Schreibt die Heidenheimer Zeitung Rubrik 'Lokales aus Heidenheim' - HZ - 20.04.2007Mit im Zentrum der Ermittlungen steht die Klosterbrauerei Königsbronn AG
Die Polizei kam kurz nach dem Morgengrauen: Ein Großaufgebot von 60 Beamten durchsuchte gestern in Stadt und Kreis Heidenheim reihenweise Wohnungen und Firmenräume von Geschäftsleuten, die beschuldigt werden, mit ihren zum Teil börsennotierten Gesellschaften kriminelle Gewinne erwirtschaftet zu haben.
Die bis in die Nachmittagsstunden andauernde Durchsuchungsaktion betraf insgesamt 16 Objekte in Süddeutschland, wovon 14 im Landkreis Heidenheim - darunter auch in Königsbronn – liegen. Der vom Amtsgericht Stuttgart ergangene Durchsuchungsbeschluss betraf im Schwerpunkt das Heidenheimer Stadtgebiet, wo acht Objekte aufgesucht und gründlich in Augenschein genommen wurden. Zum Teil fanden sich die Adressen an ein und demselben Standort und waren lediglich mit einem Briefkasten versehen.
Die Grundlage der überraschenden Aktion bildete ein gegen zwölf Beschuldigte aus dem Raum Heidenheim geführtes Ermittlungsverfahren, das bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart anhängig ist und in Kooperation mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Handelsüberwachungsstelle der Börse Stuttgart betrieben wird. Auffälligkeiten an der Börse waren der der Ausgangspunkt des Verfahrens, in dessen Verlauf sich schwerwiegende Tatvorwürfe offenbar verdichtet haben.
Nach Angaben der ermittlungsführenden Anklagebehörde steht das Dutzend Geschäftsleute - unter ihnen auch ein Heidenheimer Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer – im Verdacht der Kurs- und Marktpreismanipulation sowie des Insiderhandels. Zudem sind sie wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ins Fadenkreuz der Ermittler geraten. Der Sachverhalt, der diesen Vorwürfen zugrunde liegt, ist so kompliziert wie das Konglomerat der in die Ermittlungen verwickelten Unternehmen. Nach staatsanwaltlichen Angaben nehmen die Beschuldigten in mindestens 34 – davon sechs börsennotiert – untereinander verflochtenen Gesellschaften, die bis auf wenige Ausnahmen keine operativen Geschäfte wahrgenommen haben, Organ- und/oder Gesellschafterstellungen ein. Zu Lasten der Marktteilnehmer und der Unternehmen sollen sie kriminelle Gewinne in Höhe von mehreren Millionen Euro erlangt haben. Hierzu sollen die Kurs- und Marktpreise von Gesellschaftsanteilen mindestens seit dem Jahr 2004 durch falsche oder irreführende Angaben zu Stückzahl und Unternehmenszugehörigkeit der dem Markt überlassenen Aktien manipuliert worden sein. Darüber hinaus sollen die Verdächtigen Aktienkurse durch Kaufempfehlungen „gepusht“, also gezielt in die Höhe getrieben und unter Ausnutzung von Insiderwissen abgesprochene Börsengeschäfte vorgenommen haben. Zudem besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten pflichtwidrig Vermögen aus den jeweiligen Gesellschaften entnommen und dies durch unrichtigen Rechnungslegung bzw. falsche Angaben in Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften und gegenüber der Öffentlichkeit verschleiert haben.
Einer der Heidenheimer Beschuldigten ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft kein Unbekannter, weil gegen ihn im Jahre 2005 bereits in anderer Sache Anklage beim Landgericht Ellwangen erhoben worden war. Im Zentrum der Ermittlungen steht die in Heidenheim sitzende Klosterbrauerei Königsbronn AG, zu deren erklärtem Geschäftsfeld die Verwaltung und der Erwerb von unterbewerteten Immobilien, vorzugsweise aus Zwangsversteigerungsverfahren, gehören. In Heidenheim ist die mit ihrer Firmenzentrale im Panoramaweg beheimatete Gesellschaft unter anderem Eigentümer von Gaststätten, eines Studentenwohnheims sowie mehrerer Wohnhäuser. Im Ortskern von Königsbronn zählt die AG, deren größter Aktionär die Familie Reich ist, zum größten Grundstücksbesitzer, ist Inhaber der alten Brauerei in Königsbronn und verfügt darüber hinaus über große landwirtschaftliche Flächen.
Die Reaktion auf die von Ermittlerseite erhobenen Vorwürfe kam gestern abend aus dem Heidenheimer Panoramaweg in Form einer per Fax aus der Kanzlei Reich übermittelten Stellungnahme der Oil & Gas Capital AG, an der die Klosterbrauerei Königsbronn AG beteiligt ist. Wolfgang Wilhelm Reich ist Vorstand beider, möglicherweise auch weiterer ins Visier der Ermittler geratenen Gesellschaften und weist in der Pressemitteilung darauf hin, dass die Jahresabschlüsse „unserer Gesellschaften“ von einem externen Wirtschaftsprüfer aus Reutlingen allesamt mit einem uneingeschränkten Testat versehen worden seien. „Es sind uns keine Personen bekannt, die Gewinne von mehreren Millionen Euro erwirtschaftet haben,“ heißt es in der Verlautbarung, in der nicht ausgeschlossen wird, dass Kursmanipulationen „durch dritte Personen im Zusammenhang mit unseren Aktien erfolgt sind“. Dem Vorwurf solcher Manipulationen durch Dritte werde auch bei großen börsennotierten Gesellschaften von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nachgegangen. Keine börsennotierte Gesellschaft sei dagegen gefeit. Alles in allem sieht man sich zu Unrecht angegriffen, habe man doch weder mit Gesellschaften mit Sitz in London zu tun, die in diese Untersuchungen verstrickt seien, noch mit Spam-Mails, mit denen in den letzten Wochen und Monaten Betrügereien begangen worden seien.
Bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft hingegen sprach man gestern von umfangreichem Beweismaterial, das bei den Durchsuchungen insbesondere in Form von Geschäftsunterlagen sichergestellt worden sei. Mit der mutmaßlich mehrere Monate in Anspruch nehmenden Auswertung ist das Dezernat für Wirtschaftsdelikte der Landespolizeidirektion des Regierungspräsidiums Stuttgart betraut, wo man für die polizeilichen Ermittlungen verantwortlich zeichnet.
An den Börsen in Stuttgart, Frankfurt, Berlin Bremen hat man gestern bereits reagiert. Zum Schutz der Anlieger sind die Aktien von sechs börsennotierten Unternehmen vom Börsenhandel ausgesetzt worden. Sie stellten den Handel mit Aktien und Optionsscheinen folgender Gesellschaften ein: Venture Capital Immobilien AG, Vorbörsliche Aktienplattform.de AG, Caelifera Capital AG, Polaris Beteiligungen AG sowie Oil & Gas Capital AG und Klosterbrauerei Königsbronn AG.
Erwin Bachmann
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