Jeremy Grantham verwaltet in den USA ein Milliardenvermögen. Zu seinen Kunden zählen Dick Cheney, John Kerry, Exxon Mobile und die Weltbank. Die derzeitigen Schwächeanfälle der Finanzmärkte hält er nur für das Vorgeplänkel für einen dramatischen Absturz.
Ein Mann sieht schwarz: Für den Vermögensverwalter Jeremy Grantham sind die aktuellen Abwärtsschwünge am Aktienmarkt erst der Anfang: „In den vergangenen zwölf Jahren war ich oft zu pessimistisch. Jetzt aber fühle ich mich, als beobachtete ich ein Zugunglück in extrem langsamer Zeitlupe“, sagt er. Grantham sieht einen dramatischen Crash voraus: „Eine bedeutende amerikanische Bank wird pleitegehen, die Hälfte aller Hedgefonds sowie ein bedeutender Anteil aller Private-Equity-Firmen Konkurs gehen. Der amerikanische Aktienindex S&P 500 wird um mindestens 40 Prozent fallen.“ Doch das alles, so glaubt Grantham, passiert erst nach 2008.
Jeremy Grantham ist in den USA kein unbeschriebenes Blatt: Er führt mit Grantham Mayo Van Otterloo (GMO) die größte unabhängige Vermögensverwaltung der USA. Zurzeit hat er mehr als 150 Milliarden Dollar unter seinen Fittichen. Grantham leistet es sich, bei seinen Kunden wählerisch zu sein: Die Mindestanlagesumme beträgt fünf Millionen Dollar. Zu seiner Klientel gehören US-Vizepräsident Dick Cheney und der Verlierer der vergangenen Präsidentschaftswahl, US-Senator John Kerry. Zu den Firmenkunden zählen die Weltbank sowie der Ölkonzern Exxon Mobile. Kurzum: Der Mann hat zu viele Investoren überzeugt, als dass man seine Meinung als die eines ewigen Bären abtun kann.
„Jede Blase findet ihr Ende"
Von seinem Büro im Bostoner Hafen aus blickt Grantham jeden Tag auf die Gewässer, in denen 1773 die Boston Tea Party stattfand – der Startschuss des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs. „Ich glaube an die Kraft der Geschichte“, sagt der 68-Jährige. Mit nichts hat sich Grantham so sehr befasst wie mit Wendepunkten in der Wirtschaftsgeschichte und Spekulationsblasen an den Märkten. Er zählt 27 Beispiele von Boom und anschließendem Crash auf, darunter die Abstürze aus dem Jahr 1929 und 1987. Sein Lieblingsbeispiel aber ist die russische Weizenhausse. Zwischen 1857 und 1860 machten Großgrundbesitzer riesige Gewinne, als nach der Wirtschaftskrise weltweit die Preise für Weizen stiegen. Nach drei Jahren zog die Produktion jedoch an, und der Preis stürzte ab.
Grantham hat für sich festgelegt: „Jede Blase findet ihr Ende, und wenn der Markt einmal fällt, macht er nicht Halt bei dem langfristigen fairen Wert“, sagt er. Inmitten der Interneteuphorie 1998 stellte sich Grantham gegen den Markt und verkaufte amerikanische Aktien. Seine Kunden reagierten empört – so viele zogen ihre Gelder ab, dass sich das von GMO verwaltete Geld auf nur noch 20 Milliarden Dollar halbierte. Stoisch nahm Grantham den Mittelabfluss hin. Zweieinhalb Jahre hielt er die weiter gen Himmel steigenden Kurse aus: „Jeden Tag ging der Markt nach oben, und unsere Einlagen fielen. Das war recht unangenehm“, sagt er mit dem für ihn typischen britischen Understatement. Erst mit dem Crash vom März 2000 behielt er doch noch recht. „Das Wissen um die Geschichte von Crashs stärkte mir das Rückgrat.“
Seitdem gilt Grantham unter konservativen reichen Anlegern in den USA als Geheimtipp: „Das Geld fließt hübscher zurück, als ich je zu hoffen gewagt hätte“, lächelt Grantham, ein hagerer und hochgewachsener Mann – allein in den vergangenen zwei Jahren waren es 50 Milliarden Dollar. „Ich hoffe einfach nur, dass unsere Kunden uns dieses Mal ein bisschen mehr vertrauen“, sagt der Geldprofi.
Er glaubt, dass der Markt nach der Internetblase 2000 nicht heftig genug abgestürzt ist. Zudem habe sich durch die Spekulationen mit Krediten eine zusätzliche Blase aufgebaut. Einen echten Bärenmarkt erkennt er erst an, wenn der S&P 500 den historischen Mittelwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses, der seiner Berechnung nach bei 16 liegt, deutlich unterschreitet. Zurzeit liegt der Wert bei 15,5.
Grantham, der Dauer-Pessimist
Mit Fehlspekulationen hat Grantham schon selbst genug Erfahrung gemacht. Ende der 60er-Jahre, als Grantham die Harvard Business School absolviert hatte, begann er seine Berufslaufbahn als Unternehmensberater – während die meisten seiner Freunde ins Aktiengeschäft einstiegen. Damals war die sogenannte Nifty-Fifty-Hausse in vollem Schwung. Große amerikanische Aktien liefen wie geschmiert. Seine Freunde gaben Grantham den heißen Tipp, eine Aktie namens American Raceways zu kaufen, die die Formel1 in Amerikas Großstädten einführen wollte. Grantham kaufte im Sommer 300 Aktien zu sieben Dollar – binnen drei Wochen verdreifachten sich die Papiere. „Ich tat, was jeder gute Value-Anleger tun würde“, witzelt Grantham: „Ich verkaufte alle anderen Papiere, nahm einen Kredit auf und setzte alles auf Raceways.“ Zu Weihnachten standen die Aktien bei 100 Dollar. „Für meinen britischen Standard war ich reich.“ Grantham bot um ein viktorianischen Haus, dass er in bar hätte bezahlen können. Zu seinem Pech erhielt er nicht den Zuschlag, sondern kaufte die nächsten Zockerpapiere, Market Monitor Datasystem. Die Aktie brach zusammen. Grantham schaffte den Absprung gerade noch rechtzeitig, um seinen Wertpapierkredit zurückzuzahlen – von seinem einstigen Reichtum verblieben ihm ganze 6000 Dollar. „Alles auf einmal zu verlieren hat einen riesigen Vorteil“, sagt Grantham. „Man lernt seine Lektion.“ Manche Kollegen halten das für übertrieben: „Granthams Äußerungen würde ich nie zu 100 Prozent für bare Münze nehmen“, sagt Russ Kinnel, Chef der Fondsanalyse beim Ratingunternehmen Morningstar. „Er ist einfach stets pessimistisch eingestellt.“ Immerhin sah er genug Gewinnchancen, dass er 1973 in das Geschäft mit vermögenden Kunden einstieg. Und der Brite sieht sich selbst keinesfalls als Dauerbär. 1982 erntete Grantham Ruhm, als er zu Recht einen langjährigen Bullenmarkt voraussagte. 1993 setzte er erneut korrekt auf steigende Preise in Emerging-Market-Aktien. „Ich bin kein Pessimist, denn das würde sich ja auch in anderen Aspekten meines Lebens äußern“, sagt Grantham. „,Emotionslos' ist eine viel zutreffendere Beschreibung meines Charakters.“
Der Profi rät zu Blue-Chips
Seine Strategie am Aktienmarkt fasst er mit folgenden Worten zusammen: „Wir versuchen das Verhalten der Idioten vorherzusehen und vermischen das mit der Überzeugung, dass langfristig alle Übertreibungen wieder zu ihrem Durchschnittwert zurückfinden.“ Heute empfiehlt er den Anlegern, sicherzugehen, dass sie ihr Geld ausschließlich in soliden Blue Chips angelegt haben: „Riesengroße Unternehmen haben ihre Kunden auf der ganzen Welt verteilt und können, so sie es überhaupt müssen, zu günstigeren Konditionen Geld leihen. Kleinere Unternehmen sind häufiger hoch verschuldet und hängen von einer kleineren Kundenbasis ab“, sagt er.
Doch wie lange kann man sich an die großen Aktien halten? Auch hier hat Grantham eine ganz klare Vorstellung: „2007 ist ein spekulatives Jahr, 2008 bleibt unverändert, und erst danach, 2009 und 2010, dann töten wir das Biest.“
www.welt.de/finanzen/article1168690/...sh_kommt_erst_noch.html
Ein Mann sieht schwarz: Für den Vermögensverwalter Jeremy Grantham sind die aktuellen Abwärtsschwünge am Aktienmarkt erst der Anfang: „In den vergangenen zwölf Jahren war ich oft zu pessimistisch. Jetzt aber fühle ich mich, als beobachtete ich ein Zugunglück in extrem langsamer Zeitlupe“, sagt er. Grantham sieht einen dramatischen Crash voraus: „Eine bedeutende amerikanische Bank wird pleitegehen, die Hälfte aller Hedgefonds sowie ein bedeutender Anteil aller Private-Equity-Firmen Konkurs gehen. Der amerikanische Aktienindex S&P 500 wird um mindestens 40 Prozent fallen.“ Doch das alles, so glaubt Grantham, passiert erst nach 2008.
Jeremy Grantham ist in den USA kein unbeschriebenes Blatt: Er führt mit Grantham Mayo Van Otterloo (GMO) die größte unabhängige Vermögensverwaltung der USA. Zurzeit hat er mehr als 150 Milliarden Dollar unter seinen Fittichen. Grantham leistet es sich, bei seinen Kunden wählerisch zu sein: Die Mindestanlagesumme beträgt fünf Millionen Dollar. Zu seiner Klientel gehören US-Vizepräsident Dick Cheney und der Verlierer der vergangenen Präsidentschaftswahl, US-Senator John Kerry. Zu den Firmenkunden zählen die Weltbank sowie der Ölkonzern Exxon Mobile. Kurzum: Der Mann hat zu viele Investoren überzeugt, als dass man seine Meinung als die eines ewigen Bären abtun kann.
„Jede Blase findet ihr Ende"
Von seinem Büro im Bostoner Hafen aus blickt Grantham jeden Tag auf die Gewässer, in denen 1773 die Boston Tea Party stattfand – der Startschuss des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs. „Ich glaube an die Kraft der Geschichte“, sagt der 68-Jährige. Mit nichts hat sich Grantham so sehr befasst wie mit Wendepunkten in der Wirtschaftsgeschichte und Spekulationsblasen an den Märkten. Er zählt 27 Beispiele von Boom und anschließendem Crash auf, darunter die Abstürze aus dem Jahr 1929 und 1987. Sein Lieblingsbeispiel aber ist die russische Weizenhausse. Zwischen 1857 und 1860 machten Großgrundbesitzer riesige Gewinne, als nach der Wirtschaftskrise weltweit die Preise für Weizen stiegen. Nach drei Jahren zog die Produktion jedoch an, und der Preis stürzte ab.
Grantham hat für sich festgelegt: „Jede Blase findet ihr Ende, und wenn der Markt einmal fällt, macht er nicht Halt bei dem langfristigen fairen Wert“, sagt er. Inmitten der Interneteuphorie 1998 stellte sich Grantham gegen den Markt und verkaufte amerikanische Aktien. Seine Kunden reagierten empört – so viele zogen ihre Gelder ab, dass sich das von GMO verwaltete Geld auf nur noch 20 Milliarden Dollar halbierte. Stoisch nahm Grantham den Mittelabfluss hin. Zweieinhalb Jahre hielt er die weiter gen Himmel steigenden Kurse aus: „Jeden Tag ging der Markt nach oben, und unsere Einlagen fielen. Das war recht unangenehm“, sagt er mit dem für ihn typischen britischen Understatement. Erst mit dem Crash vom März 2000 behielt er doch noch recht. „Das Wissen um die Geschichte von Crashs stärkte mir das Rückgrat.“
Seitdem gilt Grantham unter konservativen reichen Anlegern in den USA als Geheimtipp: „Das Geld fließt hübscher zurück, als ich je zu hoffen gewagt hätte“, lächelt Grantham, ein hagerer und hochgewachsener Mann – allein in den vergangenen zwei Jahren waren es 50 Milliarden Dollar. „Ich hoffe einfach nur, dass unsere Kunden uns dieses Mal ein bisschen mehr vertrauen“, sagt der Geldprofi.
Er glaubt, dass der Markt nach der Internetblase 2000 nicht heftig genug abgestürzt ist. Zudem habe sich durch die Spekulationen mit Krediten eine zusätzliche Blase aufgebaut. Einen echten Bärenmarkt erkennt er erst an, wenn der S&P 500 den historischen Mittelwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses, der seiner Berechnung nach bei 16 liegt, deutlich unterschreitet. Zurzeit liegt der Wert bei 15,5.
Grantham, der Dauer-Pessimist
Mit Fehlspekulationen hat Grantham schon selbst genug Erfahrung gemacht. Ende der 60er-Jahre, als Grantham die Harvard Business School absolviert hatte, begann er seine Berufslaufbahn als Unternehmensberater – während die meisten seiner Freunde ins Aktiengeschäft einstiegen. Damals war die sogenannte Nifty-Fifty-Hausse in vollem Schwung. Große amerikanische Aktien liefen wie geschmiert. Seine Freunde gaben Grantham den heißen Tipp, eine Aktie namens American Raceways zu kaufen, die die Formel1 in Amerikas Großstädten einführen wollte. Grantham kaufte im Sommer 300 Aktien zu sieben Dollar – binnen drei Wochen verdreifachten sich die Papiere. „Ich tat, was jeder gute Value-Anleger tun würde“, witzelt Grantham: „Ich verkaufte alle anderen Papiere, nahm einen Kredit auf und setzte alles auf Raceways.“ Zu Weihnachten standen die Aktien bei 100 Dollar. „Für meinen britischen Standard war ich reich.“ Grantham bot um ein viktorianischen Haus, dass er in bar hätte bezahlen können. Zu seinem Pech erhielt er nicht den Zuschlag, sondern kaufte die nächsten Zockerpapiere, Market Monitor Datasystem. Die Aktie brach zusammen. Grantham schaffte den Absprung gerade noch rechtzeitig, um seinen Wertpapierkredit zurückzuzahlen – von seinem einstigen Reichtum verblieben ihm ganze 6000 Dollar. „Alles auf einmal zu verlieren hat einen riesigen Vorteil“, sagt Grantham. „Man lernt seine Lektion.“ Manche Kollegen halten das für übertrieben: „Granthams Äußerungen würde ich nie zu 100 Prozent für bare Münze nehmen“, sagt Russ Kinnel, Chef der Fondsanalyse beim Ratingunternehmen Morningstar. „Er ist einfach stets pessimistisch eingestellt.“ Immerhin sah er genug Gewinnchancen, dass er 1973 in das Geschäft mit vermögenden Kunden einstieg. Und der Brite sieht sich selbst keinesfalls als Dauerbär. 1982 erntete Grantham Ruhm, als er zu Recht einen langjährigen Bullenmarkt voraussagte. 1993 setzte er erneut korrekt auf steigende Preise in Emerging-Market-Aktien. „Ich bin kein Pessimist, denn das würde sich ja auch in anderen Aspekten meines Lebens äußern“, sagt Grantham. „,Emotionslos' ist eine viel zutreffendere Beschreibung meines Charakters.“
Der Profi rät zu Blue-Chips
Seine Strategie am Aktienmarkt fasst er mit folgenden Worten zusammen: „Wir versuchen das Verhalten der Idioten vorherzusehen und vermischen das mit der Überzeugung, dass langfristig alle Übertreibungen wieder zu ihrem Durchschnittwert zurückfinden.“ Heute empfiehlt er den Anlegern, sicherzugehen, dass sie ihr Geld ausschließlich in soliden Blue Chips angelegt haben: „Riesengroße Unternehmen haben ihre Kunden auf der ganzen Welt verteilt und können, so sie es überhaupt müssen, zu günstigeren Konditionen Geld leihen. Kleinere Unternehmen sind häufiger hoch verschuldet und hängen von einer kleineren Kundenbasis ab“, sagt er.
Doch wie lange kann man sich an die großen Aktien halten? Auch hier hat Grantham eine ganz klare Vorstellung: „2007 ist ein spekulatives Jahr, 2008 bleibt unverändert, und erst danach, 2009 und 2010, dann töten wir das Biest.“
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