Frauen stärker abhängig?
Während man bislang angenommen hat, daß kontaktscheue junge Männer am stärksten zur Internetsucht neigen, kam jetzt offenbar eine Befragung von Wissenschaftlern der University of Hertfordshire zu einem anderen Ergebnis.
Wie BBC News berichtet, sind Menschen, die unter Internetsucht leiden, am wahrscheinlichsten Frauen um die 30 Jahre. "Es hat sich", so die Wissenschaftler, "ein Stereotyp herausgebildet, daß 'der typische Abhängige ein vorwiegend männlicher Teenager mit kaum einem oder gar keinem sozialen Leben oder keinem Selbstvertrauen ist', auch wenn die Forschung nicht notwendigerweise eine solche Sicht unterstützt."
Das Ergebnis ist freilich mit Vorsicht zu genießen. Man ließ 445 InternetbenutzerInnen sich selbst als Abhängige einstufen. Dazu bekannten sich 46 Prozent. Man fragte sie, wie oft sie das Internet benutzen und wie ihre Einstellung dazu ist. Wer das Internet sehr oft benutzt und dazu noch sehr positiv gegenüber ihm eingestellt ist, neige zur Sucht. Mehr Frauen als Männer hatten sich in der Skala für Internetsucht hoch eingestuft. Möglicherweise sind sie nur kritischer gegenüber sich selbst oder können dies eher sich selbst gegenüber einräumen. Die Wissenschaftler jedenfalls räumten ein, daß sich Frauen eher für solche Befragungen zur Verfügung stellen als Männer. Überdies fanden die Forscher heraus, daß starke Internetbenutzer doch stärker depressiv gestimmt und introvertiert seien als der Durchschnitt. Wenn man eine Menge Zeit in Chat-Gruppen im Netz oder mit dem Austausch von Emails verbraucht, dann sei dies emotional "flach", was Depressionen stärker machen könne.
Das Internet gefährde nicht nur die sozialen Nahbeziehungen, weil es schlicht die Zeit dafür wegfrisst, wenn durchschnittliche Benutzer an die 28 Stunden online sind, sondern möglicherweise auch die Gesundheit, weil man zu Sport oder anderen Freizeitbeschäftigungen auch weniger Zeit habe. Die Faszination des Internet führt Helen Petrie, Autorin des Berichts, auf die zufällig sich ereignenden Erfolgserlebnisse, also schlicht darauf zurück, daß man gelegentlich immer etwas Spannendes findet und ansonsten in der Erwartungshaltung bleibt: "Wenn man eine Seite im Internet sieht, die nicht so interessant ist, dann geht man zur nächsten, um nach Aufregendem zu suchen, dann wieder zur nächsten und so weiter, bis man auf etwas stößt, was einen elektrisiert. Diese Art der zufällig immer wieder eintretenden positiven Verstärkung ist die Sucht, von der man sich am schwersten wieder befreien kann."
Umstritten ist freilich, ob es so etwas wie Internetsucht überhaupt gibt und wie man sie gegebenenfalls definieren könnte ( Was ist Internetsucht?). Als Symptome für Internetsucht gelten beispielsweise der unwiderstehliche Zwang zum Einloggen, Schuldgefühle wegen zu langer Online-Zeiten, häufige Rügen durch unmittelbare Bezugspersonen, nachlassende Arbeitsleistung, mehrmalige vergebliche Versuche der Einschränkung, Verheimlichung der Online-Aktivitäten vor der Umwelt sowie Entzugserscheinungen in Form von Unruhe und Nervosität. Möglicherweise beruht die Internetsucht, so Helen Petrie, auf der Neuheit des Mediums und gehe später wieder zurück.