Fast wertlose TV-Rechte für 95 Millionen Mark gekauft
Merkwürdige Geschäfte zwischen Haffa und Kirch
NEAL E. BOUDETTE, Wall Street Journal
HANDELSBLATT, 16.2.2001
FRANKFURT. Offenbar ohne Wissen seines eigenen Aufsichtsrats hat EM.TV-Chef Thomas Haffa der Kirch-Gruppe für 95 Mill. DM Rechte an TV-Serien abgekauft. Diese Rechte treten jedoch zum Teil erst in 50 Jahren in Kraft. Wie aus gut informierten Kreisen zu erfahren war, geht es bei diesem Geheim-Geschäft um limitierte Rechte an einem Dutzend Kinder-Fernsehserien der Jim-Henson-Gruppe aus den 80-er Jahren (Folgen der Muppets Show, Muppet Babies und Fraggle Rock).
Obwohl die 95 Mill. DM sofort fällig sind, darf EM.TV die meisten dieser Programminhalte offenbar nicht umgehend an die Fernsehsender weiter verkaufen. Die Wartefrist beträgt bei einigen Senderechten zehn Jahre, bei anderen – darunter zwei der attraktivsten – sogar 50 Jahre. Bis zu diesem Zeitpunkt allerdings sind die meisten dieser Lizenzen nach Beurteilung von Medien-Analysten wahrscheinlich wertlos. Von diesem Vertrag, datiert mit März 2000 und von Haffa unterschrieben, soll der EM.TV-Aufsichtsrat erst im Januar erfahren haben, als Kirch in einem Schreiben vom 28.12. die 95 Mill. DM erwähnte.
Nach Erfahrung von Medien-Analysten laufen derartige Lizenzverträge gewöhnlich ein bis fünf Jahre, gelegentlich auch zehn. Dabei tritt die Lizenz sofort in Kraft. Von einem Geschäft, bei dem ein Unternehmen Rechte erwirbt, die erst Jahre später in Kraft treten sollen, hat DG-Bank-Analystin Nicole Davion noch nicht gehört.
Zudem scheint der Betrag von 95 Mill. DM deutlich höher als der, den Kirch selbst 1999 für ein ähnliches Programm-Paket an die Henson- Gruppe zu zahlen bereit gewesen war. Damals soll Kirch für einen Lizenz-Zeitraum von zehn Jahren über Beträge von 8 bis 10 Mill. $ verhandelt haben. Die Gespräche seien beendet worden, als EM.TV die Jim-Henson-Gruppe erwarb.
Kirch zahlte an Haffa offenbar ohne Vertrag
In einem zweiten merkwürdigen Geschäft mit Kirch soll Haffa 1999 Umsätze verbucht haben, zu denen die Wirtschaftsprüfer am Jahresende keinen entsprechenden Vertrag fanden. Die Zahlung erfolgte offenbar, um eine Auseinandersetzung mit Kirch über die gemeinsame Tochter Junior.TV beizulegen. Dabei zahlte Kirch 60 Mill. DM, die EM.TV 1999 als Einnahme verbuchte. Der Vertrag hierzu tauchte erst im zweiten Quartal 2000 auf – datiert auf den 24. Dezember 1999.
Ein EM.TV-Sprecher wollte sich zu beiden Fällen nicht äußern. Haffa selbst war nicht erreichbar. Und auch die Kirch-Gruppe war zu keinem Kommentar bereit. sia
HANDELSBLATT, Freitag, 16. Februar 2001
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