Vergessen Sie 90 Prozent der Aktien am Neuen Markt – sie sind immer noch zu teuer oder auf dem Weg zur Bedeutungslosigkeit. Der Rest jedoch sind erstaunlich solide Unternehmen, mit denen sich auch künftig viel Geld verdienen lässt.
Bis Ende des Jahres 2000“, prognostizierte die DG-Bank noch im Mai 2000, „klettert der Nemax 50 auf 9600 Punkte.“ Bekanntlich kam es anders: Schon im Januar sackte der Index auf weit unter 2000 Punkte. Doch nicht allein die gefallenen Lieblinge wie EM.TV, Intershop und Mobilcom rissen den Markt in die Tiefe. Es war die breite Masse der Medientitel von Advanced Medien bis Team Communications und der Internetwerte von Ad Pepper bis WWL Internet, die dem Index zusetzten. Jetzt ist Zeit zum radikalen Schnitt: Privataktionäre sollten 90 Prozent des Neuen Marktes vergessen – all die Werte, die in Wahrheit nie ein profitables Geschäftsmodell hatten, all die Werte, deren Kursballon nur die Hoffnung zusammenhält.
Auf der anderen Seite stehen Unternehmen, die seit Jahren profitabel arbeiten, die ihre Prognosen einhalten, die in ein paar Jahren eher in Richtung Dax als in die Bedeutungslosigkeit marschieren. Die Konsequenz: Investoren sollten mehr denn je auf Einzelstorys der Unternehmen achten – und Geduld aufbringen: Zwar rechnen viele Analysten damit, dass die Konjunktur schon im vierten Quartal drehen könnte. So beobachtet Stefan Heng von der Deutschen Bank: „Die Unternehmen sind für die zweite Jahreshälfte schon wieder positiv eingestellt; besonders in den USA scheint die konjunkturelle Talsohle weitgehend durchschritten.“ Dennoch sollten Anleger daraus für den Neuen Markt keine voreiligen Schlüsse ziehen. An einen neuerlichen Boom auf breiter Basis glaubt niemand.
Im Gegenteil: Die Aussichten für den Wachstumsmarkt als Ganzes beurteilen die meisten Analysten trotz des Abwärtsstopps im April noch immer sehr verhalten. Die Konsolidierung sei noch nicht zu Ende, meint beispielsweise Ronald Reepel von Independent Research in Frankfurt. Norbert Loeken von der WestLB in Düsseldorf ergänzt: „Die Schere zwischen den wenigen Qualitätsunternehmen am Neuen Markt und der Masse der zweifelhaften Aktien klafft immer weiter auseinander.“ Viele Analysten erwarten deshalb für die kommenden Wochen im besten Fall eine Seitwärtsbewegung der Technologiebörsen. „Der Nemax kann noch einmal um 20 Prozent zurückfallen“, warnt Stefan Schilbe, Analyst für Charttechnik bei HSBC Trinkaus in Düsseldorf. Deshalb sollten Anleger auf Werte setzen, die sich im allgemeinen Abschwung einigermaßen stabil gehalten haben. Deren Widerstandskraft kommt nicht von ungefähr: Ein gut geführtes Unternehmen, das die Planzahlen erfüllt, wird von professionellen Anlegern weniger abgestraft. Daher taugt individuelle Stärke in der allgemeinen Schwäche als Indiz für die weiteren Gewinnchancen einer Aktie. Die WirtschaftsWoche hat die Branchen des Neuen Marktes durchforstet nach Unternehmen, die nicht in die Penny-Stock-Liga abrutschen werden und Anlegern auch dann noch Erträge bringen werden, wenn die Pannenfirmen längst vergessen sind.
FRANK DOLL, STEFAN HAJEK, HAUKE REIMER,V
Quelle:wiwo.de