Probleme beim Sex
Von Til Pannek, Hamburg
Das Internet stellt auf Handbetrieb um: Mit Hilfe von Erotik wollen Anbieter wie T-Online endlich in die schwarzen Zahlen kommen. Doch Web-Sex ist alles andere als ein sicheres Geschäft.
Wer wissen möchte, was sich die Deutschen vom Internet erhoffen, muss nur bei einem Suchdienst wie "Fireball" die Option "Live-Suche" anwählen. Dort läuft ein Ticker, der schamlos anzeigt, was die Web-Nutzer wirklich interessiert. Das sind regelmäßig Begriffe wie "Titten", "Verona-Feldbusch-nackt", "+sex +pig", "bondage", "freeporn", "sex mpgs" und noch viel schmutzig-fantasievollere Umschreibungen von Aspekten des Beischlafes.
Neben dem Totengräbergewerbe ist Sex-Business das einzige krisensichere Geschäft: Alle Menschen denken irgendwann mal an Sex, und die meisten haben irgendwann mal welchen. Und die, die ihn nicht haben, hätten oft gerne welchen und sind nicht selten bereit, dafür zu zahlen.
Krisensicher
Nichts erträumen sich Internetunternehmer derzeit mehr als Krisensicherheit. Und da liegt offenbar nichts näher, als in die oldest Economy der Welt zu investieren.
Der E-Mail-Versender GMX hat auf seiner Website unlängst einen "Erotik-Channel" eröffnet, der den über 18-jährigen GMX-Nutzern Unternehmensangaben zufolge "ästhetische und erotische Inhalte" bietet. Vorstand Andreas Biel sieht darin das Erschließen eines "umsatzstarken Internetsegments". Und die Mobilcom-Tochter Freenet.de plant unter "www.fundorado.de" ein "Erotik-Lifestyle-Portal", wo sich die zahlende Kundschaft nicht an Schmuddelkram, sondern an "hochwertigen Inhalten", wie das Unternehmen verspricht, ergötzen kann.
Selbst Thomas Holtrop, Chef von Europas größtem Internet-Provider T-Online, setzt auf die rote Karte: "Mit Erotik kann man Geld verdienen. Das ist ein lukratives Angebot, welches wir für uns sehr genau analysieren", sagte er jüngst. "Hoffentlich prüft er es nicht zu genau", witzelte die Redaktion des britischen Internet-Branchendienstes "The Register": "Das Zeug kann einen blind machen."
Rotlichtbezirk
Spott und bissige Bemerkungen sind gegenwärtig das einzig Sichere, auf das Unternehmer zählen können, die sich in den virtuellen Rotlichtbezirk begeben. Denn das Internet ist nicht nur als Informationsmedium und Vertriebsweg für viele eine Enttäuschung. Selbst als Vorlage für schmutzige Fantasien scheint das Web wenig profitabel zu sein.
Gesicherte Zahlen über die Umsätze mit mit Sex-Inhalten gibt es nicht. Oft wird eine Studie des britischen Marktforschungsunternehmen Datamonitor zitiert, wonach über zwei Drittel aller Online-Erlöse in die Kassen von digitalen Sex-Anbietern fließen. Bis 2003 sollen die Umsätze der Branche auf 3,1 Mrd. DM steigen.
Diese Schätzung datiert allerdings von 1999, als die gesamte Internetszene im Erwartungsrausch war und man noch davon ausging, dass das Web alle bisherigen Medien schlicht ablösen würde. Neuere Zahlen dürften wesentlich nüchterner ausfallen - wenn sie jemand erheben würde.
Datamonitor hat davon abgesehen, und auch andere Unternehmensberatungen meiden das Terrain. "Für uns ist das Thema nicht interessant, höchstens ein kleiner Nebenaspekt", heißt es bei den IT-Beratern von Forrester Research.
Als Beleg dafür, dass mit Sexinhalten ein gutes Geschäft zu machen ist, galt lange der Flensburger Beate-Uhse-Konzern. Die vor kurzem verstorbene Unternehmerin wurde sogar von einer Jury der Fachmagazine "Kressinternet", "Horizont" und des mittlerweile eingestellten "Net-Business" zur drittwichtigsten deutschen Internet-Persönlichkeit gekürt. Dabei ist es ausgerechnet die Online-Sparte, die bei Beate Uhse nicht in Fahrt kommt.
Verschätzt
Von den angeblichen Profit-Margen von 70 Prozent war das Unternehmen immer weit entfernt. "Wir sind leider etwas schlechter", hatte Thomas Wulff, Beate-Uhse-Geschäftsführer für neue Medien, im März zugegeben. Mittlerweile ist er entlassen. In der Hamburger Dependance mussten etliche Web-Designer gehen.
Beim Börsengang 1999 hatte das Management noch geprahlt, es wolle im Internet bis Ende 2001 53 Mio. Euro umsetzen. Davon ist bei Europas größtem Erotik-Konzern keine Rede mehr. Im ersten Quartal kam der Entertainment-Bereich (Internet und TV-Geschäft) gerade mal auf 4,9 Mio. Euro - 1,8 Mio. Euro weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, wo die Ergebnisse auch schon unter den Erwartungen geblieben waren. Der Geschäftsbereich New Media brachte lediglich 1,7 Mio. Euro Gewinn (Ebit).
Ein Problem sind die hohen Kosten, die zum Beispiel Erotikshows im Internet verursachen. Eine professionelle Online-Show kostet rund 100.000 DM im Monat.
Zudem hat Beate Uhse Mühe, sich im Web einen Namen zu machen. "Beate Uhse ist als Marke im Versandhandel bekannt, aber nicht im Internet", sagt Michael Mantlik, Analyst bei der Vereins- und Westbank. Dabei lockt der Erotik-Konzern auf 150 verschiedenen Domains im Netz, über "sex.de" bis "moepse.com", um Kunden den Genuss seiner Nacktfotos aufzudrängen. Der Zustrom zu den Bezahlangeboten ließ jedoch zu wünschen übrig. Und die Flensburger griffen zu kostspieligen Mitteln, um den Verkehr anzuregen.
So konnten sich Amateur-Betreiber von Sexseiten vom Beate-Uhse-Server Werbebanner herunterladen und diese dann in ihre eigenen Websites einbauen. Für jeden Klick auf die Banneranzeige ließ Beate Uhse 22 Pfennig springen.
An anderer Stelle wurden die Besucher ähnlich teuer eingekauft. Die Tomorrow Internet AG betreibt zusammen mit Beate Uhse das Erotik-Angebot "hotcoco.de". "Im Grunde ist das getarnte Werbung für die Beate-Uhse-Inhalte", sagt ein Mitarbeiter. Der Sex-Konzern bezahlt für redaktionelle Texte, um die Besucher von dort in das Erotik-Reich des Flensburger Konzerns zu locken.
Auch der Verkauf der Sexbilder an andere Websites ist offenbar kein einträgliches Geschäft. "Die Vermarktung von erotischem Content wird (. . .) in einem ersten Schritt über Aktivitäten in verschiedenen Internet-Portalen wie beispielsweise www.fireball.de vorangetrieben", heißt es bei den Flensburgern im Bericht für das erste Quartal 2001. Bei Fireball weiß man davon nichts. "Wir zahlen nichts an Beate Uhse", sagt ein Mitarbeiter. "Bei allen Portalen ist das übliche Geschäftsmodell: Content gegen Traffic."
Für das Männervolk
Was bei Beate Uhse "Vermarktung" genannt wird, bedeutet also lediglich, dass der Sexkonzern für Portal-Betreiber Bildmaterial bereitstellt und hofft, dadurch befriedigungssüchtiges Männervolk auf die eigenen Seiten zu lenken.
Wenn es Europas größtem Erotikkonzern mit einer Markenbekanntheit von 98 Prozent in Deutschland und einem riesigen Archiv an Sexmaterial nicht gelingt, ein erfolgreiches Geschäft im Internet aufzubauen, fragen sich Experten, wie dies den sexuell wenig erfahrenen Unternehmen Freenet.de und T-Online gelingen soll.
Als Antwort verweist Freenet.de auf eine Studie der Unternehmensberatung Netvalue, die besagt, dass mehr als ein Drittel der Deutschen mindestens einmal im Monat eine Erotik-Seite besucht. Außerdem verbringen die männlichen Internetnutzer in Deutschland monatlich durchschnittlich 81 Minuten auf Sexseiten, länger als ihre Geschlechtsgenossen im übrigen Europa.
Kostenlos
Aber die Tatsache, dass sich offenkundig fast jeder für Sex interessiert, bedeutet nicht, dass auch jeder dafür zahlen will: Erotik gibt es im Internet fast überall umsonst. Die Website "sextracker.com" zählt ständig den Besucheransturm auf den populärsten Sex-Sites. Unter den Top 100 finden sich gerade mal vier Bezahlseiten. Innerhalb eines Tages empfangen diese etwa 900.000 Besucher. Dem gegenüber stehen 25,5 Millionen Genießer frei verfügbarer Porno-Ware.
Und die Aussichten, dass man diese dazu bringen könnte, künftig für ihr kurzes Vergnügen zu zahlen, sind trübe: Ende vergangenen Jahres ermittelte Forrester Research, für welche Inhalte Konsumenten Geld ausgeben wollen. "Erwachsenen-Inhalte" erreichten dabei auf einer Skala von 1 bis 5 eine 1,25. Noch unwilliger zeigten sich die Befragten nur, für das Stöbern in Zeitungsarchiven Gebühren zu entrichten.
Viel schneller als deftige Umsatzzahlen könnten Unternehmen wie T-Online einen Image-Schaden erwirtschaften. "Erotik-Content anzubieten kann ein Risiko sein", warnt Markus Maechler, Analyst bei Credit Suisse Private Banking: "Es könnte passieren, dass man davon ein Schmuddel-Image bekommt."
Anderen Internetanbietern ist das Risiko zu groß. So sagte ein AOL-Sprecher dem Newsdienst "The Register", der Online-Anbieter werde wohl auf Internet-Erotik verzichten, "weil es nicht in unseren auf Familien zugeschnittenen Service passt". Als die "Los Angeles Times" berichtete, dass im Shopping-Angebot von Yahoo etliche Erotik-Artikel erhältlich sind, reagierte das Management sofort und erklärte, alle "nur für Erwachsene bestimmten Produkte" zu verbannen.
Heute schon ein Imageproblem hat dagegen Philip Kamp: Mit einer Web-Agentur für Erotik-Seiten ging er als "Deutschlands erfolgreichster Internetunternehmer" durch die Presse. Seine Monheimer Firma "Cyberotic Media" brachte 150 Sex-Websites auf den Weg und machte nach einigen Angaben etwa 5 Mio. DM Umsatz pro Jahr, bei Gewinnmargen von bis zu 40 Prozent. Bis im Dezember bei einem Einbruch angeblich die Computer und Datenbanken verschwanden und das Unternehmen leider ganz plötzlich pleite war. Eine Art betriebswirtschaftlicher Koitus interruptus.
© 2001 Financial Times Deutschland
Von Til Pannek, Hamburg
Das Internet stellt auf Handbetrieb um: Mit Hilfe von Erotik wollen Anbieter wie T-Online endlich in die schwarzen Zahlen kommen. Doch Web-Sex ist alles andere als ein sicheres Geschäft.
Wer wissen möchte, was sich die Deutschen vom Internet erhoffen, muss nur bei einem Suchdienst wie "Fireball" die Option "Live-Suche" anwählen. Dort läuft ein Ticker, der schamlos anzeigt, was die Web-Nutzer wirklich interessiert. Das sind regelmäßig Begriffe wie "Titten", "Verona-Feldbusch-nackt", "+sex +pig", "bondage", "freeporn", "sex mpgs" und noch viel schmutzig-fantasievollere Umschreibungen von Aspekten des Beischlafes.
Neben dem Totengräbergewerbe ist Sex-Business das einzige krisensichere Geschäft: Alle Menschen denken irgendwann mal an Sex, und die meisten haben irgendwann mal welchen. Und die, die ihn nicht haben, hätten oft gerne welchen und sind nicht selten bereit, dafür zu zahlen.
Krisensicher
Nichts erträumen sich Internetunternehmer derzeit mehr als Krisensicherheit. Und da liegt offenbar nichts näher, als in die oldest Economy der Welt zu investieren.
Der E-Mail-Versender GMX hat auf seiner Website unlängst einen "Erotik-Channel" eröffnet, der den über 18-jährigen GMX-Nutzern Unternehmensangaben zufolge "ästhetische und erotische Inhalte" bietet. Vorstand Andreas Biel sieht darin das Erschließen eines "umsatzstarken Internetsegments". Und die Mobilcom-Tochter Freenet.de plant unter "www.fundorado.de" ein "Erotik-Lifestyle-Portal", wo sich die zahlende Kundschaft nicht an Schmuddelkram, sondern an "hochwertigen Inhalten", wie das Unternehmen verspricht, ergötzen kann.
Selbst Thomas Holtrop, Chef von Europas größtem Internet-Provider T-Online, setzt auf die rote Karte: "Mit Erotik kann man Geld verdienen. Das ist ein lukratives Angebot, welches wir für uns sehr genau analysieren", sagte er jüngst. "Hoffentlich prüft er es nicht zu genau", witzelte die Redaktion des britischen Internet-Branchendienstes "The Register": "Das Zeug kann einen blind machen."
Rotlichtbezirk
Spott und bissige Bemerkungen sind gegenwärtig das einzig Sichere, auf das Unternehmer zählen können, die sich in den virtuellen Rotlichtbezirk begeben. Denn das Internet ist nicht nur als Informationsmedium und Vertriebsweg für viele eine Enttäuschung. Selbst als Vorlage für schmutzige Fantasien scheint das Web wenig profitabel zu sein.
Gesicherte Zahlen über die Umsätze mit mit Sex-Inhalten gibt es nicht. Oft wird eine Studie des britischen Marktforschungsunternehmen Datamonitor zitiert, wonach über zwei Drittel aller Online-Erlöse in die Kassen von digitalen Sex-Anbietern fließen. Bis 2003 sollen die Umsätze der Branche auf 3,1 Mrd. DM steigen.
Diese Schätzung datiert allerdings von 1999, als die gesamte Internetszene im Erwartungsrausch war und man noch davon ausging, dass das Web alle bisherigen Medien schlicht ablösen würde. Neuere Zahlen dürften wesentlich nüchterner ausfallen - wenn sie jemand erheben würde.
Datamonitor hat davon abgesehen, und auch andere Unternehmensberatungen meiden das Terrain. "Für uns ist das Thema nicht interessant, höchstens ein kleiner Nebenaspekt", heißt es bei den IT-Beratern von Forrester Research.
Als Beleg dafür, dass mit Sexinhalten ein gutes Geschäft zu machen ist, galt lange der Flensburger Beate-Uhse-Konzern. Die vor kurzem verstorbene Unternehmerin wurde sogar von einer Jury der Fachmagazine "Kressinternet", "Horizont" und des mittlerweile eingestellten "Net-Business" zur drittwichtigsten deutschen Internet-Persönlichkeit gekürt. Dabei ist es ausgerechnet die Online-Sparte, die bei Beate Uhse nicht in Fahrt kommt.
Verschätzt
Von den angeblichen Profit-Margen von 70 Prozent war das Unternehmen immer weit entfernt. "Wir sind leider etwas schlechter", hatte Thomas Wulff, Beate-Uhse-Geschäftsführer für neue Medien, im März zugegeben. Mittlerweile ist er entlassen. In der Hamburger Dependance mussten etliche Web-Designer gehen.
Beim Börsengang 1999 hatte das Management noch geprahlt, es wolle im Internet bis Ende 2001 53 Mio. Euro umsetzen. Davon ist bei Europas größtem Erotik-Konzern keine Rede mehr. Im ersten Quartal kam der Entertainment-Bereich (Internet und TV-Geschäft) gerade mal auf 4,9 Mio. Euro - 1,8 Mio. Euro weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum, wo die Ergebnisse auch schon unter den Erwartungen geblieben waren. Der Geschäftsbereich New Media brachte lediglich 1,7 Mio. Euro Gewinn (Ebit).
Ein Problem sind die hohen Kosten, die zum Beispiel Erotikshows im Internet verursachen. Eine professionelle Online-Show kostet rund 100.000 DM im Monat.
Zudem hat Beate Uhse Mühe, sich im Web einen Namen zu machen. "Beate Uhse ist als Marke im Versandhandel bekannt, aber nicht im Internet", sagt Michael Mantlik, Analyst bei der Vereins- und Westbank. Dabei lockt der Erotik-Konzern auf 150 verschiedenen Domains im Netz, über "sex.de" bis "moepse.com", um Kunden den Genuss seiner Nacktfotos aufzudrängen. Der Zustrom zu den Bezahlangeboten ließ jedoch zu wünschen übrig. Und die Flensburger griffen zu kostspieligen Mitteln, um den Verkehr anzuregen.
So konnten sich Amateur-Betreiber von Sexseiten vom Beate-Uhse-Server Werbebanner herunterladen und diese dann in ihre eigenen Websites einbauen. Für jeden Klick auf die Banneranzeige ließ Beate Uhse 22 Pfennig springen.
An anderer Stelle wurden die Besucher ähnlich teuer eingekauft. Die Tomorrow Internet AG betreibt zusammen mit Beate Uhse das Erotik-Angebot "hotcoco.de". "Im Grunde ist das getarnte Werbung für die Beate-Uhse-Inhalte", sagt ein Mitarbeiter. Der Sex-Konzern bezahlt für redaktionelle Texte, um die Besucher von dort in das Erotik-Reich des Flensburger Konzerns zu locken.
Auch der Verkauf der Sexbilder an andere Websites ist offenbar kein einträgliches Geschäft. "Die Vermarktung von erotischem Content wird (. . .) in einem ersten Schritt über Aktivitäten in verschiedenen Internet-Portalen wie beispielsweise www.fireball.de vorangetrieben", heißt es bei den Flensburgern im Bericht für das erste Quartal 2001. Bei Fireball weiß man davon nichts. "Wir zahlen nichts an Beate Uhse", sagt ein Mitarbeiter. "Bei allen Portalen ist das übliche Geschäftsmodell: Content gegen Traffic."
Für das Männervolk
Was bei Beate Uhse "Vermarktung" genannt wird, bedeutet also lediglich, dass der Sexkonzern für Portal-Betreiber Bildmaterial bereitstellt und hofft, dadurch befriedigungssüchtiges Männervolk auf die eigenen Seiten zu lenken.
Wenn es Europas größtem Erotikkonzern mit einer Markenbekanntheit von 98 Prozent in Deutschland und einem riesigen Archiv an Sexmaterial nicht gelingt, ein erfolgreiches Geschäft im Internet aufzubauen, fragen sich Experten, wie dies den sexuell wenig erfahrenen Unternehmen Freenet.de und T-Online gelingen soll.
Als Antwort verweist Freenet.de auf eine Studie der Unternehmensberatung Netvalue, die besagt, dass mehr als ein Drittel der Deutschen mindestens einmal im Monat eine Erotik-Seite besucht. Außerdem verbringen die männlichen Internetnutzer in Deutschland monatlich durchschnittlich 81 Minuten auf Sexseiten, länger als ihre Geschlechtsgenossen im übrigen Europa.
Kostenlos
Aber die Tatsache, dass sich offenkundig fast jeder für Sex interessiert, bedeutet nicht, dass auch jeder dafür zahlen will: Erotik gibt es im Internet fast überall umsonst. Die Website "sextracker.com" zählt ständig den Besucheransturm auf den populärsten Sex-Sites. Unter den Top 100 finden sich gerade mal vier Bezahlseiten. Innerhalb eines Tages empfangen diese etwa 900.000 Besucher. Dem gegenüber stehen 25,5 Millionen Genießer frei verfügbarer Porno-Ware.
Und die Aussichten, dass man diese dazu bringen könnte, künftig für ihr kurzes Vergnügen zu zahlen, sind trübe: Ende vergangenen Jahres ermittelte Forrester Research, für welche Inhalte Konsumenten Geld ausgeben wollen. "Erwachsenen-Inhalte" erreichten dabei auf einer Skala von 1 bis 5 eine 1,25. Noch unwilliger zeigten sich die Befragten nur, für das Stöbern in Zeitungsarchiven Gebühren zu entrichten.
Viel schneller als deftige Umsatzzahlen könnten Unternehmen wie T-Online einen Image-Schaden erwirtschaften. "Erotik-Content anzubieten kann ein Risiko sein", warnt Markus Maechler, Analyst bei Credit Suisse Private Banking: "Es könnte passieren, dass man davon ein Schmuddel-Image bekommt."
Anderen Internetanbietern ist das Risiko zu groß. So sagte ein AOL-Sprecher dem Newsdienst "The Register", der Online-Anbieter werde wohl auf Internet-Erotik verzichten, "weil es nicht in unseren auf Familien zugeschnittenen Service passt". Als die "Los Angeles Times" berichtete, dass im Shopping-Angebot von Yahoo etliche Erotik-Artikel erhältlich sind, reagierte das Management sofort und erklärte, alle "nur für Erwachsene bestimmten Produkte" zu verbannen.
Heute schon ein Imageproblem hat dagegen Philip Kamp: Mit einer Web-Agentur für Erotik-Seiten ging er als "Deutschlands erfolgreichster Internetunternehmer" durch die Presse. Seine Monheimer Firma "Cyberotic Media" brachte 150 Sex-Websites auf den Weg und machte nach einigen Angaben etwa 5 Mio. DM Umsatz pro Jahr, bei Gewinnmargen von bis zu 40 Prozent. Bis im Dezember bei einem Einbruch angeblich die Computer und Datenbanken verschwanden und das Unternehmen leider ganz plötzlich pleite war. Eine Art betriebswirtschaftlicher Koitus interruptus.
© 2001 Financial Times Deutschland