Biotech-Aktien nehmen neuen Anlauf
Von Sven Prange
Die Kursentwicklungen in der Branche waren zuletzt miserabel, jetzt sehen Analysten erste Erholungssignale. Denn den Unternehmen ist es gelungen, das Risiko von Fehlschlägen in der Entwicklung zu senken. Und auch die Politik gibt Auftrieb. Die Investmentidee des Tages auf Handelsblatt.com.
FRANKFURT. Das Beispiel war symptomatisch für die gesamte Branche: Als die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA sich negativ zur Zulassung eines Medikamentes der Jerini AG äußerte, rauschte die Aktie um 70 Prozent in den Keller. Am nächsten Tag hieß es, die europäischen Behörden sähen gute Chancen für die Zulassung - die Aktie kletterte um bis zu 90 Prozent.
Wer in der Biotechbranche investiert, braucht gute Nerven. Bereits im vergangenen Jahr waren die Aktien deutscher Biotech-Firmen eingebrochen, nachdem zwei mit großen Hoffnungen verbundene Mittel in den USA nicht genehmigt wurden. Die ganze Branche wurde in Sippenhaft genommen.
Einige Analysten sehen nun die Trendwende. Morphosys etwa erhält für seine Kooperation mit Novartis in den nächsten zehn Jahren mindestens 600 Mill. Dollar. Der Entwickler menschlicher Antikörper gilt als Hoffnungswert. Die Morphosys-Aktie hat seit vergangenem November, als sie bei 52 Euro notierte, kräftig verloren, sich in den letzten Wochen aber über 40 Euro stabilisiert. WestLB-Analystin Cornelia Thomas sieht das Kursziel bei 59 Euro. Nach einem Forschungsauftrag von Proteomika bewege sich Morphosys auf seine für 2008 gesteckten Ziele zu. Auch die Commerzbank rät bei Morphosys zum Kauf. Analyst Daniel Wendorff erwartet in diesem Jahr ein Umsatzwachstum von zehn Prozent, im ersten Quartal kletterte er bereits um 16 Prozent.
Für gute Nachrichten hat zuletzt auch Medigene gesorgt. Das Münchener Unternehmen hat gerade von der europäischen Zulassungsbehörde Emea die Vermarktungsempfehlung für ein lange erwartetes Produkt bekommen. Die Aktie hat in den letzten Wochen zugelegt und notiert bei rund sechs Euro, nachdem sie im Februar und März noch an der Vier-Euro-Grenze gekratzt hatte. WestLB-Analyst Oliver Kämmerer rät zum Kauf und sieht das Kursziel bei 6,80 Euro, auch wenn Umsatz und Nettoergebnis im vergangenen Jahr unter den Erwartungen geblieben seien. Morgan-Stanley-Experte Karl Bradshaw dagegen ist skeptisch. Er sieht langfristiges Steigerungspotential nur, wenn das Unternehmen in der klinischen Forschung vorankomme.
Für Anleger, die zwar in der Biotech-Branche investieren wollen, ihr Geld aber nicht auf eine einzelne Firma setzen möchten, ist die BB Biotech eine Alternative. Die Schweizer Beteiligungsgesellschaft, deren Aktien in Frankfurt gehandelt werden, hält Anteile an etwa 20 Unternehmen, die insgesamt 42 Produkte in Phase III der klinischen Tests haben.
Von fast 65 Euro im vergangenen November fiel die Aktie auf derzeit rund 50 Euro. Dresdner-Kleinwort-Analystin Stefania Forti rät trotzdem zum Kauf: "Nach einem schwachen vierten Quartal 2007 hat sich BB Biotech im ersten Quartal 2008 wieder erholt." Forti lobt vor allem die breite Streuung des BB-Portfolios: "BB Biotech fährt eine effektive Diversifikations-Strategie, die die negativen Auswirkungen von Medikamenten, die am Markt scheitern, auffangen." Für das Entwicklungspotenzial der BB-Aktie spricht auch der innere Wert, der derzeit etwa elf Prozent über dem tatsächlichen Börsenwert liegt.
"Die Branche hat Fortschritte gemacht", sagt Julia Schüler, Industrieanalystin bei Ernst & Young. "Die Entwicklungsportfolios der Firmen sind reifer geworden, das Risiko von Fehlschlägen ist gesunken", sagt Frank Mathis, Chef der Biotechnologen im Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Zum einen gibt es derzeit wieder mehr Medikamente deutscher Biotech-Firmen, deren klinischen Testphasen fortgeschritten sind. Zum anderen sorgt der Beschluss des Bundestages, die Stichtagregelung für die Forschung an Stammzellen neu zu setzen, für Sicherheit.
In der Vielfalt der Möglichkeiten und Antworten liegt der Schlüssel und die Weisheit der Massen.