Quelle Handelsblatt vom 05.06.2009, Seite 15
Quellrubrik Unternehmen und Märkte
Autor Koenen, Jens
Lufthansa fordert Freiheit in Russland
Airline will in Sibirien nicht nur auftanken, sondern auch Waren umschlagen dürfen
JENS KOENEN | KRASNOJARSK
Lufthansa fordert eine Neuformulierung
des Luftverkehrsabkommens zwischen
Deutschland und Russland. "Wir müssen
dafür sorgen, dass dieses Abkommen
geändert wird", sagte Heinz
Ruhnau, der frühere Vorstandschef von
Lufthansa und heutige Osteuropa-Berater
der Gesellschaft gestern in Krasnojarsk
anlässlich der feierlichen Eröffnung
der neuen Asien-Drehscheibe in
der sibirischen Stadt.
Ruhnau zielt mit diesen Äußerungen auf
die Tatsache, dass die Frachttochter
Lufthansa Cargo künftig zwar Krasnojarsk
anfliegen kann, aber nur zum Auftanken
der Maschinen. Eine kommerzielle
Nutzung des Flughafens etwa um
Fracht zu ent- oder beladen ist laut Abkommen
nicht gestattet. "Ich hoffe, dass
wir irgendwann mehr hier machen können",
sagte Ruhnau.
Der russische Minister für Energie und
Entwicklung der Regionalregierung,
Denis Pashkov, deutete in seiner Antwort
auf die Forderung grundsätzliche
Bereitschaft dazu an. Es sei zwar Angelegenheit
der zuständigen Staatsregierungen,
aber erste Gespräche hätten bereits
stattgefunden. "Ich bin zuversichtlich,
dass wir uns um eine Lösung des
Themas bemühen werden", sagte er.
Für Lufthansa wäre es ein großer Schritt
nach vorne, wenn die Gesellschaft auch
eine kommerzielle Lizenz in Krasnojarsk
bekommen würde. Sie könnte dort
dann Frachtflüge für den wichtigen asiatischen
Raum zusammenstellen. Zwar
geht das Transportaufkommen derzeit
angesichts der Krise zurück. "Ich hoffe
aber, wenn das Wirtschaftswachstum
wiederkommt, dass wir die Zahl der
Flüge weiter erhöhen können", sagte
Thomas Quirrenbach, Chef der Netzplanung
von Lufthansa. Zudem gibt es Gerüchten
zu Folge Pläne, in Krasnojarsk
eine Art Freihandelszone zu errichten,
mit entsprechenden Erleichterungen etwa
beim Zoll.
Lufthansa hatte gestern mit dem ersten
Flug einer Frachtmaschine von Frankfurt
nach Krasnojarsk die neue Asien-
Drehscheibe offiziell in Betrieb genommen.
Die Gesellschaft verlagert bis Ende
des Monats sämtliche Flüge vom bisherigen
Hub Astana in Kasachstan. Die
russische Regierung hatte Anfang 2008
massiv Druck ausgeübt, um diese Verlegung
zu forcieren. So wurde davon eine
Verlängerung der Überflugrechte für
Lufthansa Cargo abhängig gemacht.
Das wiederum hatte bei der deutschen
Regierung für Verstimmung gesorgt.
Ungeachtet dieses Streits hat sich die
Verlagerung angesichts der heftigen
Branchenkrise als kleiner Segen erwiesen.
Nicht nur spart der Konzern dadurch
zwölf Minuten Flugzeit und entsprechend
Kerosin. Auch bei den Treibstoffpreisen
hat das Unternehmen nach
Angaben von Christian Becker, dem
Chef des Russlandsgeschäfts von LH
Cargo, viel bessere Konditionen als in
Astana. Lufthansa Cargo leidet seit dem
Spätherbst vergangenen Jahres wie die
gesamte Branche unter monatlichen
Rückgängen beim Frachtvolumen um
20 bis 25 Prozent.