Alan Greenspan erwartet "soft landing" der US-Wirtschaft - Dollar verliert
US-Notenbankchef Alan Greenspan hat erstmals eine drastische Abkühlung der US-Konjunktur bestätigt. Die Abschwächung sei "sehr dramatisch gewesen", sagte der Präsident der Federal Reserve (Fed) am Donnerstag vor dem Haushaltsausschuss des US-Senats in Washington. Das Wirtschaftswachstum liege derzeit bei "nahezu Null". In der mehrstündigen Rede erklärte der 74-Jährige auch, dass er Steuersenkungen langfristig für "notwendig" halte. Sie seien aber kein schnelles Mittel gegen eine wirtschaftliche Abschwächung.
Im vierten Quartal habe die Wirtschaft nur sehr gering zugelegt, berichtete Greenspan. Derzeit würden die Lagerbestände geleert. Die Unternehmen füllten mittlerweile aber ihre Lager nur nach Bedarf. Dies habe einen "sehr dramatischen Effekt auf die Industrie", sagte der Fed-Chef. Die zentrale Frage sei nun, ob die Abschwächung im Industriesektor auf den Dienstleistungsbereich übergreifen werde. Greenspan betonte aber, dass die Inflation derzeit "außergewöhnlich gut im Griff" sei.
Dennoch nährte Greenspan die Erwartungen, dass der für Geldpolitik zuständige Offenmarktsausschuss kommende Woche eine weitere Zinssenkung beschließen wird. Die meisten Bankexperten rechnen mit einer Reduzierung der Leitzinsen bis zum dritten Quartal um insgesamt 75 Basispunkte auf dann 5,25 Prozent. Anfang des Jahres hatte Greenspan in einem Überraschungsmanöver die Leitzinsen um 50 Basispunkte auf sechs Prozent gesenkt.
Zu den Steuerplänen der neuen Regierung unter Präsident George W. Bush erklärte der Notenbank-Präsident: "Die Fiskalpolitik ist ein zu grobes Instrument, um sie antizyklisch einzusetzen. Die Geschichte lehrt uns: Es funktioniert nicht." Sollte die gegenwärtige wirtschaftliche Schwäche länger als erwartet anhalten, würden Steuersenkungen jedoch helfen. Bush will die Steuern über zehn Jahre um 1,6 Billionen US-Dollar senken.
Das einzige Opfer von Greenspans Rede war zunächst der Dollar, der gegenüber dem Euro verlor. In der Nacht zum Freitag erholte er sich jedoch wieder. Um 8.30 Uhr kostete 1 Euro 0,9191 US-Dollar. »Die Märkte sind offenbar von der Deutlichkeit Greenspans überrascht worden«, sagte Thomas Meißner von der GZ-Bank in Frankfurt. Er erwarte daher zunächst keine Rezession, unter der in den USA ein rückläufiges Wachstum des Bruttoinlandsproduktes über zwei Quartale verstanden werde, meinte der Experte. Fraglich sei aber, ob die Zinssenkungen der Fed rechtzeitig griffen. Immerhin dauere es bis zu eineinhalb Jahren, bis sie den gewünschten Aufschwung bewirkten. Eine harte Landung der US-Konjunktur hätte vor allem drastische Folgen für die eng verflochtenen Kapitalmärkte, sagte Meißner.