25.08.2006 - 10:41 Uhr
Evotec: Schlafmittel ist erster Kandidat für Auslizenzierung
DÜSSELDORF (Dow Jones)--Die Evotec AG, Hamburg, rechnet damit, dass ihr Wirkstoff gegen Schlafstörungen als erstes Projekt aus eigener Entwicklung auslizenziert werden kann. "Da der grundsätzliche Wirkmechanismus bekannt und belegt ist, hat dieses Projekt das geringste Risiko unter den eigenen Entwicklungen und ist zudem am weitesten fortgeschritten", sagte der Vorstandsvorsitzende des Biotechnologie-Unternehmens, Jörn Aldag, im Gespräch mit Dow Jones Newswires. Evotec will bis zum Jahresende 2008 für mindestens ein Produkt einen Partner finden.
Die Arznei EVT 201 solle "noch im dritten Quartal" in der klinischen Phase II an Patienten mit echten Schlafstörungen untersucht werden. Es stehe nur noch die endgültige Genehmigung der US-Zulassungsbehörde FDA für diese Phase aus. Die Studie könne dann voraussichtlich relativ schnell abgeschlossen werden, denn der Erfolg von Schlafmitteln, gemessen unter anderem an der verringerten Häufigkeit des Aufwachens und der gesamten Schlafdauer, lasse sich genau und objektiv messen. In den bisherigen Untersuchungen war der Schlaf gesunder Probanden durch simulierten Verkehrslärm künstlich gestört worden.
Sollte das Mittel in der Phase II ähnlich gute Ergebnisse wie in der jetzt abgeschlossenen Untersuchung an Gesunden liefern, sieht Aldag in EVT 201 ein Mittel mit deutlichen Vorteilen gegenüber bisherigen Schlafpräparaten. Das Mittel baue sich im Körper langsamer ab und soll daher ein besseres Durchschlafen ermöglichen. Gleichzeitig wirke es sanfter und sollte daher nicht vergleichbare katerähnliche Effekte haben, wie sie von anderen Schlafmitteln bekannt sind.
Die weitere Entwicklung der beiden Wirkstoffe gegen die Alzheimersche Krankheit, den beiden anderen eigenen Projekten in klinischen Studien, hängt dagegen nicht allein von Evotec ab. Denn für das Projekt EVT 101, das die Auswirkungen der Gehirnerkrankung mildern soll, hat der Pharmakonzern Roche ein Rückkaufrecht, über das die Schweizer nach dem erfolgreichen Abschluss der Studie I in den kommenden Wochen entscheiden müssen.
Übt Roche die Option aus und nimmt den Stoff zurück, ist das Projekt für Evotec erfolgreich abgeschlossen, und dem Unternehmen fließt Kapital für die Entwicklung der anderen Projekte zu. Dazu gehören Einmalzahlungen und langfristige Erfolgsbeteiligungen. Sollte EVT 101 dagegen in Hamburg bleiben, hat das Biotechnologie-Unternehmen ein aussichtsreiches Projekt mehr, muss aber seine finanziellen Ressourcen anders verteilen als bei einer Abgabe des Wirkstoffes, gibt Aldag zu bedenken.
Großes Potenzial sieht Aldag auch für das dritte Projekt, den Wirkstoff EVT 301, der nicht die Symptome der Alzheimerschen Erkrankung lindern, sondern den Verlauf der Krankheit selbst verlangsamen soll. Im Wettbewerb mit den zahlreichen Pharmakonzernen, die ebenfalls auf der Suche nach einem Mittel gegen die Erkrankung sind, sieht Aldag sein Unternehmen mit EVT 301 gut positioniert. Denn bisher gebe es keinen anderen Wirkmechanismus, der in klinischen Untersuchungen eindeutig gezeigt habe, dass er die Geschwindigkeit der Abbauprozesse im Gehirn verlangsamen könne.
Unabhängig von der Entwicklung dieser drei wichtigsten Projekte in der eigenen Pipeline profitiert Evotec nach Einschätzung von Aldag von einem Trend in der Pharmaindustrie, Forschungsleistungen dazuzukaufen. Diese Auslagerung ermögliche es den Pharmaunternehmen, ihre Kosten unter Umständen schnell zu senken. "Einlizenzierungen von Projekten der klinischen Phasen I und II haben zugenommen, das Interesse richtet sich mittlerweile auch auf Projekte in früheren Phasen", sagte Aldag.
Dabei verschwinde bei Evotec allmählich die Trennung zwischen dem Dienstleistungsangebot und der eigenen Wirkstoffentwicklung. Denn das Unternehmen sei zunehmend bereit, Umsätze aus Forschungskooperationen auch an Forschungserfolge zu knüpfen, also auch selbst Risiko zu übernehmen, statt reine Auftragsarbeiten auszuführen.
"Das könnte zwar kurzfristigen Druck auf die Margen erzeugen - bietet dafür aber langfristig höhere Chancen", erklärte Aldag. Erfolgreiche Auftragsarbeit könne mit Meilensteinzahlungen, Umsatzbeteiligungen oder regionalen Vertriebsrechten honoriert werden. Eine einheitliche, typische Struktur von Verträgen gebe es bei Evotec deshalb nicht.