Nokia hat das Händchen für den Trend
Von: Helmut Steuer
Der finnischen Nokia hat der Einbruch der Konjunktur bislang kaum etwas anhaben können. Im Gegenteil, der Weltmarktführer nutzt die Zeit, um seine Stellung noch auszubauen. Entscheidend für den Erfolg ist das Gespür für Modisches. Die Finnen haben das Handy zum Designartikel gemacht.
STOCKHOLM. „Huippuhyvä“ ist Finnisch und heißt „spitze“ – womit die Kenner bereits wissen, dass es nur um eine Firma gehen kann: Nokia ist huippuhyvä. Weltweit kommunizieren Milliarden mit den finnischen Geräten. Mehr als jedes dritte weltweit verkaufte „Kännykkä“ – so heißt Handy auf Finnisch – trägt den Nokia-Schriftzug; und geht es nach dem Willen von Konzernchef Jorma Ollila, stammen schon bald 40 % aller Mobiltelefone aus seinem Unternehmen.
Doch nicht nur das: Mit Argwohn beäugt die Konkurrenz, zu der Weltkonzerne wie Motorola, Ericsson und Siemens zählen, wie die nordischen Trendsetter gute Zahlen vorlegen, während sie selbst mit Rentabilitätsproblemen kämpfen. Und kaum jemand zweifelt am weiteren Vormarsch der Finnen. Zu oft schon hat der Konzern den richtigen Riecher bewiesen.
Damit steht ein Stück des Nokia-Geheimnisses zur Entschlüsselung an. Denn die mächtige Konkurrenz lachte sich fast schief, als Nokia vor einigen Jahren mit einer eigenen „Erfindung“ auf den Markt kam: austauschbare Fronten für Handys. Heute bietet jeder Hersteller, der etwas auf sich hält, trendgerechte Austauschschalen. Ob Klingeltöne, Bildmitteilungen, individuelle Logos oder Chat-Handys – Nokia profitiert heute davon, an der Vision der mobilen Kommunikation festgehalten zu haben.
Eckpfeiler des Erfolgs: Produkte, Markenname, Fertigungskette
Auf drei Eckpfeilern basiere der Erfolg, sagt Tapio Hedman von Nokia Mobile Phones: „Es sind unsere Produkte, der Markenname und die Fertigungskette“. Während etwa Ericsson seine Handy-Sparte inzwischen mit Sony fusioniert hat, stammen immer noch etwa 80 % aller Nokia-Mobiltelefone aus der eigenen Fertigung. „Bei immer komplizierterer Technik ist die Nähe zur Produktion wichtig“, sagt Hedman.
Stefan Olsson, Telekommunikationsexperte bei Fischer Partners in Stockholm, nennt einen weiteren Grund für die Erfolgsgeschichte. „Immer wieder gelingt es Nokia, völlig neuartige Produkte zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt zu bringen.“ Das geschickte Sponsoring von Snowboard-Events und anderen Szene-Ereignissen mache das Bild perfekt, meint Olsson.
Bei Tapio Hedman klingt die Erklärung noch einfacher: „Wir liefern dem Verbraucher das, was er haben will.“ So leistet sich Nokia eine große Marktforschungsabteilung. Der „Club Nokia“, über den mehrere Hunderttausend Handy-Besitzer Klingeltöne, Logos und Handy-Zubehör bestellen können, ist ein weiteres wichtiges Instrument, um neue Trends aufzuspüren.
Materialwahl, Form und Stil müssen stimmen
„Wir werden immer mehr zum Modekonzern“, sagt ein Nokia-Mitarbeiter, der die Anonymität vorzieht. Frank Nuovo, Chefdesigner von Nokia, spricht schon offiziell von „Fashiontech“. Materialwahl, Form und Stil müssten stimmen, damit ein Produkt beim Verbraucher ankomme. „Die Menschen suchen Dinge, die ihre Persönlichkeit hervorheben“, sagt der in Kalifornien lebende Italo-Amerikaner. Während die Konkurrenz noch Geräte in Brikettgröße an den Kunden zu bringen versuchte, machten die Finnen aus dem High-Tech-Teil ein Accessoire.
Solch gewissenhafte Vorarbeit hat dafür gesorgt, dass der Weltmarktführer bisher nicht einen wirklichen Flop gelandet hat. Das war nicht immer so: Vor gerade zehn Jahren stand der Konzern am Rande des Abgrunds. Denn der frühere Chef Kari Kairamo konnte sich nicht vom traditionellen Angebot trennen, dass vom Kabel bis zum Klopapier reichte. „Autotelefone? Das wird nie ein richtiges Business“, soll er gesagt haben.
Dann kam Ollila. Auch der lag anfangs daneben. So schätzte er, dass das erste richtige Nokia-Handy etwa 400 000 Käufer finden werde. Tatsächlich waren es 20 Millionen. Ollila reagierte, entschlossen verwandelte er den Mischkonzern zum Telekommunikationsriesen. Heute ist er der König von Finnland. Selbst hört er das nicht gern, obwohl seine stets von Bodyguards begleiteten Auftritte längst etwas Monarchisches an sich haben.
Egal, Nokia ist der ganze Stolz des Landes, fast jeder hat die Aktie, manch einer ist dadurch zum Millionär geworden. Nokia steht für rund ein Drittel des Wachstums und ein Viertel des finnischen Exports. Und wenn Ollila sagt, dass die hohen Einkommensteuern eine Standortdiskussion in seinem Konzern lostreten könnten, dann wird das politische Helsinki plötzlich hellwach. Weil Nokia eben „huippuhyvä“ ist.
HANDELSBLATT, Dienstag, 18. Dezember 2001, 19:02 Uhr
Q: www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/.../0/depot/0/index.html
Von: Helmut Steuer
Der finnischen Nokia hat der Einbruch der Konjunktur bislang kaum etwas anhaben können. Im Gegenteil, der Weltmarktführer nutzt die Zeit, um seine Stellung noch auszubauen. Entscheidend für den Erfolg ist das Gespür für Modisches. Die Finnen haben das Handy zum Designartikel gemacht.
STOCKHOLM. „Huippuhyvä“ ist Finnisch und heißt „spitze“ – womit die Kenner bereits wissen, dass es nur um eine Firma gehen kann: Nokia ist huippuhyvä. Weltweit kommunizieren Milliarden mit den finnischen Geräten. Mehr als jedes dritte weltweit verkaufte „Kännykkä“ – so heißt Handy auf Finnisch – trägt den Nokia-Schriftzug; und geht es nach dem Willen von Konzernchef Jorma Ollila, stammen schon bald 40 % aller Mobiltelefone aus seinem Unternehmen.
Doch nicht nur das: Mit Argwohn beäugt die Konkurrenz, zu der Weltkonzerne wie Motorola, Ericsson und Siemens zählen, wie die nordischen Trendsetter gute Zahlen vorlegen, während sie selbst mit Rentabilitätsproblemen kämpfen. Und kaum jemand zweifelt am weiteren Vormarsch der Finnen. Zu oft schon hat der Konzern den richtigen Riecher bewiesen.
Damit steht ein Stück des Nokia-Geheimnisses zur Entschlüsselung an. Denn die mächtige Konkurrenz lachte sich fast schief, als Nokia vor einigen Jahren mit einer eigenen „Erfindung“ auf den Markt kam: austauschbare Fronten für Handys. Heute bietet jeder Hersteller, der etwas auf sich hält, trendgerechte Austauschschalen. Ob Klingeltöne, Bildmitteilungen, individuelle Logos oder Chat-Handys – Nokia profitiert heute davon, an der Vision der mobilen Kommunikation festgehalten zu haben.
Eckpfeiler des Erfolgs: Produkte, Markenname, Fertigungskette
Auf drei Eckpfeilern basiere der Erfolg, sagt Tapio Hedman von Nokia Mobile Phones: „Es sind unsere Produkte, der Markenname und die Fertigungskette“. Während etwa Ericsson seine Handy-Sparte inzwischen mit Sony fusioniert hat, stammen immer noch etwa 80 % aller Nokia-Mobiltelefone aus der eigenen Fertigung. „Bei immer komplizierterer Technik ist die Nähe zur Produktion wichtig“, sagt Hedman.
Stefan Olsson, Telekommunikationsexperte bei Fischer Partners in Stockholm, nennt einen weiteren Grund für die Erfolgsgeschichte. „Immer wieder gelingt es Nokia, völlig neuartige Produkte zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt zu bringen.“ Das geschickte Sponsoring von Snowboard-Events und anderen Szene-Ereignissen mache das Bild perfekt, meint Olsson.
Bei Tapio Hedman klingt die Erklärung noch einfacher: „Wir liefern dem Verbraucher das, was er haben will.“ So leistet sich Nokia eine große Marktforschungsabteilung. Der „Club Nokia“, über den mehrere Hunderttausend Handy-Besitzer Klingeltöne, Logos und Handy-Zubehör bestellen können, ist ein weiteres wichtiges Instrument, um neue Trends aufzuspüren.
Materialwahl, Form und Stil müssen stimmen
„Wir werden immer mehr zum Modekonzern“, sagt ein Nokia-Mitarbeiter, der die Anonymität vorzieht. Frank Nuovo, Chefdesigner von Nokia, spricht schon offiziell von „Fashiontech“. Materialwahl, Form und Stil müssten stimmen, damit ein Produkt beim Verbraucher ankomme. „Die Menschen suchen Dinge, die ihre Persönlichkeit hervorheben“, sagt der in Kalifornien lebende Italo-Amerikaner. Während die Konkurrenz noch Geräte in Brikettgröße an den Kunden zu bringen versuchte, machten die Finnen aus dem High-Tech-Teil ein Accessoire.
Solch gewissenhafte Vorarbeit hat dafür gesorgt, dass der Weltmarktführer bisher nicht einen wirklichen Flop gelandet hat. Das war nicht immer so: Vor gerade zehn Jahren stand der Konzern am Rande des Abgrunds. Denn der frühere Chef Kari Kairamo konnte sich nicht vom traditionellen Angebot trennen, dass vom Kabel bis zum Klopapier reichte. „Autotelefone? Das wird nie ein richtiges Business“, soll er gesagt haben.
Dann kam Ollila. Auch der lag anfangs daneben. So schätzte er, dass das erste richtige Nokia-Handy etwa 400 000 Käufer finden werde. Tatsächlich waren es 20 Millionen. Ollila reagierte, entschlossen verwandelte er den Mischkonzern zum Telekommunikationsriesen. Heute ist er der König von Finnland. Selbst hört er das nicht gern, obwohl seine stets von Bodyguards begleiteten Auftritte längst etwas Monarchisches an sich haben.
Egal, Nokia ist der ganze Stolz des Landes, fast jeder hat die Aktie, manch einer ist dadurch zum Millionär geworden. Nokia steht für rund ein Drittel des Wachstums und ein Viertel des finnischen Exports. Und wenn Ollila sagt, dass die hohen Einkommensteuern eine Standortdiskussion in seinem Konzern lostreten könnten, dann wird das politische Helsinki plötzlich hellwach. Weil Nokia eben „huippuhyvä“ ist.
HANDELSBLATT, Dienstag, 18. Dezember 2001, 19:02 Uhr
Q: www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/.../0/depot/0/index.html