Kellogg: Günstige Versuchskaninchen

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Kellogg: Günstige Versuchskaninchen

 
08.06.01 13:38
Kellogg: Günstige Versuchskaninchen
Von Oliver Fischer, Hamburg

Firmen binden ihre Kunden ins Marketing ein und entlocken ihnen geldwerte Tipps zum Nulltarif - das Internet dient als Vehikel.

Im Befehlston stößt Kellogg in neue Marketinggefilde vor: "Macht was Ihr wollt", fordert der deutsche Ableger des US-Getreidefrühstücksproduzenten auf Verpackungen und auf seiner Website. "Seid kreativ und gestaltet von Anfang an die neuen Kellogg’s Pops". Die auf den Plan gerufenen Surfer, Kellogg peilt in erster Linie junge Leute zwischen 12 und 15 Jahren an, können sich online darum bewerben, dem Konzern bei der Gestaltung einer Verpackung zu helfen.

"Interaktives Marketing" nennt Kellogg-Managerin Bettina Kühnel die für den Konzern ungewöhnliche Masche. "Mehrere tausend" junge Leute hätten sich bereits darum beworben, die Packung für die neuartigen Mais- und Haferkullern namens "Kellogg’s Pops" zu gestalten.



Pubertierende Kids


In der Vergangenheit war es dem Zerealienhersteller nicht gelungen, bei pubertierenden Kids zu landen, erklärt Kühnel. Die Halbstarken assoziieren mit "Kellogg’s" Kindernahrung, die ihnen noch bis vor kurzem von der Mutter vorgesetzt worden war. Spezielle Jugendprodukte entpuppten sich als Flops. Jetzt will Kellogg die jungen Leute in die Entwicklung des Marketingkonzepts einbinden und so herausfinden, was sie wirklich wollen. Sollten sich die Laien-Designer als genügend kreativ erweisen, will Kellogg auch Wettbewerbe für die Gestaltung der Pops-Website und der TV-Spots anstoßen.


Interaktives Marketing kommt auch bei anderen Markenartiklern in Mode, und das Internet leistet hier wichtige Dienste. Kaum ein anderes Medium eignet sich so gut, die Vorlieben junger, aufstrebender und gut gebildeter Leute zu ermitteln, die zur bevorzugten Klientel vieler Unternehmen gehören. "Meinungsführer", die über den Erfolg einer Produkt-Neueinführung entscheiden, tummeln sich in Scharen im Web - und sind hier häufig bereit, ihre kostbare Expertise gratis zur Verfügung zu stellen.


Markenartikel-Produzent Procter & Gamble (Ariel, Pampers) ist der heimliche Meister der subtilen Recherche. Der US-Konzern hat sich ein ganzes Arsenal von Websites zugelegt, die ihm dabei helfen, den potenziellen Kunden geldwerte Informationen zum Nulltarif zu entlocken. "Haben Sie Ideen, wie wir unsere Produkte verbessern könnten?", wird der arglose Besucher einer US-Site gefragt. "Können Sie sich vorstellen, welche Produkte oder Dienstleistungen unser Unternehmen noch auf den Markt bringen könnte?"


Der hilfsbereite Surfer, der das nachfolgende "Go!"-Button anklickt, landet zunächst einmal in der Rubrik "Kleingedrucktes". In komplizierter Juristensprache wird er darüber aufgeklärt, dass seine Geistesblitze nahtlos in den Besitz von P&G übergehen. Ein Anspruch auf Kompensationen entstehe dabei nicht.


In Deutschland, immerhin, werden freiwillige P&G-Helfer belohnt. Über die konzerneigene Website "Familiensache.de" können sie Warenproben ordern, beispielsweise Katzenfutter der Marke Eukanuba. Surfer, die P&G ihre Meinung zu den Produkten übermitteln, bekommen dafür Punkte gut geschrieben. Mit denen können sie Prämienartikel wie Micro-Scooter günstig ordern. Zuvor müssen die Tester allerdings in den Familiensache-Club eintreten - und werden um ihr Einverständnis gebeten, dass Procter ihre Angaben "zu Zwecken der Werbung und Marktforschung" nutzt.


Laut P&G-Sprecherin Christel Karesch versucht ihr Unternehmen seit Jahrzehnten die Meinungen der Kunden einzuholen, um auf diese Weise die traditionelle Marktforschung zu ergänzen. Früher dienten vor allem Briefe, Faxe und das Telefon als Medien der Kontaktaufnahme. Mit dem Internet sei das interaktive Marketing allerdings in neue Dimensionen vorgestoßen, erklärt Karesch. Das Medium habe die Hemmschwellen der angesprochenen Personen gesenkt, dem Konzern die eigene Meinung mitzuteilen.


Die P&G-Sprecherin kann sich vorstellen, dass sich mit Hilfe der verbesserten Ansprache Kosten für teure Marktforschung sparen lassen. Vor allem dürfte das Risiko sinken, kostspielige Flops zu landen.


Zu optimistisch sollten die Perspektiven jedoch nicht beurteilt werden, erklärt eine Sprecherin der Reemtsma-Marke West. Der Zigarettenhersteller hat zwar kürzlich einen virtuellen Fragebogen ins Netz gestellt, mit dem er die Wirkung von Internetbannern testen wollte. Das Unternehmen gehe nun aber nicht davon aus, Dinge aus der realen Welt im großen Stil per Web testen zu können. Traditionelle Marktforschung erfordere eine bestimmte Studiosituation. Zudem würden in entsprechenden Gesprächen oft spontane Reaktionen ermittelt, erklärt die Sprecherin: "Das lässt sich über das Internet nicht machen."


Auch der Zerealienkonzern Kellogg verlässt sich keineswegs allein auf das Web, um sein interaktives Pops-Marketing umzusetzen. Möchtegern-Designer konnten sich auch per Telefon bewerben, zudem werden die Wettbewerbsteilnehmer, die kreatives Potenzial vermuten lassen, jetzt zu "Pops Days" in Großstädten eingeladen. Dort werden die Ideen vorgestellt und umgesetzt - in traditionellen Gesprächen mit Fachleuten vor Ort. Mitarbeit: Marei Seidler

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