Die Politik hat eine neue Idee lieb gewonnen: Die Finanztransaktionssteuer. Neue Idee? Eigentlich ist sie nicht neu, denn es gibt sie bereits mindestens seit den 70er Jahren und sie wird regelmäßig ähnlich wie das „Dinner for one“ an Sylvester aus der finanzpolitischen Mottenkiste geholt. Mit ihr soll aktuell die Finanzindustrie - so ein westeuropäisches Staatsoberhaupt, der kurz vor den Präsidentschaftswahlen seine Seelenverwandtschaft mit Robin Hood entdeckt hat - den Schaden, den sie durch ihre Spekulationen an den euroländischen Finanzmärkten angerichtet hat, wieder gutmachen und zur Heilung der Euro-Krise zur Kasse gebeten werden.
Qui bono?
Zweifellos sind Spekulationen, die Euro-Länder in ärgste Liquiditätsnöte bringen oder Großbanken in ihrer Existenz bedrohen eines: Unsittlich. Aber kann man sie mit regional oder national begrenzten Finanztransaktionssteuern verhindern? Denn Länder, die außer ihrer Bankindustrie kaum blühende wirtschaftliche Landschaften zu bieten haben, werden nicht in den Hosianna-Chor einer Zusatzsteuer einstimmen, sondern mit breitem Grinsen auf die Zuwanderung von kontinentaleuropäischem Finanzgeschäft warten. Wem jedoch nützt - qui bono - in Gutmensch-Euroland dann die Finanztransaktionssteuer, wenn unerwünschte Spekulationen gegen Euro und Euroland nicht aufhören, sondern nur woanders stattfinden und dort zusätzlich gar nicht mehr zu kontrollieren sind? Die absolut herrschende, angelsächsische Finanzaristokratie hätte von Euroland keine ernstzunehmende Palastrevolution mehr zu befürchten.
Ohnehin wird die Finanzindustrie für ihre international beweglichen Anleger alternative steuerfreie Instrumente entwickeln und damit dem braven Gesetzgeber immer den berühmten entscheidenden Schritt voraus sein. Die Finanztransaktionssteuer wird am Ende eher diejenigen treffen, die ihr nicht ausweichen können, also beispielsweise die deutschen Privatanleger, deren Altersvorsorge damit ein Bärendienst erwiesen wird.
Mit dem Nebenkriegsschauplatz „Finanztransaktionssteuer“ erreicht man also kaum die angestrebten Ziele. Und die wirklich wichtige Schlacht zur Beilegung der Euro-Krise wird damit schon gar nicht gewonnen.
Euroland muss die Gänseblümchen-Politik beenden
Euroland muss nämlich seine unklare Gänseblümchen-Politik - retten wir die Eurozone nachhaltig oder machen wir weiter auf Zeitgewinn - beenden. Dazu gehört einerseits, endlich die finanzpolitischen Irrfahrten Griechenlands mit einem kontrollierten Euro-Austritt und anschließend cleveren Auffanglösungen für Banken zu beenden. Andererseits muss die Europäische Fiskalunion mit Sanktionsknuten für reformrenitente Länder konsequent fortgesetzt werden. Doch damit nicht genug: Bella Italia muss seine Zabaglione-weiche Steuereintreibung durch knallharte Inkassomethoden ersetzen. In Italien - so mein Lieblings-Italiener - findet sich unter jedem Stein Steuergeld.
Tacheles bitte!
Die Benchmark, wie man Krisenmanagement betreiben sollte, ist die EZB, sozusagen der Fels von Gibraltar. Mit ihrer beherzten unkonventionellen Liquiditätspolitik mag sie zwar nicht die Herzen der Stabilitätsanhänger erwärmen. Zumindest aber kommen mit ihrem geldpolitischen Antibiotikum die wirklich wichtigen Euro-Länder Spanien und Italien nicht unter die Finanz-Räder. Die EZB kauft ihnen die nötige Zeit, damit sie germanische Reformen durchführen können. Deren Ingang- und Umsetzung wiederum ist die große Aufgabe der Euro-Politik.
Und genau dann haben wir eine stabile Perspektive für die Eurozone, an der sich die Spekulanten ihre Zähne eher ausbeißen als an einer Finanztransaktionssteuer. Nach Wiedererstarken der Eurozone wird man sich dann anschließend dem Thema Finanzmarkt und Transaktionen - auf Augenhöhe mit den Angeln und Sachsen - widmen können.