Alles Müll, oder was?
Ermittler nehmen SPD-Größen und schwarze Kassen ins Visier
Von Joachim Peter und Peter Scherer
Das Anwesen in der Wiesbadener Nicolaistraße macht einen äußerst gepflegten Eindruck. Die Frühlingssonne spiegelt sich in den Fenstern des geräumigen Hauses. Angenehm muss es sein, in dieser noblen Gegend der hessischen Landeshauptstadt zu wohnen. Mit einer blauen Strickjacke bekleidet und in Hausschuhen, lehnt Otto Georg am Gartenzaun. „Ich habe nie etwas mit Parteispenden zu tun gehabt“, sagt der frühere Ministerialrat in der hessischen Staatskanzlei. „Daran ist kein wahres Wort.“ Im Kölner Finanzskandal führt jedoch eine Spur zunächst nach Mannheim und dann nach Wiesbaden – in besagte Nicolaistraße.
Zunächst nach Mannheim: Seit etwa fünf Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den ortsansässigen Technologiekonzern ABB wegen des Verdachts auf Korruption. Im Fall des Kölner Klüngelskandals gehört ABB zu den Unternehmen, die Gelder auf ein schwarzes Konto in der Schweiz überwiesen haben. Acht Millionen Mark flossen aus diesem Konto an den Geschäftsführer der Kölner Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (AVG), Ulrich Eisermann. 14 Millionen Mark gingen an den Geschäftsführer der in Gummersbach ansässigen Babcock-Tochter Steinmüller GmbH, Sigfrid Michelfelder. Der Verbleib von weiteren sieben Millionen Mark ist bis heute nicht geklärt. Das Unternehmen Steinmüller, das die schwarze Kasse in der Schweiz selbst anlegte, wurde mit Zustimmung der Kölner SPD-Stadtratspolitiker mit dem Bau der Müllverbrennungsanlage beauftragt. Und auch ABB durfte sich am Bau der Müllverbrennungsanlage im Kölner Stadtteil Niehl (MVA) beteiligen.
Eine schwarze Kasse gibt es auch in der Mannheimer Affäre: So soll ABB zwischen 1993 und 1997 außerdem rund 30 Millionen Mark im Zusammenhang mit Schmiergeld- und Provisionszahlungen auf Nummernkonten von Schweizer Banken überwiesen haben. Aus einem Rechtshilfeersuchen an die Schweiz geht laut „Süddeutscher Zeitung“ hervor, dass möglicherweise ein hessischer Sozialdemokrat als Mittelsmann beteiligt gewesen ist. Nach Informationen der WELT handelt es sich hierbei um den früheren Ministerialrat in der Wiesbadener Staatskanzlei, Otto Georg – den freundlichen Herrn in der blauen Strickjacke.
Zur Person Georgs will die Mannheimer Staatsanwaltschaft keine konkreten Angaben machen. Man könne jedoch nicht dementieren, dass der Name Georg in diesem Zusammenhang „bekannt“ sei, sagt Oberstaatsanwaltschaft Hubert Jobski. Georgs Büro wurde sogar schon durchsucht. Allerdings kamen dabei offenkundig keine neuen Erkenntnisse zum Vorschein.
Der heute 81-jährige Georg ist eine schillernde Persönlichkeit der Sozialdemokratie. Er soll gute Kontakte zur SPD-Spitze bis hin zu Bundeskanzler Gerhard Schröder haben. Auf alten Fotos ist er mit Willy Brandt oder auch dem früheren österreichischen Kanzler Kreisky in der ersten Reihe zu sehen. „Ich hatte schon immer persönliche Freundschaften zu einigen sozialdemokratischen Größen“, sagt Georg. Nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst in den siebziger Jahren wurde er für verschiedene Wirtschaftsberatungsgesellschaften tätig. Unter anderem war er Vorstandsvorsitzender der Hessen-Nassauischen-Versicherung. In dieser Funktion soll er bis 1974 unerlaubte Provisionszahlungen für die Vermittlung von Versicherungsträgern angenommen haben, was 1976 zur Auflösung seines Dienstverhältnisses führte. Offiziell begründete er sein Rücktrittsgesuch mit einer schweren Erkrankung.
Darüber, dass namhafte SPD-Größen in der Müllbranche als Türöffner fungieren, wird seit Jahren gemunkelt. Da das Müllaufkommen sinkt, ist das Geschäft mit dem Müll hart – auf dem Markt konkurrieren Topunternehmen wie ABB, Babcock Borsig, Linde oder Thyssen Henschel. Seit Jahren hält sich auch das Gerücht, dass Gelder über die Sozialistische Internationale in London in die Kassen der SPD gelangen, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Beweise gab es dafür bislang nicht. Im Fall Georg scheiterten die Ermittlungen wohl an den Schweizer Behörden, die Auskünfte über die inzwischen bekannten Nummernkonten beim Züricher Bankhaus Julius Baer & Co verweigerten.
Zuversichtlicher sind indessen die Kölner Ermittler: Mit dem früheren Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundes-SPD, Karl Wienand, ist vielleicht ein großer Fisch ins Netz gegangen. Auch Wienand ist eine schillernde Größe: Als Hauptbeteiligter in der Steiner-Affäre, bei der es um die Bestechung eines CDU-Abgeordneten ging, musste er sich 1974 von seinen politischen Ämtern verabschieden und wurde Unternehmensberater. Dass er 19 Jahre lang für die Stasi spionierte, wurde erst in den neunziger Jahren bestätigt. Wienand soll nach Aussage eines Steinmüller-Managers über die Schweiz ungefähr 3,6 Millionen Mark Honorar von den Müllmultis Trienekens und Steinmüller erhalten haben. Welche Leistungen er dafür erbringen musste, ist zumindest Außenstehenden unbekannt.
Ermittler nehmen SPD-Größen und schwarze Kassen ins Visier
Von Joachim Peter und Peter Scherer
Das Anwesen in der Wiesbadener Nicolaistraße macht einen äußerst gepflegten Eindruck. Die Frühlingssonne spiegelt sich in den Fenstern des geräumigen Hauses. Angenehm muss es sein, in dieser noblen Gegend der hessischen Landeshauptstadt zu wohnen. Mit einer blauen Strickjacke bekleidet und in Hausschuhen, lehnt Otto Georg am Gartenzaun. „Ich habe nie etwas mit Parteispenden zu tun gehabt“, sagt der frühere Ministerialrat in der hessischen Staatskanzlei. „Daran ist kein wahres Wort.“ Im Kölner Finanzskandal führt jedoch eine Spur zunächst nach Mannheim und dann nach Wiesbaden – in besagte Nicolaistraße.
Zunächst nach Mannheim: Seit etwa fünf Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den ortsansässigen Technologiekonzern ABB wegen des Verdachts auf Korruption. Im Fall des Kölner Klüngelskandals gehört ABB zu den Unternehmen, die Gelder auf ein schwarzes Konto in der Schweiz überwiesen haben. Acht Millionen Mark flossen aus diesem Konto an den Geschäftsführer der Kölner Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (AVG), Ulrich Eisermann. 14 Millionen Mark gingen an den Geschäftsführer der in Gummersbach ansässigen Babcock-Tochter Steinmüller GmbH, Sigfrid Michelfelder. Der Verbleib von weiteren sieben Millionen Mark ist bis heute nicht geklärt. Das Unternehmen Steinmüller, das die schwarze Kasse in der Schweiz selbst anlegte, wurde mit Zustimmung der Kölner SPD-Stadtratspolitiker mit dem Bau der Müllverbrennungsanlage beauftragt. Und auch ABB durfte sich am Bau der Müllverbrennungsanlage im Kölner Stadtteil Niehl (MVA) beteiligen.
Eine schwarze Kasse gibt es auch in der Mannheimer Affäre: So soll ABB zwischen 1993 und 1997 außerdem rund 30 Millionen Mark im Zusammenhang mit Schmiergeld- und Provisionszahlungen auf Nummernkonten von Schweizer Banken überwiesen haben. Aus einem Rechtshilfeersuchen an die Schweiz geht laut „Süddeutscher Zeitung“ hervor, dass möglicherweise ein hessischer Sozialdemokrat als Mittelsmann beteiligt gewesen ist. Nach Informationen der WELT handelt es sich hierbei um den früheren Ministerialrat in der Wiesbadener Staatskanzlei, Otto Georg – den freundlichen Herrn in der blauen Strickjacke.
Zur Person Georgs will die Mannheimer Staatsanwaltschaft keine konkreten Angaben machen. Man könne jedoch nicht dementieren, dass der Name Georg in diesem Zusammenhang „bekannt“ sei, sagt Oberstaatsanwaltschaft Hubert Jobski. Georgs Büro wurde sogar schon durchsucht. Allerdings kamen dabei offenkundig keine neuen Erkenntnisse zum Vorschein.
Der heute 81-jährige Georg ist eine schillernde Persönlichkeit der Sozialdemokratie. Er soll gute Kontakte zur SPD-Spitze bis hin zu Bundeskanzler Gerhard Schröder haben. Auf alten Fotos ist er mit Willy Brandt oder auch dem früheren österreichischen Kanzler Kreisky in der ersten Reihe zu sehen. „Ich hatte schon immer persönliche Freundschaften zu einigen sozialdemokratischen Größen“, sagt Georg. Nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst in den siebziger Jahren wurde er für verschiedene Wirtschaftsberatungsgesellschaften tätig. Unter anderem war er Vorstandsvorsitzender der Hessen-Nassauischen-Versicherung. In dieser Funktion soll er bis 1974 unerlaubte Provisionszahlungen für die Vermittlung von Versicherungsträgern angenommen haben, was 1976 zur Auflösung seines Dienstverhältnisses führte. Offiziell begründete er sein Rücktrittsgesuch mit einer schweren Erkrankung.
Darüber, dass namhafte SPD-Größen in der Müllbranche als Türöffner fungieren, wird seit Jahren gemunkelt. Da das Müllaufkommen sinkt, ist das Geschäft mit dem Müll hart – auf dem Markt konkurrieren Topunternehmen wie ABB, Babcock Borsig, Linde oder Thyssen Henschel. Seit Jahren hält sich auch das Gerücht, dass Gelder über die Sozialistische Internationale in London in die Kassen der SPD gelangen, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Beweise gab es dafür bislang nicht. Im Fall Georg scheiterten die Ermittlungen wohl an den Schweizer Behörden, die Auskünfte über die inzwischen bekannten Nummernkonten beim Züricher Bankhaus Julius Baer & Co verweigerten.
Zuversichtlicher sind indessen die Kölner Ermittler: Mit dem früheren Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundes-SPD, Karl Wienand, ist vielleicht ein großer Fisch ins Netz gegangen. Auch Wienand ist eine schillernde Größe: Als Hauptbeteiligter in der Steiner-Affäre, bei der es um die Bestechung eines CDU-Abgeordneten ging, musste er sich 1974 von seinen politischen Ämtern verabschieden und wurde Unternehmensberater. Dass er 19 Jahre lang für die Stasi spionierte, wurde erst in den neunziger Jahren bestätigt. Wienand soll nach Aussage eines Steinmüller-Managers über die Schweiz ungefähr 3,6 Millionen Mark Honorar von den Müllmultis Trienekens und Steinmüller erhalten haben. Welche Leistungen er dafür erbringen musste, ist zumindest Außenstehenden unbekannt.