Berlin: Stadt der Mißwirtschaft
Die Berliner Sozialdemokraten, die vor zwei Jahren nur 22 Prozent der Stimmen erhalten hatten, liegen in den Umfragen klar vorne. Dabei tragen sie natürlich genauso Schuld an dem Bankenfiasko wie die CDU, der die SPD in Sachen Filz in nichts nachsteht. Dennoch fällt es dem SPD-Spitzenkandidaten und Interims-Bürgermeister Klaus Wowereit relativ leicht, mit dem Finger auf den früheren Koalitionspartner zu zeigen. Denn die schwere Krise der Bank ist inzwischen untrennbar verbunden mit dem Namen Klaus Landowsky. Dieser einst so einflußreiche Politiker war nicht nur Fraktionschef der Berliner CDU, sondern auch Vorstandsvorsitzender der zur Bankgesellschaft gehörenden Berlin Hyp.
Dieser Hypothekenbank, die ein riesiges Rad im Immobiliengeschäft gedreht hat, sind grobe Fehler in der Kreditvergabe und -bearbeitung nachgewiesen worden. Die daraus folgenden Wertberichtigungen haben maßgeblich zu dem Milliarden-Verlust der Bankgesellschaft beigetragen, der die Berliner Haushaltskrise noch verschlimmert hat. Hinzu kam, daß Landowsky sich im Zusammenhang mit der Vergabe eines Großkredits an zwei CDU-Freunde und Immobilienunternehmer in eine Parteispendenaffäre verstrickte.
Vor diesem Hintergrund konnte der ebenso jugendliche wie unbedarfte CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel im Wahlkampf nicht mit der vermeintlichen Wirtschaftskompetenz seiner Partei werben, obwohl er als Chef eines Raumausstattungsunternehmens immerhin praktische wirtschaftliche Erfahrungen vorzuweisen hat. In dieses Vakuum ist die FDP vorgestoßen: "Mister Wirtschaft statt Mißwirtschaft" steht auf den Wahlplakaten der Liberalen, die mit Günter Rexrodt den früheren Bundeswirtschaftsminister ins Rennen geschickt haben. Daß die FDP, die bei der letzten Wahl auf kümmerliche 2,2 Prozent kam, inzwischen gute Chancen hat, in das Berliner Abgeordnetenhaus einzuziehen, ist in erster Linie der Schwäche der CDU geschuldet - und der Sorge vieler Berliner vor einem Bündnis der SPD mit der PDS.
Sollte die SED-Nachfolgepartei den Sprung an die Macht schaffen, was trotz der fehlenden Solidarität im Anti-Terror-Kampf der Amerikaner nicht ausgeschlossen ist, müßte die ohnehin extrem schwachbrüstige Berliner Wirtschaft weitere Rückschläge befürchten. Die PDS ist ein erklärter Gegner des Flughafenausbaus in Schönefeld, des mit Abstand wichtigsten Infrastrukturprojekts der Region. Auch die dringend gebotene Konsolidierung des Landeshaushalts - wegen eines Schuldenberges von 78 Milliarden DM muß Berlin jeden Tag 12 Millionen DM Zinsen zahlen - würden die Postkommunisten nicht ohne weiteres mittragen, zumal der Sparkurs unbedingt mit einem deutlicheren Stellenabbau in der stark aufgeblähten Verwaltung der Stadt einhergehen muß.
Um sich nicht angreifbar zu machen, hat der rot-grüne Übergangssenat alle wichtigen Entscheidungen auf die Zeit nach der Wahl verschoben. Daher ist nach wie vor offen, was mit der Bankgesellschaft geschieht. Nimmt man den bisherigen Grad der Mißwirtschaft in Berlin zum Maßstab, gibt es eigentlich nur eine Lösung: Der Senat lehnt die Übernahmeangebote ab und behält die Bank, die folglich das bleibt, was sie ist: ein Faß ohne Boden.
FAZ v. 20.10.
>b>Bank-Affäre: Justiz ermittelt jetzt gegen Journalisten
Vorwurf: Beihilfe zur Verletzung der Geheimhaltungspflicht
Ewald B. Schulte
In der Bankgesellschafts-Affäre geht die Berliner Justiz jetzt gegen Journalisten vor. Wie der Sprecher der Justizpressestelle, Sascha Daue, der "Berliner Zeitung" bestätigte, ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen drei Redakteure des Berliner Verlags. Die Journalisten der "Berliner Zeitung" und des "Berliner Kurier" stünden "unter dem Verdacht einer Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht gemäß § 353 b Absatz 2 Nr. 1 des Strafgesetzbuches". Wie Daue weiter bestätigte, gehe die Aufnahme der Ermittlungen gegen die Journalisten mittelbar auf eine Strafanzeige des früheren CDU-Fraktionschefs im Berliner Abgeordnetenhaus und Ex-Vorstandssprechers der Bankgesellschaftstochter Berlin Hyp, Klaus Landowsky, zurück.
Hintergrund: Der Präsident der Bankenaufsicht, Jochen Sanio, hatte den Vorstand der Bank im Zusammenhang mit den Plattenbau-Großkreditenfür die Aubis-Gruppe der früheren CDU-Politiker Klaus-Hermann Wienhold und Christian Neuling in seiner nicht-öffentlichen Aussage vor dem Untersuchungsausschuss schwer belastet. So teilte Sanio auch mit, dass die Bankenaufsicht den Verbleib Landowskys an der Bank-Spitze keinesfalls länger geduldet hätte, nachdem bekannt geworden war, dass die Berlin Hyp der Behörde bei einer Aubis- Sonderprüfung Ende 1997 einen internen Revisionsbericht vorenthalten hatte. Auf die Veröffentlichung dieser Ausschussinterna hatte Landowsky - der stets erklärt hatte, dass er sich bei dem Aubis-Engagement der Bank nichts habe zu schulden kommen lassen - mit einer Strafanzeige gegen Unbekannt wegen der "Verletzung von Privatgeheimnissen" reagiert. Auch der Ausschuss selbst erstattete wegen der Indiskretion Anzeige.
In dem daraufhin von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren galten die an den Veröffentlichungen beteiligten Journalisten noch als Zeugen. Als die sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht beriefen und ihren Informanten nicht preis gaben, stellte die Justiz das Verfahren zunächst ein. Doch mit Schreiben vom 12. Juli teilte die Staatsanwaltschaft dem Untersuchungsausschuss mit, dass sie "von Amts wegen" wieder tätig werde. Konkret wolle man nun aber gegen die drei Journalisten ermitteln, da die Behörde zu der Auffassung gelangt sei, dass hier "der Anfangsverdacht einer Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses oder einer Geheimhaltungspflicht" bestehe.
Am 16. Juli bat die Staatsanwaltschaft den Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Reinhard Führer (CDU), um die zwingend erforderliche Genehmigung, gegen die Journalisten vorgehen zu können. Ohne den Untersuchungsausschuss noch einmal mit der Angelegenheit zu befassen - was der Präsident nicht mußte, was ihn in der Entscheidungsfindung jedoch politisch hätte entlasten können -, gab Führer der Justiz grünes Licht: Mit Schreiben vom 9. August ermächtigte der Parlamentspräsident die Staatsanwaltschaft noch in der Sommerpause zur Strafverfolgung der Journalisten.
Brisanter Aktenfund bei Aubis
Nicht ganz so zügig indes agiert Führer in einem weitaus delikateren Fall. Bei einer Hausdurchsuchgung am 4. September waren die Ermittler ausgerechnet in den Aubis-Firmenräumen in der Lindenallee auf vertrauliche Unterlagen des Untersuchungsausschusses gestoßen. Dabei handelte sich um Protokolle des Vermögensausschusses, der im Frühjahr von Bankgesellschaftschef Wolfgang Rupf und dem früheren Finanzsenator Peter Kurth (CDU) ebenso ausführlich wie vertraulich über die damals akute Schieflage der Bankgesellschaft unterrichtet worden war. Diese Unterlagen waren dem Untersuchungsausschuss zur vertraulichen Kenntnisnahme zur Verfügung gestellt worden.
Nachdem die Staatsanwaltschaft den Ausschuss über den Aubis-Aktenfund informiert hatte, beschloss das Gremium am 9. Oktober, den Parlamentspräsidenten aufzufordern, in dieser Angelegenheit Strafanzeige zu erstatten. Eine solche Anzeige ist bei der Justiz aber bislang nicht eingegangen. Die Pressestelle des Abgeordnetenhauses erklärte dies damit, dass dem Präsidenten der Ausschuss-Beschluss noch nicht zugeleitet worden sei. Allerdings liegt Führer seit dem 11. Oktober der Zwischenbericht des Ausschusses vor, in dem auch der Aubis-Vorgang dokumentiert ist.
Berliner Zeitung heute 20.10.