Emotionale IntelligenzAusgehend von der Beobachtung, daß in den Industrieländern die Gewalttätigkeit stark steigt und die Vereinsamung zunimmt, beobachtet Daniel Coleman die Emotionen des Menschen. Er kommt zu dem Schluß, daß die emotionale Intelligenz stark nachläßt und von der Gesellschaft wieder mehr gefördert werden muß.
Der IQ (Intelligenz-Quotient) eines Menschen ist unabhängig von seiner sozialen Kompetenz. Das allgemein verbreitete Vorurteil, daß ein intelligenter Mensch "zufrieden", "erfolgreich" und "beliebt" sei, wird in diesem Buch vehemment bestritten. Die Thesen sind wie folgt: Menschen mit einem hohen IQ sind nicht besonders erfolgreich {55}
Zwischen Zeugnisnoten oder IQ und dem emotionalen Wohlbefinden besteht kein oder kaum ein Zusammenhang. {80}
Die Fähigkeit zur Impulskontrolle ist ein wichtiger Indikator für Erfolg: In einer Studie langfristigen Studie in den 60er Jahren wurden vierjährige Kinder auf die Probe gestellt. Wenn sie es schafften für 20 Minuten einem Bonbon zu widerstehen, bekämen sie einen Marshmallow. Es zeigte sich, daß diejenigen Kinder, die widerstehen konnten, 12 Jahre später eine höhere soziale Kompetenz aufwiesen, selbstbewußter waren, mit Frustrationen besser umgingen und in der Schule mehr Erfolg hatten. Dabei erwies sich der Marschmallow-Test als ein doppelt so gutes Kriterium, wie der IQ-Test. {109ff}
Wer mit seinen Ängsten besser umgehen kann und allgemein ein optimistischerer Mensch ist, wir mehr Leistung erbringen können und ein erfolgreicherer Mensch sein. Auch hier erwies sich der Optimismus als ein besseres Kriterium, als der IQ.{112ff} Der amerikanische Psychologe Seligman (ein passender Name) untersuchte den Einfluß von Optimismus auf Leistungsfähigkeit. Er überredete ein Versicherungs-Unternehmen eine spezielle Gruppe von Bewerbern einzustellen, die bei einem Optimiumus-Test sehr gut abgeschnitten hatten, aber bei den üblichen Einstellungstests [...] durchgefallen waren. Diese Gruppe übertraf die Verkäufe der Pessimisten im ersten Jahr um 21%, im zweiten um 57%." {118}
Wahre Höchstleistung bringt der Mensch dann, wenn er "im Fluß" ist, also ohne bewußte Anstrengung sein Gehirn arbeiten läßt. {119ff}
"Unter 1011 getesteten Kindern waren diejenigen, die nonverbal Gefühle zu deuten verstanden, die beliebtesten in ihrer Klasse und die emotional stabilsten. Sie waren auch in der Schule erfolgreicher, obwohl ihr IQ im Durchschnitt nicht höher war als der von Kindern, die im Deuten nonverbaler Mitteilungen weniger gut waren. [...] Nach einer Faustregel der Kommunikationforscher ist eine emotionale Mitteilung zu 90 oder mehr Prozent nonverbal." {128f}
Es gibt Neuronen im Sehzentrum, die speziell dafür verantwortlich sind, Emotionen des Gegenüber zu deuten. Anhand spezieller Gehirnverletzungen können einige Menschen prinzipiell die Gefühle der Mitmenschen anhand von Photos nicht erkennen. Das Training dieser Gehrinareale in der Kindheit eines Menschen können über seine spätere emotionale Intelligenz bestimmen. {135f}
Es gibt Studien in Amerika und Deutschland, daß Menschen mit großer Empathie (Fähigkeit des Mitfühlens) dazu tendieren, daß Mittel entsprechend des jeweiligen Bedarfs verteilt werden sollten. Hingegen meinen Menschen mit weniger Empathie, daß das Leistungsprinzip gelten sollte. {139}
Mädchen lernen in ihrer Kindheit einen viel intensiveren Umgang mit ihren Emotionen. Mädchen erhalten mehr Informationen über Emotionen, als Jungen. Mädchen werden Emotionen mehr erklärt, Jungen werden mehr über die Folgen von Taten aufgeklärt. {169}
Männer reden in der Ehe weniger über Gefühle und schätzen die Ehe mit ihrer Frau tendenziell positiver ein, als die Frau dies tun würde. {171}
Im Kapitel "Seele und Medizin" geht der Autor ausführlich auf die Psychoneuro-Immunologie und Placebos ein. {210-238} Hier werden speziell Auswirkungen von Ängsten bzw. Hoffnung auf die Gesundheit betrachtet: So gesunden psychologisch gut betreute Patienten nach einer Operation 2 bis 3 Tage früher!
Der vierte Teil des Buches "Fenster der Gelegenheit" betrachtet die familiären Einflüsse auf die Emotionen des Kindes {239-291}
Der fünfte Teil "Emotionale Bildung" {291-386} zeigt zum Beispiel anhand spezieller Schulen, daß emotionale Intelligenz vermittelbar ist und den Kindern sehr gut tut.
Zwar ist es fragwürdig, ob es 420 Seiten bedarf, um das Thema der emotionalen Intelligenz zu beschreiben; doch dieses Buch hat einige "Rosinen", wie sie zum Teil oben zu finden sind. Allen intellekt-gelenkten Menschen kann dieses Buch einiges geben - wenn man(n) sich darauf einläßt. Somit ist dieses Buch durchaus lesenswert und hat Einfluß auf das eigene (emotionale) Leben.
Quelle:
"Emotionale Intelligenz" in der Originalausgabe "Emotional Intelligence. Why it can matter more than IQ." von Daniel Goldman, die 5. Auflage ist erschienen 1996 im Carl-Hanser-Verlag.