AFGHANISTAN
Nordallianz erobert angeblich Kandahar
Nach Kabul hat die Nordallianz offenbar einen weiteren großen Sieg in Afghanistan errungen. Der US-Verbündete eroberte angeblich die Taliban-Hochburg Kandahar. Zuvor war auch die Stadt Dschalalabad eingenommen worden.
Die Kämpfer der Nordallianz eroberten in den vergangenen Tagen große Teile Afghanistans
Kairo - Der arabische TV-Senders Al-Dschasira berichtete über die Eroberung Kandahars. Er berief sich auf einen Sprecher der Nordallianz.
Nach ihrer Flucht aus Kabul hatten die Taliban mit Dschalalabad eine zweite strategisch wichtige Stadt verlassen. Die in Pakistan ansässige afghanische Nachrichtenagentur AIP meldete am Mittwoch, die Taliban seien nicht von der Nordallianz vertrieben worden, sondern hätten die Macht in der südafghanischen Stadt an den Mudschahidin Mohammed Junis Chalis übergeben.
US-Flugzeuge hatten Berichten der Nachrichtenagentur AIP zufolge während der vergangenen Nacht den Flughafen und Militäreinrichtungen Dschalalabads sowie Stellungen bei Chost nahe der Grenze zu Pakistan bombardiert. Der US-Fernsehsender CNN berichtete auch von schweren Kämpfen im Gebiet der Taliban-Hochburg Kandahar in Südafghanistan.
Führer der Nordallianz sagten nach Angaben des britischen Fernsehsenders Sky News, die Stadt werde "innerhalb von Stunden" fallen. CNN zitierte US-Außenminister Colin Powell mit den Worten, die Herrschaft der Taliban stehe möglicherweise vor ihrem Ende. Ein Nordallianz-Kommandeur sprach von Aufständen im Süden des Landes gegen die Taliban.
Nach Angaben der Nordallianz-Befehlshaber wurden mittlerweile 3000 Soldaten in Kabul stationiert, um für Ordnung zu sorgen. Panzer rollten durch die Straßen, während im Stadtgebiet Taliban-Kämpfer festgenommen wurden. Es handele sich aber nicht um eine Besetzung, hieß es weiter. Der Außenminister der Nordallianz, Abdullah Abdullah, lud alle afghanischen Gruppen mit Ausnahme der Taliban ein, nach Kabul zu kommen, um dort über die Zukunft des Landes zu verhandeln.
Die Nordallianz hatte Kabul gestern überraschend eingenommen
Unterdessen legte der Uno-Gesandte für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, einen Zweijahresplan vor, in dem eine Übergangsregierung sowie eine multinationale Friedenstruppe vorgesehen ist. US-Präsident George W. Bush sagte in Washington, dass die USA mit der Nordallianz in Kontakt stehe, um die Wahrung der Menschenrechte in den eroberten Gebieten sicher zu stellen.
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld äußerte sich gestern Abend zufrieden über das bisher in Afghanistan Erreichte. Zugleich wies er jedoch in Washington darauf hin, dass die USA noch weit von ihren Zielen entfernt seien. Es bleibe höchste Priorität, die Führer der Terrororganisation al-Qaida und der Taliban zu stellen. Er bestätigte, dass sich eine kleine Zahl amerikanischer Soldaten in Kabul aufhalte, die allerdings nicht in der Lage sei, etwaige Übergriffe zu verhindern.
Das britische Verteidigungsministerium versetzte am Mittwoch mehrere tausend Soldaten für einen Einsatz in Afghanistan in Bereitschaft. Die Soldaten, die größtenteils noch in Großbritannien sind, sollen innerhalb der nächsten 48 Stunden einsatzbereit sein, hieß es. Sie sollen den Angaben zufolge nicht für Angriffe auf die Taliban eingesetzt, sondern als stabilisierende Kräfte in den Städten eingesetzt werden, die die Nordallianz in den vergangenen Tagen eingenommen hat. Einen Einsatzbefehl gebe es noch nicht. Man wolle lediglich auf die sich schnell ändernde Situation in Afghanistan reagieren können, teilte das Ministerium weiter mit. Bislang befinden sich bereits 200 Marinesoldaten in der Region, außerdem eine unbekannte Zahl Sondereinsatzkräfte.
Der Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte, General Richard Myers, erklärte am Dienstag, die Herrschaft der Taliban sei nach den jüngsten Erfolgen der Nordallianz auf den Süden Afghanistans beschränkt. Aber auch dort seien sie wegen der US-Luftangriffe und einheimischer Widerstandsgruppen nicht sicher, sagte der Vorsitzende des gemeinsamen Generalstabs der Teilstreitkräfte. Auch US-Spezialtruppen seien im Süden stationiert, sagte Myers, ohne nähere Angaben zu machen.
Quelle: Reuters