Frankfurt (ots) - Reden Alan Greenspan und Jean-Claude Trichet die
Konjunktur schön? Warum stimmen die Chefs der US-Notenbank und der
Europäischen Zentralbank (EZB) nicht in den Chor jener ein, die das
baldige Ende des erst 2003 begonnenen globalen Aufschwungs - des
stärksten seit vielen Jahren - prophezeien? Weil Notenbanker
fundamentale Faktoren stärker berücksichtigen: etwa dass
Konjunkturzyklen eine Eigendynamik haben, einem gewissen Muster
folgen, nicht völlig gradlinig verlaufen und dass ein Aufschwung
selten nach vier Quartalen vorbei ist. Vertraut man bei seiner
Analyse auf diese Faktoren, spricht zurzeit wenig dafür, dass der
aktuelle Aufschwung - ohne Einwirkung extremer Faktoren wie ein
längeres Ölpreishoch von 50,60 Dollar je Barrel (Brent) - seinen
Höhepunkt bereits hinter sich haben sollte.
Vom Konjunkturverlauf her erwarten die Geldpolitiker also keinen
günstigeren Inflationsausblick. Die US-Notenbank wird ergo auf
Zinserhöhungskurs bleiben, und die EZB diesem näher rücken. Wenn sie
übermorgen eine leicht höhere Inflationprojektion ihrer Experten für
2005 publiziert und der EZB-Rat seine "Wachsamkeit" wegen
"Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität" bekräftigt, sollte man das
als Trippelschritt in Richtung Ende der expansiven Politik deuten.
Seit Juni 2003 liegt der EZB-Leitzins auf dem historischen Rekordtief
von 2%.
Es mag ja sein, dass steigende Produktivität und mäßige Lohnrunden
den Preisdruck mindern. Doch dreierlei wird den Notenbankern
zunehmend Sorge bereiten: die über der EZB-Stabilitätsnorm von knapp
2% liegenden langfristigen Inflationserwartungen; das seit langem zu
starke Geldmengenwachstum, getrieben vom Niedrigzins. Es hat eine
riesige Überschussliquidität und damit ein Inflationspotenzial
generiert, das sich bei stärkerem Wirtschafts- und Kreditwachstum
mittelfristig entladen dürfte; und schließlich die Gefahr, dass die
Teuerung auch 2005 ohnehin über 2% verharrt. Zwar hält der EZB-Rat
noch an seiner These vom Inflationsrückgang 2005 fest, auch um nicht
voreilig Zinserhöhungserwartungen zu schüren. Doch das sollte sich in
den nächsten Wochen ändern: Die Euroland-Inflation ist zäh, das
Durchschlagen der Energie- auf die Konsumentenpreise oft stärker als
erwartet, und einige Euro-Staaten mit hohem Etatdefizit dürften
erneut Steuern und/oder Gebühren anheben.
Die EZB sollte nicht bis Frühjahr ruhig abwarten, sondern die
Zinswende noch vor Jahresende vollziehen. Geldpolitiker sind
gehalten, vorausschauend zu agieren, da ihre Zinsmaßnahmen über ein
Jahr brauchen, bis sie richtig wirken. Sie müssen um ihrer Reputation
willen stets demonstrieren: Bei Inflationsalarm wird nicht lange
gefackelt.
(Börsen-Zeitung, 31.8.2004)
Konjunktur schön? Warum stimmen die Chefs der US-Notenbank und der
Europäischen Zentralbank (EZB) nicht in den Chor jener ein, die das
baldige Ende des erst 2003 begonnenen globalen Aufschwungs - des
stärksten seit vielen Jahren - prophezeien? Weil Notenbanker
fundamentale Faktoren stärker berücksichtigen: etwa dass
Konjunkturzyklen eine Eigendynamik haben, einem gewissen Muster
folgen, nicht völlig gradlinig verlaufen und dass ein Aufschwung
selten nach vier Quartalen vorbei ist. Vertraut man bei seiner
Analyse auf diese Faktoren, spricht zurzeit wenig dafür, dass der
aktuelle Aufschwung - ohne Einwirkung extremer Faktoren wie ein
längeres Ölpreishoch von 50,60 Dollar je Barrel (Brent) - seinen
Höhepunkt bereits hinter sich haben sollte.
Vom Konjunkturverlauf her erwarten die Geldpolitiker also keinen
günstigeren Inflationsausblick. Die US-Notenbank wird ergo auf
Zinserhöhungskurs bleiben, und die EZB diesem näher rücken. Wenn sie
übermorgen eine leicht höhere Inflationprojektion ihrer Experten für
2005 publiziert und der EZB-Rat seine "Wachsamkeit" wegen
"Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität" bekräftigt, sollte man das
als Trippelschritt in Richtung Ende der expansiven Politik deuten.
Seit Juni 2003 liegt der EZB-Leitzins auf dem historischen Rekordtief
von 2%.
Es mag ja sein, dass steigende Produktivität und mäßige Lohnrunden
den Preisdruck mindern. Doch dreierlei wird den Notenbankern
zunehmend Sorge bereiten: die über der EZB-Stabilitätsnorm von knapp
2% liegenden langfristigen Inflationserwartungen; das seit langem zu
starke Geldmengenwachstum, getrieben vom Niedrigzins. Es hat eine
riesige Überschussliquidität und damit ein Inflationspotenzial
generiert, das sich bei stärkerem Wirtschafts- und Kreditwachstum
mittelfristig entladen dürfte; und schließlich die Gefahr, dass die
Teuerung auch 2005 ohnehin über 2% verharrt. Zwar hält der EZB-Rat
noch an seiner These vom Inflationsrückgang 2005 fest, auch um nicht
voreilig Zinserhöhungserwartungen zu schüren. Doch das sollte sich in
den nächsten Wochen ändern: Die Euroland-Inflation ist zäh, das
Durchschlagen der Energie- auf die Konsumentenpreise oft stärker als
erwartet, und einige Euro-Staaten mit hohem Etatdefizit dürften
erneut Steuern und/oder Gebühren anheben.
Die EZB sollte nicht bis Frühjahr ruhig abwarten, sondern die
Zinswende noch vor Jahresende vollziehen. Geldpolitiker sind
gehalten, vorausschauend zu agieren, da ihre Zinsmaßnahmen über ein
Jahr brauchen, bis sie richtig wirken. Sie müssen um ihrer Reputation
willen stets demonstrieren: Bei Inflationsalarm wird nicht lange
gefackelt.
(Börsen-Zeitung, 31.8.2004)