auslöste. Zinssenkungen stimulierten anschließend über billige Kredite sowohl die Nachfrage als auch die Angebotsseite der Wirtschaft, die auf den neuerlichen Nachfrageschub mit kreditfinanzierten Erweiterungsinvestitionen reagierte.
Dieser Zyklus würde sich nebenbei bemerkt natürlich auch ohne den Eingriff der Notenbanken entfalten. Statt einer elitären Altherrenrunde würden die Marktkräfte die Höhe der kurzfristigen Zinssätze bestimmen. Da wir von der Überlegenheit des Marktes als Preisfindungsmechanismus überzeugt sind, stehen wir dieser Funktion der Notenbanken sehr kritisch gegenüber. Lediglich als "Lender of last resort" ("letzte" Refinanzierungsquelle des Bankensystems), also als Sicherheitsnetz bei Krisen des Finanzsystems, sind Notenbanken unverzichtbar.
Wie wir schon mehrmals beschrieben haben, folgt die derzeitige Situation nicht diesem typischen Rezessionsskript. Dieses Mal haben wir es mit einer geplatzten Spekulationsblase und gewaltigen Überkapazitäten zu tun. Die aktuelle Rezession wurde nicht von der Nachfrageseite der Volkswirtschaft ausgelöst, sondern von der Angebotsseite, die dramatische Einbrüche bei den Investitionen zu verzeichnen hat und mit schrumpfenden Gewinnmargen kämpft. Zinssenkungen adressieren diese Probleme nicht. Unternehmen, die unter Überkapazitäten und schrumpfenden Margen leiden, haben einfach keinen Grund, die Kapazitäten durch neue Investitionen auszuweiten, egal wie niedrig der Zinssatz ist.
Und die Nachfrageseite der Wirtschaft? Einerseits hemmt hier die extrem hohe Verschuldung der Haushalte eine zinsinduzierte Stimulierung. Schließlich sind zahlreiche Haushalte in den USA an einem Punkt angekommen, an dem sie entweder keinen neuen Kredit erhalten oder aufgrund der gestiegenen Arbeitsplatzunsicherheit keine zusätzlichen Schulden mehr aufnehmen wollen. Ein rational agierendes Wirtschaftssubjekt nutzt unter diesen Umständen die niedrigen Zinsen zur Umschuldung und beginnt zu sparen. Andererseits befindet sich die aggregierte Nachfrage nicht etwa auf Rezessionsniveau, sondern ist noch immer sehr hoch. Beispielsweise verzeichneten die USA im Oktober 2001 den höchsten Autoabsatz aller Zeiten. Und das Jahr 2001 wird vermutlich einen Rekord beim Absatz von Eigenheimen aufstellen.
"New Era" für Henry Blodget
Der einstige "Staranalyst" für Internetwerte und "New Era"-Prophet Henry Blodget verläßt Merrill Lynch. In einem Artikel der New York Times wird uns versichert, diese Entscheidung erfolge nicht aufgrund unzufriedener Kunden oder gar eines mißgestimmten Arbeitgebers. Vielmehr handele es sich um eine "Lifestyle"-Entscheidung. Falls Herr Blodget seinen eigenen Empfehlungen nicht gefolgt ist, wird er sich problemlos zur Ruhe setzen können. Zumindest für ihn hat sich der Traum einer "New Era" gelohnt. Wir gehen davon aus, daß im Laufe des säkularen Bärenmarktes nach und nach die "Cheerleader" der Bubble-Jahre durch kritische Analysten ersetzt werden.
Raus aus Aktien! Das Gesamtmodell Unser aus drei umfangreichen Komponenten bestehendes Gesamtmodell signalisiert jetzt wieder Gefahr für die Aktienmärkte. Alle drei Komponenten haben sich im Berichtszeitraum verschlechtert, teilweise deutlich.
Die monetären Rahmenbedingungen sind weiterhin durch ein außergewöhnlich hohes Geldmengenwachstum geprägt. Damit bleibt dieser Teilbereich klar positiv. Allerdings kam es bei den Zinssätzen in allen Laufzeiten zu einer geradezu dramatischen Wende. Nach der Bekanntgabe, die Emission 30jähriger Staatsanleihen in den USA einzustellen, erlebten die Anleihemärkte panikartige Kurssteigerungen. Dabei erreichte ein wichtiger Sentiment-Indikator, Market Vane's Bullish Consensus, einen Extremwert von 93 Prozent. Kurz darauf kam es mit vergleichbarer Vehemenz zu Kursverlusten, die die vorangegangene Bewegung mehr als wettmachten.
Dieses Marktverhalten interpretieren wir dahingehend, daß an den US-Anleihemärkten ein mittelfristiges Hoch, also ein Tiefpunkt der Zinssätze, erreicht wurde. Damit verschlechtern sich die monetären Rahmenbedingungen erheblich. Eine weitere negative Entwicklung sehen wir im Verlauf des Dow Jones Utilities Index. Dieser hat in den letzten Tagen die September-Tiefs unterschritten. Die von uns verwendeten Sentiment-Indikatoren sind mehrheitlich auf Niveaus angestiegen, die auf ein bevorstehendes Ende der Bearmarket-Rallye hindeuten. Einige befinden sich sogar auf Rekordständen, markieren also mehr Optimismus als an den Höchstständen des Jahres 2000. Beispielsweise zeigt der von Richard Bernstein, Merrill Lynch, entwickelte "Sell Side Indicator" einen Rekordstand von 76 Prozent an; er mißt die durchschnittlich empfohlene Aktienallokation der Wall Street-Strategen, also deren Optimismus.
Die fundamentalen Bewertungen sind weiterhin absurd hoch und haben sich aufgrund der Kurssteigerungen natürlich verschlechtert. Selbst das IBES- oder Fed-Modell, das das Kurs-Gewinn-Verhältnis mit den langfristigen Zinssätzen vergleicht, zeigt mittlerweile wieder eine leichte Überbewertung an. Wir erwähnen das, weil dieses Modell viel Popularität erfahren hat, nachdem es Ende September erstmals seit Jahren eine deutlichere Unterbewertung signalisiert hatte. Ein Rückgriff auf dieses langfristig gesehen sehr erfolglose Prognosemodell war unserer Meinung nach die einzige Möglichkeit, nicht von einer offensichtlichen fundamentalen Überbewertung der Märkte berichten zu müssen.
Fazit
Die von uns in der Oktober-Ausgabe der Performance angekündigte Bearmarket-Rallye "in der Größenordnung von mindestens 20 Prozent" ist eingetreten. Während dieser Aufwärtsbewegung hat die Advance-Decline-Statistik zu keiner Zeit auch nur annähernd eine interne Marktstärke, die für den Beginn eines Bullenmarktes sprechen würde, erkennen lassen. Im Gegenteil, die Daten dieser Statistik blieben klar hinter den Werten zurück, die nach den März-April-Tiefs zu verzeichnen waren. Die prozentualen Kurssteigerungen der Rallye von den März-April-Tiefs zu den Mai-Hochs betrugen 25 Prozent im Dow Jones, 22 Prozent im S&P 500 und 44 Prozent an der NASDAQ.
Die bisher erreichten November-Hochs betragen 24 Prozent im Dow Jones, 22 Prozent im S&P 500 und 40 Prozent an der NASDAQ. Die 200-Tage-Durchschnittlinien fallen bei allen Indizes deutlich und die September-Tiefs haben den langfristigen Abwärtstrend bestätigt. Die aktuellen Kurse befinden sich in greifbarer Nähe ihrer fallenden 200-Tage-Durchschnittlinien und in der Nähe anderer charttechnischer Widerstandsmarken. Selbst ein Überwinden der fallenden 200-Tage-Durchschnittlinien würde ausdrücklich kein Kaufsignal erzeugen. Vielmehr sehen wir eine solche Entwicklung, die dann sicherlich von den TV-Cheerleadern marktschreierisch als bullish hervorgehoben würde, als idealen Ausstiegspunkt in einem Bärenmarkt an.
Gleichzeitig signalisiert unser Gesamtmodell Gefahr für die Börsen. Der Stimmungsumschwung seit den September-Tiefs in Richtung Optimismus ist erstaunlich groß. Vor dem Hintergrund einer sich weiterhin verschlechternden Lage der Weltwirtschaft wird diese Bewegung offensichtlich lediglich von einer irrationalen Welle der Hoffnung getragen. Einige mittelfristige Indikatoren lassen zwar noch Raum für einige wenige Prozentpunkte Kurssteigerungen. Ein Ausreizen dieser Situation halten wir unter Risiko-Ertrags-Gesichtspunkten vor diesem Gesamtbild jedoch nicht für angemessen.
Claus Vogt ist Leiter der Researchabteilung der Berliner Effektengesellschaft - eine Niederlassung der Consors Capital Bank AG.