WIEDERHOLUNG: ANALYSE: Neuer Markt wird Milliardengrab - Gier schlägt in...
(Wiederholung aus technischen Gründen) --- Von Thomas Kaufner, dpa ---
Frankfurt/Main (dpa) - Die einstige Geldmaschine Neuer Markt ist zum Milliardengrab geworden. Bis März trieb die Euphorie über die Chancen der neuen Ökonomie die Kurse noch in Schwindel erregende Höhen. Danach setzte zunehmend Panik ein. Seit dem Höchststand mit 8.559 NEMAX-Punkten am 10. März wurde das hochspekulative Marktsegment in mehreren Schüben regelrecht in den Abgrund geprügelt. Dem Abwärtssog der US-Technologiebörse Nasdaq folgte hier zu Lande eine Serie von Pleiten und Fehlprognosen bei zahlreichen Jungunternehmen. Statt des erhofften Aufschwungs kam kurz vor Weihnachten mit gut 2 600 Punkten ein neues Jahrestief. Seit März entspricht dies einem Minus von rund 70 Prozent.
Dabei schien der Neue Markt Anfang 2000 zunächst den Traum vom schnellen Wohlstand ohne Arbeit, ja sogar ohne fundierte Börsenkenntnisse zu erfüllen. Manager, Beschäftigte und Aktionäre der neuen Unternehmensgeneration konnten mit nahezu jedem Titel mehr oder minder rasante Kursgewinne einfahren. Binnen weniger Wochen schwang sich das Börsenbarometer NEMAX vom 99er Rekord Ende Dezember (4.572 Punkte) um weitere 90 Prozent in die Höhe. So euphorisch, wie sich immer neue Anlegerscharen auf ihren Lieblingsmarkt stürzten, so jäh brach der Boom allerdings ab.
"Überzogene Erwartungen" in die Aussichten der neuen Technologien macht der Chef-Anlageberater der Deutschen Bank, Alfred Roelli, als Treibstoff für die rasanten Kursanstiege aus. "Fundamentale Bewertungsmaßstäbe traten angesichts dieser Chancen in den Hintergrund." In dieser überhitzten Lage reichten dann einige Negativnachrichten aus, um die Spekulationsblase zum Platzen zu bringen. Die Insolvenzen von Gigabell und Teamwork, die Häufung von "Gewinnwarnungen" und eklatante Fehlprognosen brachten den Markt schließlich in Misskredit. Verschreckte Investoren schalten "sehr schnell von Gier auf Angst" um, kommentiert die Commerzbank die ungebrochene Talfahrt.
Wie gewonnen so zerronnen, lautete nun die schmerzliche Erfahrung: Anfang Mai war der gesamte Neue Markt auf dem Papier 250 Mrd. Euro wert. Mittlerweile ist die Börsenkapitalisierung aller gehandelten Unternehmen auf gut 100 Mrd. Euro geschrumpft. Selbst die Ausweitung des Kurszettels auf mittlerweile 337 Titel konnte dies nicht verhindern.
Das US-Softwarehaus Broadvision - 1999 mit lediglich 115 Mio. US-Dollar Umsatz und knapp 20 Mio. US-Dollar Gewinn - wurde in der Spitze mit 27,6 Mrd. Euro bewertet. Zurzeit sind es nur 4,6 Mrd. Euro. Noch heftiger schrumpfte der Börsenwert des einstigen Stars am Neuen Markt, der Münchner Fernsehfirma EM.TV . Von 13,1 Mrd. Euro im März blieben nur 0,9 Mrd. Euro übrig. Die beiden Schwergewichte sind typisch für den generellen Trend: Kursverluste von 90 Prozent sind keine Seltenheit. Etliche Titel rangieren mittlerweile sogar deutlich unter ihrem Ausgabekurs.
"An Erklärungen für diese dramatische Entwicklung mangelt es nicht, vom Euro bis zur US-Präsidentschaftswahl, von der japanischen Lethargie bis zu einzelnen Vorgängen in den Unternehmen oder Gewinnwarnungen", schreiben die Analysten der Norddeutschen Landesbank. "Der Nachteil: Diese Erklärungen kamen immer erst hinterher und waren leider nicht in der Lage, Transparenz in die Heftigkeit der Marktreaktion zu bringen."
Dementsprechend zögerlich sind die meisten Experten mit Prognosen. Der überzogene Optimismus der DG Bank mahnt nun alle zu Zurückhaltung. Vor wenigen Monaten trauten die Analysten des Hauses dem NEMAX All-Share noch 8.500 Punkte zum Jahresende. Später wurde auf 7.000 revidiert. Unbeirrt von dem Crash auf Raten blieb das Institut dabei, dass der Markt wieder "nach oben will". Nun prognostiziert Chefanalyst Karl-Eugen Reis dem NEMAX einen Anstieg bis März auf 6.000 bis 6.500 Punkte. Im Sommer 2001 könnten es sogar 8.000 sein. Dies wäre ein Plus von mehr als 200 Prozent.
Anders als bei den Standardwerten und dem Börsenbarometer DAX wagt am Neuen Markt kein anderes Institut solch mutige Vorhersagen. "Es dauert immer eine Weile, bis aus Angst wieder Gier wird", beschreibt die Commerzbank die unsichere Zukunft. "Allerdings gibt es nicht nur die Angst vor Verlusten, sondern auch die, nicht dabei zu sein." Dies könnte den Stimmungstrend wieder umkehren. Bei der Auswahl der Aktien ist nach Einschätzung von Alfred Roelli jedoch höchste Vorsicht geboten: "Große Positionen sollte man nicht halten", mahnt der Chefberater der Deutschen Bank./lhe/av/DP
(Wiederholung aus technischen Gründen) --- Von Thomas Kaufner, dpa ---
Frankfurt/Main (dpa) - Die einstige Geldmaschine Neuer Markt ist zum Milliardengrab geworden. Bis März trieb die Euphorie über die Chancen der neuen Ökonomie die Kurse noch in Schwindel erregende Höhen. Danach setzte zunehmend Panik ein. Seit dem Höchststand mit 8.559 NEMAX-Punkten am 10. März wurde das hochspekulative Marktsegment in mehreren Schüben regelrecht in den Abgrund geprügelt. Dem Abwärtssog der US-Technologiebörse Nasdaq folgte hier zu Lande eine Serie von Pleiten und Fehlprognosen bei zahlreichen Jungunternehmen. Statt des erhofften Aufschwungs kam kurz vor Weihnachten mit gut 2 600 Punkten ein neues Jahrestief. Seit März entspricht dies einem Minus von rund 70 Prozent.
Dabei schien der Neue Markt Anfang 2000 zunächst den Traum vom schnellen Wohlstand ohne Arbeit, ja sogar ohne fundierte Börsenkenntnisse zu erfüllen. Manager, Beschäftigte und Aktionäre der neuen Unternehmensgeneration konnten mit nahezu jedem Titel mehr oder minder rasante Kursgewinne einfahren. Binnen weniger Wochen schwang sich das Börsenbarometer NEMAX vom 99er Rekord Ende Dezember (4.572 Punkte) um weitere 90 Prozent in die Höhe. So euphorisch, wie sich immer neue Anlegerscharen auf ihren Lieblingsmarkt stürzten, so jäh brach der Boom allerdings ab.
"Überzogene Erwartungen" in die Aussichten der neuen Technologien macht der Chef-Anlageberater der Deutschen Bank, Alfred Roelli, als Treibstoff für die rasanten Kursanstiege aus. "Fundamentale Bewertungsmaßstäbe traten angesichts dieser Chancen in den Hintergrund." In dieser überhitzten Lage reichten dann einige Negativnachrichten aus, um die Spekulationsblase zum Platzen zu bringen. Die Insolvenzen von Gigabell und Teamwork, die Häufung von "Gewinnwarnungen" und eklatante Fehlprognosen brachten den Markt schließlich in Misskredit. Verschreckte Investoren schalten "sehr schnell von Gier auf Angst" um, kommentiert die Commerzbank die ungebrochene Talfahrt.
Wie gewonnen so zerronnen, lautete nun die schmerzliche Erfahrung: Anfang Mai war der gesamte Neue Markt auf dem Papier 250 Mrd. Euro wert. Mittlerweile ist die Börsenkapitalisierung aller gehandelten Unternehmen auf gut 100 Mrd. Euro geschrumpft. Selbst die Ausweitung des Kurszettels auf mittlerweile 337 Titel konnte dies nicht verhindern.
Das US-Softwarehaus Broadvision - 1999 mit lediglich 115 Mio. US-Dollar Umsatz und knapp 20 Mio. US-Dollar Gewinn - wurde in der Spitze mit 27,6 Mrd. Euro bewertet. Zurzeit sind es nur 4,6 Mrd. Euro. Noch heftiger schrumpfte der Börsenwert des einstigen Stars am Neuen Markt, der Münchner Fernsehfirma EM.TV . Von 13,1 Mrd. Euro im März blieben nur 0,9 Mrd. Euro übrig. Die beiden Schwergewichte sind typisch für den generellen Trend: Kursverluste von 90 Prozent sind keine Seltenheit. Etliche Titel rangieren mittlerweile sogar deutlich unter ihrem Ausgabekurs.
"An Erklärungen für diese dramatische Entwicklung mangelt es nicht, vom Euro bis zur US-Präsidentschaftswahl, von der japanischen Lethargie bis zu einzelnen Vorgängen in den Unternehmen oder Gewinnwarnungen", schreiben die Analysten der Norddeutschen Landesbank. "Der Nachteil: Diese Erklärungen kamen immer erst hinterher und waren leider nicht in der Lage, Transparenz in die Heftigkeit der Marktreaktion zu bringen."
Dementsprechend zögerlich sind die meisten Experten mit Prognosen. Der überzogene Optimismus der DG Bank mahnt nun alle zu Zurückhaltung. Vor wenigen Monaten trauten die Analysten des Hauses dem NEMAX All-Share noch 8.500 Punkte zum Jahresende. Später wurde auf 7.000 revidiert. Unbeirrt von dem Crash auf Raten blieb das Institut dabei, dass der Markt wieder "nach oben will". Nun prognostiziert Chefanalyst Karl-Eugen Reis dem NEMAX einen Anstieg bis März auf 6.000 bis 6.500 Punkte. Im Sommer 2001 könnten es sogar 8.000 sein. Dies wäre ein Plus von mehr als 200 Prozent.
Anders als bei den Standardwerten und dem Börsenbarometer DAX wagt am Neuen Markt kein anderes Institut solch mutige Vorhersagen. "Es dauert immer eine Weile, bis aus Angst wieder Gier wird", beschreibt die Commerzbank die unsichere Zukunft. "Allerdings gibt es nicht nur die Angst vor Verlusten, sondern auch die, nicht dabei zu sein." Dies könnte den Stimmungstrend wieder umkehren. Bei der Auswahl der Aktien ist nach Einschätzung von Alfred Roelli jedoch höchste Vorsicht geboten: "Große Positionen sollte man nicht halten", mahnt der Chefberater der Deutschen Bank./lhe/av/DP