Kozept des früheren Verfassungsrichters Kirchhof wird geprüft/Einheitlicher Steuersatz von 25% € $ ¥ das Zentrum der Macht
cag. BERLIN, 25. September. Der Steuerexperte Paul Kirchhof schlägt vor, die Körperschaftsteuer in die Einkommensteuer zu integrieren. Das Modell, das der ehemalige Verfassungsrichter am Donnerstag abend einer Runde von Ministerpräsidenten aus CDU- und SPD-regierten Ländern in Berlin vorgestellt hat, sieht insgesamt eine einheitliche Besteuerung von Bürgern und Unternehmen vor. Alle steuerlichen Ausnahmetatbestände (Subventionen und Abschreibungsmöglichkeiten) werden abgeschafft. Der Steuersatz soll einheitlich für alle Einkommensarten bei 25 Prozent liegen. Der Entwurf des Reformvorschlags liegt dieser Zeitung vor. Kichhof sieht gute Chancen, für dieses Konzept die Zustimmung von CDU- und SDP-Ländern zu erhalten.
Nach Kirchhofs Vorstellungen einer radikalen Steuervereinfachung sollen die Ungleichheiten der steuerlichen Belastung durch das "Rechtsinstitut der steuerjuristischen Person" vermieden werden. Jeder wirtschaftliche Organismus, an dem mehrere Personen beteiligt sind - insbesondere also Personen- und Kapitalgesellschaften - wird als eigenständiges Steuersubjekt behandelt. Dort soll der Gewinn abschließend besteuert werden.
Das geltende Steuerrecht stützt sich auf mehr als 200 Bundesgesetze. Der von einer Forschungsgruppe unter Leitung Kirchhofs erarbeitete Reformvorschlag zielt dagegen auf ein einziges Bundessteuergesetzbuch, das die 36 Bundessteuern auf vier verringert: die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer, eine Erbschaft- und Schenkungsteuer und eine allgemeine Verbrauchsteuer.
Da die Steuerprogression und die unterschiedlichen Steuersätze bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer zu wirtschaftlich unsinnigen Gestaltungen anregen und eine rechtsformneutrale Besteuerung verhindern, schlägt Kirchhof einen einheitlichen Steuersatz vor. Niedrige Einkommen, die den geplanten jährlichen Grundfreibetrag von 8000 Euro überschreiten, sollen durch einen Sozialausgleich entlastet werden. Die ersten über den Grundfreibetrag hinausgehenden 5000 Euro unterliegen der Steuer nur zu 60 Prozent, die folgenden 5000 Euro zu 80 Prozent. Erst danach greift der Steuersatz von 25 Prozent voll. Durch dieses Verfahren wird die Progression nicht in den Steuersatz, sondern in die Bemessungsgrundlage eingebaut. Im Ergebnis soll sich aber die gleiche steuerliche Wirkung ergeben. Grundsätzlich geben nur noch Unternehmer nach dem Kirchhofschen Entwurf Steuererklärungen ab. Alle anderen Steuerpflichtigen werden abschließend an der Quelle besteuert. Gibt es Zweifelsfragen, kann aber eine Veranlagung beim Finanzamt beantragt werden.
Der neue Entwurf, über den die Ministerpräsidenten am Abend diskutierten, ist eine konsequente Weiterentwicklung des Karlsruher Entwurfs zur Reform des Einkommensteuergesetzes, mit dem Kirchhof 2001 gemeinsam mit anderen Steuerexperten erstmals eine radikale Vereinfachung des deutschen Steuerrechts vorschlug. Daß der frühere Verfassungsrichter seine weiterentwickelten Ideen auf Einladung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) in einem Steuergespräch einer Runde vortrug, zu der unter anderen auch die SPD-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück aus Düsseldorf und Kurt Beck aus Mainz erwartet wurden, gilt als Zeichen, daß die Länder parteiübergreifend an einer grundlegenden Steuerreform interessiert sind.
Teufel hatte die Regierungschefs aller Bundesländer zu dem parteiübergreifenden Treffen nach Berlin eingeladen. Er selbst forderte vor der Zusammenkunft ein transparentes und "für alle durchschaubares" Steuersystem. Im Deutschlandfunk plädierte der baden-württembergische Regierungschef für eine "echte Steuerreform", die alle entlaste. Dann könne man im Gegenzug auch über das Streichen der einen oder anderen Steuervergünstigung reden. Kirchhof dürfte das mit Wohlgefallen gehört haben: Denn er will alle 163 Sondertatbestände des Steuerrechts streichen lassen - also auch die Entfernungspauschale oder die Eigenheimzulage, deren Abschaffung oder Kürzung sich die Union derzeit noch kräftig widersetzt.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.09.2003, Nr. 224 / Seite 13
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