Mehr als ein Jahr nach der Kirch-Pleite sind schon wieder die Staatsanwälte aktiv. Die Bayerische Landesbank gerät in Bedrängnis
von Ulrich Porwollik und Ulrich Reitz
Noch vor gut vier Wochen war die Welt der Formel 1 in bester Ordnung. "Wir sind dabei, gemeinsam die Zukunft des Rennsports auf gesunde Beine zu stellen", hieß es bei den verhandelnden Kontrahenten.
Die Banken, seit der Kirch-Pleite über Nacht mit 75 Prozent Mehrheitsaktionäre an der Formel 1, die zur Revolution bereiten Teams, die nicht minder aufbegehrenden Hersteller und der alles beherrschende Bernie Ecclestone hätten erkannt, "dass es ohne ein künftiges Miteinander auch keine Hoffnung mehr gebe".
Doch die heile Welt ist auf einmal vorbei: Die Banken, vor allem die Bayerische Landesbank, haben plötzlich kein Interesse mehr, sich längerfristig in dem artfremden Boxen-Luder-Gewerbe zu tummeln. Und wollen nur noch raus. Und alle fragen sich: Was ist nur passiert? Fakt ist: Die Münchner Staatsanwaltschaft 1 prüft, ob bei den Milliardenkrediten der Bayerischen Landesbank an Ex-Medien-Mogul Leo Kirch alles so koscher verlaufen ist, wie es das Kreditwesengesetz verlangt. Seitdem sind "alle sehr gereizt", sagt ein Intimus der Szene. Ende Mai sollen die Ermittlungen abgeschlossen sein.
Bis dahin wird weiter Räselraten herrschen. Immerhin könnte der Casus auch zum Problem für Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber gereichen. Sollte sich nämlich herausstellen, dass die Kredite nicht in ausreichender Höhe durch die Bank abgesichert worden sind oder die Sicherheiten nicht eingehend genug geprüft wurden, steht den Bankern an der Isar der Straftatbestand der Untreue ins Haus. Schlimmer würde sich der Fall von Bestechung ausnehmen. Dann wären wissentlich und zum eigenen Nutzen Kredite gewährt worden. Nicht auszudenken der worst case - schwarze Kredite. "Wenn nach dem Prinzip, Leo wie viel brauchst du denn" agiert worden wäre, so ein Münchener Beobachter des Falles, "wäre der Skandal perfekt.
Noch will niemand auszuschließen, ob es binnen der kommenden Wochen zum GAU in München kommt.
So unwahrscheinlich das ist, können sich die Ermittlungen, die auf eine Anzeige des Münchener Steueranwalts Peter Spörlein zurückgehen, zum gefährlichen Störfeuer für Edmund Stoiber entwickeln. Bayerns Ministerpräsident stellt sich am 21. September im Freistaat den Wählern. Ein Skandal um die Bayernbank, die sich bereits vor Jahren von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine schwere Rüge wegen der laxen Kreditvergabe an Kirch gefallen lassen musste, käme derzeit wohl recht ungelegen.
Immerhin ist die Bayerische Landesbank nicht nur eine halbstaatliche Anstalt, in der Finanzminister Kurt Falthauser und Wirtschaftsminister Otto Wiesheu im Aufsichtsrat sitzen, sondern sie ist auch der größte Finanzier des Pleite-Konzerns gewesen. Sollte sich also der Verdacht auf Untreue verhärten, zur Bestechungsaffäre anschwellen oder gar zum Schwarzen-Kredite-Skandal hochkochen, Stoiber wäre in unangenehmer Bedrängnis. Der Chef der Bayerischen Landesbank, Werner Schmidt, ohnehin.
Die Opposition im Bayerischen Landtag geht deshalb - ohne viel zu wissen - schon einmal in die Vorhand. "Wenn Indizien gefunden werden, die unseren Verdacht einer Einflussnahme auf die Bank belegen, werden wir eine Aufklärung fordern", motzt Bayerns SPD-Vorsitzender Wolfgang Hoderlein. Alle bisherigen Kenntnisse sprächen dafür, "dass der Einfluss der Staatsregierung ganz massiv gewesen sein muss".
Unterstützung findet der Oppositionsführer bei anderen Kreditinstituten der Republik. Seit langem rümpft die Geldzunft die Nase über das riesige Kreditvolumen der Landesbank für Leo Kirch. "Die Politik und das Mangement der Bayerischen Landesbank haben viel von ihrer Glaubwürdigkeit verloren." Ein Top-Manager: "Ich bin ganz sicher, dass da Köpfe rollen."
Die Staatsklanzlei von Edmund Stoiber hält dagegen: "Die Bayerische Landesbank ist ein selbstständiges Unternehmen. Absprachen zwischen der Staatsregierung und der Bayerischen Landesbank gab es nicht. Die Kredite waren banküblich abgesichert." Punkt.
München in Aufruhr. Dabei prüft die Justiz, wie Christian Schmidt-Sommerfeld, leitender Oberstaatsanwalt, bestätigt, lediglich "einen Anfangsverdacht". "Es geht darum, ob jemand Einfluss auf das Kreditengagement bei Kirch genommen hat." Laut Schmidt-Sommerfeld habe es zwar Hinweise der internen Bankrevision gegeben. "Einen Tatbestand der Untreue erfüllt das aber noch nicht. Auch eine mögliche Einflussnahme Dritter, etwa eine Weisung des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, werde überprüft. "Bislang", so Schmidt-Sommerfeld, "liegen uns dazu aber keine Hinweise vor.
Der Justizmann hält den Ball flach, die Emotionen gehen trotzdem hoch. Und zwar derart, dass die bislang unter den Bankern unbestrittene Verhandlungsposition über die Zukunft der Formel 1 "quasi über Nacht in die Tonne getreten wurde", so ein Insider. Plötzlich sind die zähen Verhandlungen der vergangenen Monate perdu. "Alles für die Katz", sagt einer, dessen Name nicht genannt werden soll. Sich aber wundert über die völlig neue Lage. Denn nach Informationen von WELT am SONNTAG lag bis vor wenigen Wochen ein nahezu unterschriftsreifes Konzept der Banken vor, nachdem Hersteller und Teams in der Formel 1 nicht nur mehr Einfluss und Kontrolle bekommen, sondern auch finanziell deutlich besser gestellt werden sollten. Im künftigen Aufsichtsrat über das PS-Business sollten endlich auch Hersteller und Teams Platz nehmen. Zudem sollten sie am Umsatz beteiligt werden. Von jedem künftig zusätzlich in die Kasse fließenden Cent sollten zehn Prozent an sie gehen.
Später dann wollten die Banken ihren Anteil versilbern. Entweder durch einen Gang an die Börse oder durch Teilverkäufe an potente Interessenten. Ziel der Operation: die eingesetzten Mittel von 1,6 Milliarden Euro plus Verzinsung wieder auf das eigene Konto zurückzuführen. Ein Langfristkonzept.
Jetzt heißt die Devise: Nur noch raus. Zwar will ein Sprecher der Bayerischen Landesbank nicht offiziell vom Ziel abrücken, dass das in London bei einer Tochtergesellschaft der Bayern-Bank geparkte Paket "innerhalb der kommenden zwölf Monate veräußert werden soll". In Wahrheit aber dürfte längst nach einem geeigneteren Dealer Ausschau gehalten werden.
Denn ein schneller Verkauf des Formel-1-Pakets könnte der Bayern-Bank helfen. "Wenn wir beim Verkauf feststellen müssen, das kein Schaden entstanden ist, ist das ein Anhaltspunkt dafür, dass der Kredit ausreichend besichert worden ist", sagt Staatsanwalt Schmidt-Sommerfeld. Die Justiz mache das auch am Zeitpunkt der Kreditvergabe fest. Die Folge: Weil die Kurse für möglicherweise zur Besicherung übertragene Aktienpakete mittlerweile gefallen sind, könnte das die Ermittler milde stimmen.
Ein schneller Abschluss der Akte würde aber auch die politische Sprengkraft mildern. Nicht aus purem Zufall habe man in Bayern im Wahljahr 2002 die Verhandlungen an Ex-Deutsche-Bank-Vorstand Thomas Fischer abgegeben. "Die Devise war, nur weit weg von der Landesregierung und dem Kanzlerkandidaten", heißt es. Viele Mutmaßungen. Am Ende könnte alles Ecclestone in die Hände fallen. "Aus Lust am Poker", soll der 160-Zentimeter-Mann vor Wochen den Banken ein Angebot unterbreitet haben. "Für 750 Millionen Euro kaufe ich." Damals lehnten die Banker ab. Knapp eine Milliarde abschreiben? Das erschien ihnen zu viel. Jetzt, so heißt es, denke man ernsthaft darüber nach.
Eine alte Weisheit der Insolvenzverwalter heißt: Only near money, is good money.
von Ulrich Porwollik und Ulrich Reitz
Noch vor gut vier Wochen war die Welt der Formel 1 in bester Ordnung. "Wir sind dabei, gemeinsam die Zukunft des Rennsports auf gesunde Beine zu stellen", hieß es bei den verhandelnden Kontrahenten.
Die Banken, seit der Kirch-Pleite über Nacht mit 75 Prozent Mehrheitsaktionäre an der Formel 1, die zur Revolution bereiten Teams, die nicht minder aufbegehrenden Hersteller und der alles beherrschende Bernie Ecclestone hätten erkannt, "dass es ohne ein künftiges Miteinander auch keine Hoffnung mehr gebe".
Doch die heile Welt ist auf einmal vorbei: Die Banken, vor allem die Bayerische Landesbank, haben plötzlich kein Interesse mehr, sich längerfristig in dem artfremden Boxen-Luder-Gewerbe zu tummeln. Und wollen nur noch raus. Und alle fragen sich: Was ist nur passiert? Fakt ist: Die Münchner Staatsanwaltschaft 1 prüft, ob bei den Milliardenkrediten der Bayerischen Landesbank an Ex-Medien-Mogul Leo Kirch alles so koscher verlaufen ist, wie es das Kreditwesengesetz verlangt. Seitdem sind "alle sehr gereizt", sagt ein Intimus der Szene. Ende Mai sollen die Ermittlungen abgeschlossen sein.
Bis dahin wird weiter Räselraten herrschen. Immerhin könnte der Casus auch zum Problem für Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber gereichen. Sollte sich nämlich herausstellen, dass die Kredite nicht in ausreichender Höhe durch die Bank abgesichert worden sind oder die Sicherheiten nicht eingehend genug geprüft wurden, steht den Bankern an der Isar der Straftatbestand der Untreue ins Haus. Schlimmer würde sich der Fall von Bestechung ausnehmen. Dann wären wissentlich und zum eigenen Nutzen Kredite gewährt worden. Nicht auszudenken der worst case - schwarze Kredite. "Wenn nach dem Prinzip, Leo wie viel brauchst du denn" agiert worden wäre, so ein Münchener Beobachter des Falles, "wäre der Skandal perfekt.
Noch will niemand auszuschließen, ob es binnen der kommenden Wochen zum GAU in München kommt.
So unwahrscheinlich das ist, können sich die Ermittlungen, die auf eine Anzeige des Münchener Steueranwalts Peter Spörlein zurückgehen, zum gefährlichen Störfeuer für Edmund Stoiber entwickeln. Bayerns Ministerpräsident stellt sich am 21. September im Freistaat den Wählern. Ein Skandal um die Bayernbank, die sich bereits vor Jahren von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine schwere Rüge wegen der laxen Kreditvergabe an Kirch gefallen lassen musste, käme derzeit wohl recht ungelegen.
Immerhin ist die Bayerische Landesbank nicht nur eine halbstaatliche Anstalt, in der Finanzminister Kurt Falthauser und Wirtschaftsminister Otto Wiesheu im Aufsichtsrat sitzen, sondern sie ist auch der größte Finanzier des Pleite-Konzerns gewesen. Sollte sich also der Verdacht auf Untreue verhärten, zur Bestechungsaffäre anschwellen oder gar zum Schwarzen-Kredite-Skandal hochkochen, Stoiber wäre in unangenehmer Bedrängnis. Der Chef der Bayerischen Landesbank, Werner Schmidt, ohnehin.
Die Opposition im Bayerischen Landtag geht deshalb - ohne viel zu wissen - schon einmal in die Vorhand. "Wenn Indizien gefunden werden, die unseren Verdacht einer Einflussnahme auf die Bank belegen, werden wir eine Aufklärung fordern", motzt Bayerns SPD-Vorsitzender Wolfgang Hoderlein. Alle bisherigen Kenntnisse sprächen dafür, "dass der Einfluss der Staatsregierung ganz massiv gewesen sein muss".
Unterstützung findet der Oppositionsführer bei anderen Kreditinstituten der Republik. Seit langem rümpft die Geldzunft die Nase über das riesige Kreditvolumen der Landesbank für Leo Kirch. "Die Politik und das Mangement der Bayerischen Landesbank haben viel von ihrer Glaubwürdigkeit verloren." Ein Top-Manager: "Ich bin ganz sicher, dass da Köpfe rollen."
Die Staatsklanzlei von Edmund Stoiber hält dagegen: "Die Bayerische Landesbank ist ein selbstständiges Unternehmen. Absprachen zwischen der Staatsregierung und der Bayerischen Landesbank gab es nicht. Die Kredite waren banküblich abgesichert." Punkt.
München in Aufruhr. Dabei prüft die Justiz, wie Christian Schmidt-Sommerfeld, leitender Oberstaatsanwalt, bestätigt, lediglich "einen Anfangsverdacht". "Es geht darum, ob jemand Einfluss auf das Kreditengagement bei Kirch genommen hat." Laut Schmidt-Sommerfeld habe es zwar Hinweise der internen Bankrevision gegeben. "Einen Tatbestand der Untreue erfüllt das aber noch nicht. Auch eine mögliche Einflussnahme Dritter, etwa eine Weisung des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, werde überprüft. "Bislang", so Schmidt-Sommerfeld, "liegen uns dazu aber keine Hinweise vor.
Der Justizmann hält den Ball flach, die Emotionen gehen trotzdem hoch. Und zwar derart, dass die bislang unter den Bankern unbestrittene Verhandlungsposition über die Zukunft der Formel 1 "quasi über Nacht in die Tonne getreten wurde", so ein Insider. Plötzlich sind die zähen Verhandlungen der vergangenen Monate perdu. "Alles für die Katz", sagt einer, dessen Name nicht genannt werden soll. Sich aber wundert über die völlig neue Lage. Denn nach Informationen von WELT am SONNTAG lag bis vor wenigen Wochen ein nahezu unterschriftsreifes Konzept der Banken vor, nachdem Hersteller und Teams in der Formel 1 nicht nur mehr Einfluss und Kontrolle bekommen, sondern auch finanziell deutlich besser gestellt werden sollten. Im künftigen Aufsichtsrat über das PS-Business sollten endlich auch Hersteller und Teams Platz nehmen. Zudem sollten sie am Umsatz beteiligt werden. Von jedem künftig zusätzlich in die Kasse fließenden Cent sollten zehn Prozent an sie gehen.
Später dann wollten die Banken ihren Anteil versilbern. Entweder durch einen Gang an die Börse oder durch Teilverkäufe an potente Interessenten. Ziel der Operation: die eingesetzten Mittel von 1,6 Milliarden Euro plus Verzinsung wieder auf das eigene Konto zurückzuführen. Ein Langfristkonzept.
Jetzt heißt die Devise: Nur noch raus. Zwar will ein Sprecher der Bayerischen Landesbank nicht offiziell vom Ziel abrücken, dass das in London bei einer Tochtergesellschaft der Bayern-Bank geparkte Paket "innerhalb der kommenden zwölf Monate veräußert werden soll". In Wahrheit aber dürfte längst nach einem geeigneteren Dealer Ausschau gehalten werden.
Denn ein schneller Verkauf des Formel-1-Pakets könnte der Bayern-Bank helfen. "Wenn wir beim Verkauf feststellen müssen, das kein Schaden entstanden ist, ist das ein Anhaltspunkt dafür, dass der Kredit ausreichend besichert worden ist", sagt Staatsanwalt Schmidt-Sommerfeld. Die Justiz mache das auch am Zeitpunkt der Kreditvergabe fest. Die Folge: Weil die Kurse für möglicherweise zur Besicherung übertragene Aktienpakete mittlerweile gefallen sind, könnte das die Ermittler milde stimmen.
Ein schneller Abschluss der Akte würde aber auch die politische Sprengkraft mildern. Nicht aus purem Zufall habe man in Bayern im Wahljahr 2002 die Verhandlungen an Ex-Deutsche-Bank-Vorstand Thomas Fischer abgegeben. "Die Devise war, nur weit weg von der Landesregierung und dem Kanzlerkandidaten", heißt es. Viele Mutmaßungen. Am Ende könnte alles Ecclestone in die Hände fallen. "Aus Lust am Poker", soll der 160-Zentimeter-Mann vor Wochen den Banken ein Angebot unterbreitet haben. "Für 750 Millionen Euro kaufe ich." Damals lehnten die Banker ab. Knapp eine Milliarde abschreiben? Das erschien ihnen zu viel. Jetzt, so heißt es, denke man ernsthaft darüber nach.
Eine alte Weisheit der Insolvenzverwalter heißt: Only near money, is good money.