Von wegen freie Marktwirtschaft. In solchen Situationen wirds wieder mal klar und deutlich was läuft:
"US-Banken humpeln an Staatskrücken
Bear Stearns ist die erste der US-Banken, die ohne staatliche Hilfe untergegangen wäre. Doch das ganze Finanzsystem hängt am Tropf der Notenbank.
Das der Finanzbranche nahe stehende Wirtschaftsmagazin «Barron's» brachte es am Wochenende auf den Punkt: Was die US-Notenbank in den letzten Wochen unternahm, hat nichts mit dem freien Markt zu tun, sondern ist schlicht und einfach ein «Bankers and Brokers Relief Program». Die Nothilfe für die Finanzhäuser kostete die Allgemeinheit bisher rund 400 Milliarden Dollar und band fast die Hälfte sämtlicher Reserven der US-Notenbank. Trotzdem erwarten Analysten, dass die Wallstreet-Häuser bis zu 20 Prozent des Personals freistellen müssen.
Noch nie seit der Depression der 1930er Jahre musste die Federal Reserve den Banken derart kräftig unter die Arme greifen; nicht beim Kollaps von 1000 Sparkassen in den frühen 1980er Jahren und nicht beim Debakel des LTCM-Hedge Fonds vor zehn Jahren. Ein Ende ist nicht in Sicht: Heute trifft sich das Finanz-Krisenteam der US-Regierung in Washington zu einer seiner seltenen Tagungen und erörtert weitere Auffangaktionen. Am Dienstag tritt dann die Notenbank zu einer Sitzung zusammen, von der Grosses erwartet wird. Nicht nur um 0,25 oder 0,5 Punkte, wie bis vor kurzem angenommen, sondern um einen vollen Prozentpunkt soll sie den Leitzins senken, hoffen die Wallstreet-Akteure.
Die Mär vom freien Markt
Die Kernfrage aber ist, wie weit die Notenbank gehen soll und darf, um Institute und deren Chefs zu stützen, die gerne den freien Markt bemühen, wenn sie ihre Profite und Boni rechtfertigen. Immer mehr Ökonomen befürchten, dass die Fed die kritische Grenze bereits überschritten hat. Ben Bernanke habe klar gemacht, dass er praktisch jedes Institut vor einem Kollaps retten werde, sagte Josh Rosner, Hypothekarexperte bei Graham Fisher, der «New York Times». «Es muss den Steuerzahlern und Gesetzgebern zu denken geben, wenn die Regierung Geld zu Lasten der Steuerzahler druckt, statt eine insolvente Institution dicht zu machen.»
Der staatliche Auskauf von Bear Stearns (TA vom Samstag) ist ein besonders anschauliches Beispiel: Das Finanzhaus gilt als aggressiv, unsolidarisch und verwegen. 1998 weigerte es sich als einzige Bank, dem Fed zu folgen und bei der LTCM-Rettung mitzumachen. Dafür kaufte Bear Stearns anschliessend dubiose Broker zusammen und setzte ihr Geld im Suprime-Casino ein. Ein klassisches Spekulationshaus, das deshalb auch keine Mittel von der Notenbank direkt beziehen darf. Weil die anderen Banken ebenfalls den Geldhahn zudrehten, stand das Institut letzte Woche kurz vor dem Kollaps.
Doch da nahte Superman Bernanke und schüttete sein Füllhorn aus. Er stellte via JP Morgan einen Sonderkredit bereit, der es erlauben sollte, die Bank zu stabilisieren und verkaufen. Als mögliche Käufer stehen JP Morgan Chase oder Barclays bereit. Das «Wall Street Journal» kommentierte den Vorgang leicht säuerlich: Man sei an sich gegen solche Staatskrücken, aber in diesem Fall sei klar, dass Bernanke einen Dominoeffekt auf andere Banken befürchtet und ein Haus gerettet habe, das eigentlich den Untergang verdient hätte.
Das chinesische Brokerhaus ITIC Securities überdenkt inzwischen ihre angekündigten Pläne, sich für eine Milliarde Dollar bei Bear Stearns einzukaufen. Aus Sicht der Steuerzahler ist besonders stossend dass es Bernanke den Banken erlaubt hat, für die Kredite von 400 Milliarden ihre Ramsch-Schuldscheine als Sicherheit zu hinterlegen; Papiere, von denen niemand weiss, was sie wert sind. Anzunehmen ist somit, dass die kalte Sozialisierung der Bankverluste weitergeht".
Quelle:
tagesanzeiger.ch/dyn/news/wirtschaft/852082.html
"US-Banken humpeln an Staatskrücken
Bear Stearns ist die erste der US-Banken, die ohne staatliche Hilfe untergegangen wäre. Doch das ganze Finanzsystem hängt am Tropf der Notenbank.
Das der Finanzbranche nahe stehende Wirtschaftsmagazin «Barron's» brachte es am Wochenende auf den Punkt: Was die US-Notenbank in den letzten Wochen unternahm, hat nichts mit dem freien Markt zu tun, sondern ist schlicht und einfach ein «Bankers and Brokers Relief Program». Die Nothilfe für die Finanzhäuser kostete die Allgemeinheit bisher rund 400 Milliarden Dollar und band fast die Hälfte sämtlicher Reserven der US-Notenbank. Trotzdem erwarten Analysten, dass die Wallstreet-Häuser bis zu 20 Prozent des Personals freistellen müssen.
Noch nie seit der Depression der 1930er Jahre musste die Federal Reserve den Banken derart kräftig unter die Arme greifen; nicht beim Kollaps von 1000 Sparkassen in den frühen 1980er Jahren und nicht beim Debakel des LTCM-Hedge Fonds vor zehn Jahren. Ein Ende ist nicht in Sicht: Heute trifft sich das Finanz-Krisenteam der US-Regierung in Washington zu einer seiner seltenen Tagungen und erörtert weitere Auffangaktionen. Am Dienstag tritt dann die Notenbank zu einer Sitzung zusammen, von der Grosses erwartet wird. Nicht nur um 0,25 oder 0,5 Punkte, wie bis vor kurzem angenommen, sondern um einen vollen Prozentpunkt soll sie den Leitzins senken, hoffen die Wallstreet-Akteure.
Die Mär vom freien Markt
Die Kernfrage aber ist, wie weit die Notenbank gehen soll und darf, um Institute und deren Chefs zu stützen, die gerne den freien Markt bemühen, wenn sie ihre Profite und Boni rechtfertigen. Immer mehr Ökonomen befürchten, dass die Fed die kritische Grenze bereits überschritten hat. Ben Bernanke habe klar gemacht, dass er praktisch jedes Institut vor einem Kollaps retten werde, sagte Josh Rosner, Hypothekarexperte bei Graham Fisher, der «New York Times». «Es muss den Steuerzahlern und Gesetzgebern zu denken geben, wenn die Regierung Geld zu Lasten der Steuerzahler druckt, statt eine insolvente Institution dicht zu machen.»
Der staatliche Auskauf von Bear Stearns (TA vom Samstag) ist ein besonders anschauliches Beispiel: Das Finanzhaus gilt als aggressiv, unsolidarisch und verwegen. 1998 weigerte es sich als einzige Bank, dem Fed zu folgen und bei der LTCM-Rettung mitzumachen. Dafür kaufte Bear Stearns anschliessend dubiose Broker zusammen und setzte ihr Geld im Suprime-Casino ein. Ein klassisches Spekulationshaus, das deshalb auch keine Mittel von der Notenbank direkt beziehen darf. Weil die anderen Banken ebenfalls den Geldhahn zudrehten, stand das Institut letzte Woche kurz vor dem Kollaps.
Doch da nahte Superman Bernanke und schüttete sein Füllhorn aus. Er stellte via JP Morgan einen Sonderkredit bereit, der es erlauben sollte, die Bank zu stabilisieren und verkaufen. Als mögliche Käufer stehen JP Morgan Chase oder Barclays bereit. Das «Wall Street Journal» kommentierte den Vorgang leicht säuerlich: Man sei an sich gegen solche Staatskrücken, aber in diesem Fall sei klar, dass Bernanke einen Dominoeffekt auf andere Banken befürchtet und ein Haus gerettet habe, das eigentlich den Untergang verdient hätte.
Das chinesische Brokerhaus ITIC Securities überdenkt inzwischen ihre angekündigten Pläne, sich für eine Milliarde Dollar bei Bear Stearns einzukaufen. Aus Sicht der Steuerzahler ist besonders stossend dass es Bernanke den Banken erlaubt hat, für die Kredite von 400 Milliarden ihre Ramsch-Schuldscheine als Sicherheit zu hinterlegen; Papiere, von denen niemand weiss, was sie wert sind. Anzunehmen ist somit, dass die kalte Sozialisierung der Bankverluste weitergeht".
Quelle:
tagesanzeiger.ch/dyn/news/wirtschaft/852082.html