Sonntag, 05. August 2001 Berlin, 13:19 Uhr
Kursrallye bei amerikanischen Software-Firmen in Sicht
Börsenbrief aus New York
Von Daud Khan
Der Ausverkauf von Aktien europäischer Softwarehersteller in den vergangenen 15 Monaten weist dramatische Formen auf. Hauptleidtragende waren vor allem kleinere Softwarehäuser. Unternehmen mit einer durchschnittlichen Marktkapitalisierung von fünf Milliarden Euro mussten zusehen, wie ihr Börsenwert um etwa 96 Prozent fiel. Demgegenüber ging der Börsenwert von Gesellschaften mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 20 Milliarden Euro um lediglich rund 47 Prozent zurück.
Das bei den Unternehmen mit vergleichsweise geringer Börsenkapitalisierung entstandene Blutbad ist die Folge der überzogenen Bewertungen. Als die Kursblase platzte, waren die niedriger kapitalisierten Aktiengesellschaften wesentlich stärker von dieser Entwicklung betroffen. Nun fällt im Nachhinein die Feststellung leicht, dass der gesamte Softwaresektor im Frühjahr 2000 überbewertet war. Das erklärt aber nicht, warum die Small-caps mehr als doppelt so stark im Kurs fielen wie die Aktien der größeren Gesellschaften und warum sie ihre ursprünglich vorgelegten überzogenen Wachstumsprognosen verfehlt haben. Könnte das Engagement auf dem US-Markt eine Rolle gespielt haben?
Die USA sind der größte Softwaremarkt der Welt. Die meisten großen Softwarehersteller wie Microsoft, Oracle oder Peoplesoft haben in den Vereinigten Staaten ihren Sitz oder Ursprung. Folglich muss sich jeder Softwarehersteller, der für seine Produkte ein nachhaltiges Wachstum anstrebt, auf dem amerikanischen Markt durchsetzen und im Wettbewerb behaupten. Unternehmen, die dies nicht können, bleiben nicht nur von dem größten Markt ausgeschlossen. Sie müssen vielmehr auch damit rechnen, dass ein amerikanischer Wettbewerber über eine ausreichend starke Basis in den USA verfügt, um selbst den europäischen Markt zu erobern.
Allerdings besteht kein sonderlich überzeugender Zusammenhang zwischen dem Engagement von Unternehmen auf dem amerikanischen Markt und dem Ausverkauf bei europäischen Softwareaktien. Die sechs - gemessen an ihrer Marktkapitalisierung - führenden europäischen Softwarehersteller erzielten im Durchschnitt 27 Prozent ihrer Umsätze in den USA. Demgegenüber belief sich der US-Umsatzanteil der kleinsten Softwareunternehmen auf durchschnittlich 31 Prozent.
So erscheint es wenig wahrscheinlich, dass die unterschiedliche Entwicklung der europäischen Aktien von Small-cap-Softwareherstellern und von Gesellschaften mit hoher Marktkapitalisierung mit deren Engagement auf dem US-Markt erklärt werden kann. Vielmehr scheint sich das US-Engagement durch die sich fortsetzende konjunkturelle Abschwächung in den USA im vergangenen Jahr auf beide Gruppen signifikant negativ ausgewirkt zu haben. Möglicherweise konnten kleinere europäische Softwarehäuser auf Grund ihrer stärkeren Abhängigkeit von Lizenzeinnahmen und somit größerer Anfälligkeit bei konjunkturellen Abschwüngen deren Folgen nur in geringerem Maße kompensieren. Demgegenüber verfügten die Unternehmen mit höherer Marktkapitalisierung über eine größere Kundenbasis und erzielten somit höhere Einnahmen durch vertraglich vereinbarte Dienst- und Wartungsleistungen.
Der Betrachtung europäischer Softwareaktien im derzeitigen Umfeld sollten die folgenden vier Kriterien zu Grunde gelegt werden:
Softwarehersteller müssen über eine möglichst große Basis installierter Produkte verfügen. Darüber hinaus steht eine breite Palette installierter Produkte auch für eine offensichtlich erfolgreiche technologische Plattform.
Mit eigener hoch entwickelter Technologie bieten Softwarehersteller ihren Kunden eine verlässliche Plattform, von der diese auch zukünftig profitieren werden.
Eine solide Bilanz ist insbesondere in Zeiten eines konjunkturellen Abschwunges von entscheidender Bedeutung. Denn gerade in derartigen Phasen suchen Kunden Softwarehersteller, die es auch in Zukunft noch geben wird.
Das Unternehmen sollte ein hervorragendes Management haben. Kompetente Führungskräfte bewahren ein Unternehmen vor ziellosem und zu schnellem Wachstum und verhindern wertvernichtende, große Zukäufe.
In den vergangenen Jahren haben europäische Softwarehersteller ihre transatlantische Konkurrenz übertroffen. So hat sich beispielsweise in den letzten vier Jahren der Aktienkurs von SAP besser entwickelt als der von Oracle. Und Business Objects hat in den vergangenen zwei Jahren eine bessere Performance als sämtliche vergleichbaren amerikanischen Mitbewerber erzielt. Die europäische Softwareindustrie behauptet sich ausgesprochen erfolgreich im Wettbewerb mit dem amerikanischen Softwaresektor. Allem Anschein nach muss ein europäisches Softwareunternehmen, um Erfolg zu haben, den Eindruck erwecken, dominanter zu sein als vergleichbare amerikanische Mitbewerber. Dies bedeutet, dass ein europäischer Softwarehersteller auf dem dritten oder vierten Platz in seinem Markt wahrscheinlich nicht überleben wird.
Für die Zukunft gehen wir davon aus, dass sich Anleger im derzeitigen Konjunkturstadium stärker auf dem amerikanischen als auf dem europäischen Markt engagieren sollten. Voraussichtlich wird die wirtschaftliche Erholung in den Vereinigten Staaten früher als in Europa einsetzen. Sollte die amerikanische Wirtschaft ihren konjunkturellen Tiefstpunkt etwa im dritten oder vierten Quartal dieses Jahres erreichen, könnte in der zweiten Jahreshälfte eine Kursrallye für Softwareaktien stattfinden.
Der Autor ist Analyst im Software- Research-Team von Merrill Lynch
Sonntag, 05. August 2001 Berlin, 13:19 Uhr
www.welt.de/daten/2001/08/05/0805fi272610.htx
Kursrallye bei amerikanischen Software-Firmen in Sicht
Börsenbrief aus New York
Von Daud Khan
Der Ausverkauf von Aktien europäischer Softwarehersteller in den vergangenen 15 Monaten weist dramatische Formen auf. Hauptleidtragende waren vor allem kleinere Softwarehäuser. Unternehmen mit einer durchschnittlichen Marktkapitalisierung von fünf Milliarden Euro mussten zusehen, wie ihr Börsenwert um etwa 96 Prozent fiel. Demgegenüber ging der Börsenwert von Gesellschaften mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 20 Milliarden Euro um lediglich rund 47 Prozent zurück.
Das bei den Unternehmen mit vergleichsweise geringer Börsenkapitalisierung entstandene Blutbad ist die Folge der überzogenen Bewertungen. Als die Kursblase platzte, waren die niedriger kapitalisierten Aktiengesellschaften wesentlich stärker von dieser Entwicklung betroffen. Nun fällt im Nachhinein die Feststellung leicht, dass der gesamte Softwaresektor im Frühjahr 2000 überbewertet war. Das erklärt aber nicht, warum die Small-caps mehr als doppelt so stark im Kurs fielen wie die Aktien der größeren Gesellschaften und warum sie ihre ursprünglich vorgelegten überzogenen Wachstumsprognosen verfehlt haben. Könnte das Engagement auf dem US-Markt eine Rolle gespielt haben?
Die USA sind der größte Softwaremarkt der Welt. Die meisten großen Softwarehersteller wie Microsoft, Oracle oder Peoplesoft haben in den Vereinigten Staaten ihren Sitz oder Ursprung. Folglich muss sich jeder Softwarehersteller, der für seine Produkte ein nachhaltiges Wachstum anstrebt, auf dem amerikanischen Markt durchsetzen und im Wettbewerb behaupten. Unternehmen, die dies nicht können, bleiben nicht nur von dem größten Markt ausgeschlossen. Sie müssen vielmehr auch damit rechnen, dass ein amerikanischer Wettbewerber über eine ausreichend starke Basis in den USA verfügt, um selbst den europäischen Markt zu erobern.
Allerdings besteht kein sonderlich überzeugender Zusammenhang zwischen dem Engagement von Unternehmen auf dem amerikanischen Markt und dem Ausverkauf bei europäischen Softwareaktien. Die sechs - gemessen an ihrer Marktkapitalisierung - führenden europäischen Softwarehersteller erzielten im Durchschnitt 27 Prozent ihrer Umsätze in den USA. Demgegenüber belief sich der US-Umsatzanteil der kleinsten Softwareunternehmen auf durchschnittlich 31 Prozent.
So erscheint es wenig wahrscheinlich, dass die unterschiedliche Entwicklung der europäischen Aktien von Small-cap-Softwareherstellern und von Gesellschaften mit hoher Marktkapitalisierung mit deren Engagement auf dem US-Markt erklärt werden kann. Vielmehr scheint sich das US-Engagement durch die sich fortsetzende konjunkturelle Abschwächung in den USA im vergangenen Jahr auf beide Gruppen signifikant negativ ausgewirkt zu haben. Möglicherweise konnten kleinere europäische Softwarehäuser auf Grund ihrer stärkeren Abhängigkeit von Lizenzeinnahmen und somit größerer Anfälligkeit bei konjunkturellen Abschwüngen deren Folgen nur in geringerem Maße kompensieren. Demgegenüber verfügten die Unternehmen mit höherer Marktkapitalisierung über eine größere Kundenbasis und erzielten somit höhere Einnahmen durch vertraglich vereinbarte Dienst- und Wartungsleistungen.
Der Betrachtung europäischer Softwareaktien im derzeitigen Umfeld sollten die folgenden vier Kriterien zu Grunde gelegt werden:
Softwarehersteller müssen über eine möglichst große Basis installierter Produkte verfügen. Darüber hinaus steht eine breite Palette installierter Produkte auch für eine offensichtlich erfolgreiche technologische Plattform.
Mit eigener hoch entwickelter Technologie bieten Softwarehersteller ihren Kunden eine verlässliche Plattform, von der diese auch zukünftig profitieren werden.
Eine solide Bilanz ist insbesondere in Zeiten eines konjunkturellen Abschwunges von entscheidender Bedeutung. Denn gerade in derartigen Phasen suchen Kunden Softwarehersteller, die es auch in Zukunft noch geben wird.
Das Unternehmen sollte ein hervorragendes Management haben. Kompetente Führungskräfte bewahren ein Unternehmen vor ziellosem und zu schnellem Wachstum und verhindern wertvernichtende, große Zukäufe.
In den vergangenen Jahren haben europäische Softwarehersteller ihre transatlantische Konkurrenz übertroffen. So hat sich beispielsweise in den letzten vier Jahren der Aktienkurs von SAP besser entwickelt als der von Oracle. Und Business Objects hat in den vergangenen zwei Jahren eine bessere Performance als sämtliche vergleichbaren amerikanischen Mitbewerber erzielt. Die europäische Softwareindustrie behauptet sich ausgesprochen erfolgreich im Wettbewerb mit dem amerikanischen Softwaresektor. Allem Anschein nach muss ein europäisches Softwareunternehmen, um Erfolg zu haben, den Eindruck erwecken, dominanter zu sein als vergleichbare amerikanische Mitbewerber. Dies bedeutet, dass ein europäischer Softwarehersteller auf dem dritten oder vierten Platz in seinem Markt wahrscheinlich nicht überleben wird.
Für die Zukunft gehen wir davon aus, dass sich Anleger im derzeitigen Konjunkturstadium stärker auf dem amerikanischen als auf dem europäischen Markt engagieren sollten. Voraussichtlich wird die wirtschaftliche Erholung in den Vereinigten Staaten früher als in Europa einsetzen. Sollte die amerikanische Wirtschaft ihren konjunkturellen Tiefstpunkt etwa im dritten oder vierten Quartal dieses Jahres erreichen, könnte in der zweiten Jahreshälfte eine Kursrallye für Softwareaktien stattfinden.
Der Autor ist Analyst im Software- Research-Team von Merrill Lynch
Sonntag, 05. August 2001 Berlin, 13:19 Uhr
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