DJ: FOKUS: Solarförderung lässt auch künftig Stromrechnung steigen
Von Andreas Heitker
DOW JONES NEWSWIRES
DÜSSELDORF (Dow Jones)--Die Förderung der Solarenergie wird auch
nach der geplanten Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)
milliardenschwere Zusatzlasten für die deutschen Stromverbraucher nach sich
ziehen. Strom aus Photovoltaik wird im Energiemix zwar auch künftig nur von
untergeordneter Bedeutung sein - die Stromrechnungen aber weiter
überproportional belasten. "Die Kostenlawine rollt ungehindert wie ein Tsunami
auf die Verbraucher zu", warnt Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen
Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).
Frondel, der bei dem Essener Institut den Bereich Umwelt und
Ressourcen leitet, ist von dem Kompromiss enttäuscht, den die Berliner
Regierungskoalition in der vergangenen Woche im Grundsatz beschlossen hat und
der bereits in den nächsten Tagen in die EEG-Novelle einfließen soll. Danach
wird sowohl auf eine Deckelung beim Ausbau der Solarenergie in Deutschland
verzichtet als auch auf eine Einmal-Absenkung bei der Grundvergütung.
Die Koalition plant zwar eine Absenkung der
Einspeisevergütung ab dem kommenden Jahr - aber in wesentlich geringerem Umfang
als zuletzt unter anderem von Teilen der CDU/CSU-Fraktion gefordert. Nach den
Ende vergangener Woche bekannt geworden Plänen will die Koalition die
Vergütungen für Solarstrom in den nächsten zwei Jahren um jeweils 8% und ab 2011
dann um jährlich 9% senken. Für Großanlagen mit über 100 Kilowatt Leistung ist
für 2009/2010 eine noch stärkere Degression angekündigt worden. Im Gespräch
waren aber zuletzt vor allem in der Unions-Fraktion deutlich höhere Absenkungen
von 25% bis 30% gewesen.
Die Pläne der Koalition sollen in dieser Woche im Detail
festgezurrt, am Mittwoch in den Ausschüssen abgesegnet und am Freitag in den
Bundestag eingebracht werden. Nach Berechnungen des RWI werden dadurch aber die
Solar-Zusatzkosten für die Stromkunden in den nächsten drei Jahren um gerade
einmal 3 Mrd EUR sinken. Mit den neuen Fördersätzen würden alle bis 2011 in
Deutschland installierten Solaranlagen die Verbraucher insgesamt 62,4 Mrd EUR
kosten, so das RWI. Wenn das EEG nicht geändert wird, wären es dagegen 65,4 Mrd
EUR. Denn bisher sieht das EEG eine jährliche Senkung der Vergütung um nur 5% vor.
Hintergrund dieser Rechnung: Der Betreiber von Solaranlagen in
Deutschland erhalten für 20 Jahre feste Einspeisevergütungen, die deutlich über
den Kosten liegen, die derzeit für konventionellen Strom zu zahlen sind.
Momentan bekommen Standard-Solaranlagen auf einem Dach eine Basisvergütung von
0,46 EUR je Kilowattstunde (kWh). Bereits die bis 2007 installierten Anlagen
sorgen nach RWI-Berechnungen deshalb für zusätzliche Kosten von rund 26,5 Mrd
EUR. Diese werden im Laufe der Jahre über die Stromrechnungen an die Verbraucher weitergereicht.
In einer Studie, die das RWI kürzlich zur geplanten
EEG-Novellierung vorgelegt hat, hatte das Institut bereits kritisiert, dass
diese Kosten bis 2015 bei Beibehaltung der derzeitigen Regelungen auf knapp 120
Mrd EUR ansteigen könnten. Diese Kosten ließen auch die Leistungen der
"Jobmaschine Solarindustrie" etwas verblassen: Jeder der 2006 in der Branche
gezählten Arbeitsplätze sei bereits mit mindestens 153.000 EUR subventioniert.
Mittlerweile gibt es rund 40.000 Photovoltaik-Arbeitsplätze
in Deutschland - je zur Hälfte in der Industrie und im Handwerk. Der
Solarverband warnte in den vergangenen Wochen bereits, dass drei Viertel dieser
Arbeitsplätze wieder verschwinden wird, falls die Einspeisevergütung zu stark
gekürzt wird.
Der RWI-Experte Frondel glaubt dagegen, dass 2009 auch eine Senkung
der Vergütung um 30% möglich wäre, ohne dass ein dauerhafter Nachfrageeinbruch
droht. Auch Analysten teilen diese Meinung. Der Renewables-Experte der
Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Stephan Droxner, warnte noch im März, dass
die Solarbranche aufgrund einer "Überförderung" Gefahr laufe zu überhitzen. Die
deutschen Photovoltaik-Unternehmen seien technologisch und kostenmäßig vorne
dabei und könnten mit einer höheren Degression der Vergütungen durchaus leben.
"Die jetzige EEG-Regelung gibt zudem der asiatischen Konkurrenz Zeit,
die Lücke auf unsere Kosten zu schließen", warnte Droxner. Denn die für die
Branche existenziell wichtigen Kostensenkungen werden durch die hohe Förderung
und den geringeren Druck nur verlangsamt. Droxner verweist darauf, dass so nur
"unnötig hohe Gewinne" am vorderen Ende der solaren Wertschöpfungskette
entstehen, die aber für das Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit der Branche
unbedeutend sind.
Kritiker sagen, dass sich die Solarlobby mit der jetzt absehbaren
geringeren Absenkung der Fördersätze einmal mehr durchgesetzt habe. "Die
durchschnittliche Degression bleibt hinter den zu Kostensenkungen zurück, die
man in der Industrie erwarten kann", meint etwa Jochen Siemer, Chefredakteur des
Branchenfachmagazins "Photon". Das heiße automatisch: Die Gewinnmargen der
Unternehmen steigen weiter.
Dass diese Margen auch bisher schon alles andere als gering waren,
zeigt ein Blick in die Konzernbilanzen wichtiger Branchenunternehmen: SolarWorld
zum Beispiel verbuchte 2007 eine EBIT-Marge von 29%, Q-Cells kam auf 23%, ersol
immerhin noch auf 14%. Der Bundesverband Solarwirtschaft räumt denn auch ein,
dass innovative Unternehmen die neuen Kostenvorgaben des EEG durchaus schaffen
könnten. "Die Gefahr eines Markteinbruchs ist gebannt", kommentierte
Geschäftsführer Carsten Körnig am Freitag den Koalitionskompromiss.
Nach Zahlen des Bundesverbands der Energie- und
Wasserwirtschaft (BDEW) erhält die Solarbranche derzeit ein Viertel der gesamten
Vergütungen, die über das EEG verteilt werden. Die Auswirkungen dieser
Bevorteilung der Sonnenenergie auf die deutsche Versorgungssicherheit sind
dennoch gering: 2007 trug Photovoltaik nur mit 3,0 Mrd kWh zur Stromerzeugung
bei - dies waren gerade einmal 0,5% der gesamten deutschen
Netto-Stromproduktion. Die derzeitige Mittelfristprognose des BDEW sieht zwar
einen deutlichen Anstieg in den nächsten Jahren vor - aber auch 2014 wird Solar
mit dann über 7 Mrd kWh beileibe keine tragende Säule der deutschen
Stromversorgung sein.
Die Solarbranche argumentiert dagegen, dass auch auf Grundlage der
BDEW-Prognose die Förderung bezahlbar bleibt. Bis 2014 werde ein deutscher
Haushalt durch die Solarförderung mit maximal 2,14 EUR je Monat belastet, so der
zuständige Bundesverband. Und bis 2014 werde Solarstrom in Deutschland
wettbewerbsfähig sein. Die hohen Gewinne sind nach Meinung der Branche
notwenidig, um den Aufbau der Produktion und die hohen Ausgaben für Forschung
und Entwicklung bezahlen zu können.
Klar ist aber auch: Die deutschen Solarunternehmen bauen sukzessive
ihr Auslandsgeschäft weiter aus, um sich vom deutschen Fördersystem unabhängiger
zu machen. In diesem Jahr führen die anstehende EEG-Novelle und die ab 2009
erwarteten Kürzungen zudem zu einer starken Nachfrage nach Solarmodulen. Diese
Vorzieheffekte hatte SolarWorld-Finanzvorstand Philipp Koecke bereits im
vergangenen November in einem Dow-Jones-Interview prognostiziert. Andreas Hänel,
Vorstandsvorsitzender von Phoenix Solar, hatte Mitte Mai gegenüber Dow Jones von
einem regelrechten Boom gesprochen, den die EEG-Novelle 2008 provozieren werde.
Die Analysten von Sal. Oppenheim gehen davon aus, dass auf den Boom
dann im nächsten Jahr eine kurze Schwächephase folgt. In der Zeit danach würden
weitere Preisrückgänge bei den Anlagen aber die Nachfrage wieder nach oben
treiben, heißt es in einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Studie. Die
Analysten rechnen damit, dass die Rahmenbedingungen auch in allen anderen
wichtigen Solarmärkten günstig bleiben, so dass die Branche weiter wachsen und
in einigen Ländern bereits deutlich früher, als von vielen gedacht,
wettbewerbsfähig wird: "Ab 2012 erwarten wir, dass der Solarmarkt nachhaltig
ohne Subventionen auskommen wird."
Webseiten: www.solarwirtschaft.de/
www.rwi-essen.de/
www.bdew.de/
-Von Andreas Heitker, Dow Jones Newswires, +49 (0)211 - 13872 14,
andreas.heitker@dowjones.com
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June 02, 2008 08:30 ET (12:30 GMT)
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