FRANKFURT/M.Trotz des Aufwärtstrends rechnen Fachleute damit, dass auch die Zahl der Übernahmen größer werden wird: „Neben den Kooperationen werden Zukäufe und Fusionen für die Branche zusehends attraktiver, um ihre Entwicklung von Produkten voranzubringen“, heißt es etwa in der jüngsten Analyse des amerikanischen Investmentbankers und Biotechspezialisten Steven Burrill.
Als möglicher Auslöser für Übernahmen gilt unter anderem die Tatsache, dass sich das Klima für Biotech-Börsengänge in den USA wieder abgekühlt hat. Kleinere Firmen sind damit wieder stärker auf alternative Finanzierungsquellen angewiesen.
Zum anderen offenbaren sich, ungeachtet der insgesamt soliden Branchendaten, bei einigen Firmen ähnliche Probleme wie im Pharmasektor. Das heißt, angesichts der erreichten Größe wird die Luft für weiteres Wachstum dünner. „Einige große Biotechfirmen haben zudem gewisse Lücken in ihrer Entwicklungs-Pipeline“, so Nora Frey, Biotech-Expertin bei dem Schweizer Fonds-Manager Adamant. „Sie müssen daher zunehmend Produktlizenzen oder auch Unternehmen zukaufen.“
Ein typisches Beispiel lieferte vor wenigen Tagen die britische Shire Plc mit der Übernahme des amerikanischen Biotechunternehmens TKT. Als Kandidat für eine Akquisition gilt ferner Biogen-Idec, die vor wenigen Wochen ihren wichtigsten Hoffnungsträger, das Medikament Tysabri, vom Markt nehmen musste. Bei dem hochgelobten Mittel gegen Multiple Sklerose (MS) offenbarte sich überraschend ein erhöhtes Risiko für gefährliche Infektionen.
Für die Schweizer Serono-Gruppe hat sich damit zwar die Konkurrenzlage entspannt. Die Produktpipeline des größten europäischen Biotechunternehmens gilt nach einigen Ausfällen aber als relativ schlecht bestückt. Serono versucht, dies vor allem durch Kooperation mit kleineren Biotechfirmen zu kompensieren. Gestern besiegelte man zum Beispiel einen Deal mit der dänischen Genmab. Und bereits vor einigen Monaten erwarb Serono Rechte an einem neuen Krebswirkstoff der Münchner Micromet AG. Etliche Analysten gehen indes davon aus, dass das Unternehmen über kurz oder lang auch einen größeren Zukauf riskieren muss, will es nicht selbst zum Übernahmekandidaten zu werden.
In einer ähnlichen Situation bewegen sich die US-Firma Medimmune, deren Impfstoff Flumist sich als Misserfolg entpuppte, oder das Genomics-Unternehmen Millennium Pharmaceuticals, bei dem sich hochgesteckte Erwartungen an die Forschung bisher nicht erfüllten.
Fusion oder Übernahme ist dabei längst kein Fremdwort mehr für die Branche. Die letzte größere Übernahmewelle liegt gerade zwei bis drei Jahre zurück und führte unter anderem zum Merger von Biogen und Idec sowie zur Übernahme von Immunex durch den Branchenführer Amgen.
Allerdings hat sich die Spielwiese für die Biotechs insofern etwas verändert, als in jüngerer Zeit auch große Pharmakonzerne wieder aktiver in diesem Revier auf die Pirsch gehen. Zwar hat das die Bewertungen noch nicht nach oben getrieben. Doch zumindestens tendenziell hat sich der Wettbewerb um kleinere Biotechfirmen mit Produkt-Kandidaten damit intensiviert. Am Wochenende gab zum Beispiel die britische Glaxo-Smithkline den Erwerb der US-Firma Corixa für 300 Mill. Dollar bekannt. Der amerikanische Konzern Johnson & Johnson erwarb vor kurzem Transform Pharmaceuticals, einen Spezialisten für neue Darreichungsformen von Wirkstoffen.
Auch der Branchenführer Pfizer, der zur Zeit eine Wachstumsdelle verkraften muss, ist auf dem Gebiet aktiv. Bereits im ersten Quartal erwarb er die beiden amerikanischen Biotechfirmen Angiosyn und Idun für jeweils etwa eine halbe Milliarde Dollar. Und der Appetit des Pharmariesen ist damit offenbar noch nicht gestillt. Biotech sei ein günstiges Feld zum Zukaufen, deutete Firmenchef Hank McKinell auf der jüngsten Investorenkonferenz an: „Die Preise sind niedrig.“