Innerhalb einer Woche hat der Rubel gestern zeitweilig 37% seines Wertes gegenüber dem US-Dollar eingebüßt. Gegenüber dem Euro war er 35% billiger geworden. Auch wenn die russische Währung ihre Verluste inzwischen zu einem guten Teil wettgemacht hat, ist sie derzeit so schwach wie nie zuvor.
Am vergangenen Donnerstag hatte die Russische Zentralbank Devisenreserven im Wert von knapp 85 Milliarden Rubel verkauft, um den Rubel zu stützen. Es war die erste Stützungskation seit zum ersten Mal seit Dezember 2014. Am darauffolgenden Tag fand die Intervention in einem geringeren Umfang statt. Gestern intervenierte die Zentralbank trotz Sanktionsdruck nicht. Der Grund: Ihre Vermögenswerte sind von der EU, den USA und Großbritannien eingefroren worden.
Zum 30. Juni 2021, dem letzten von der Zentralbank bekanntgegebenen Stand, entfielen 32,3% der russischen Devisenreserven auf Euro, 16,4% auf US-Dollar sowie 6,5% auf britische Pfund. Insgesamt stellten die drei Währungen also 55,2% der Reserven. Nach Schätzung von EU-Außenbeauftragtem Josep Borrell seien „mehr als die Hälfte der Zentralbank-Reserven“ durch Sanktionen blockiert.
Marktbeobachter gehen davon aus, dass gestern ein großer Marktspieler, beispielsweise aus dem Energiebereich anstelle der Zentralbank intervenierte und im großen Stil Rubel kaufte. Zudem haben die russische Zentralbank und das Finanzministerium weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des Rubelkurses ergriffen:
Exporteure, also in erster Linie Rohstoffförderer, wurden verpflichtet, wie in den krisenbehafteten 1990er Jahren, 80% ihrer Fremdwährungserlöse in Rubel zu konvertieren.
Russischen Zwischenhändlern wurde untersagt, Wertpapiere im Auftrag ausländischer Kunden zu verkaufen.
Der Aktienhandel an der Moskauer Börse wurde bis einschließlich 5. März ausgesetzt.
Als folgenschwer dürfte sich die Anhebung des Leitzinses von 9,5% auf 20% erweisen. Dies beschloss Zentralbank ebenfalls gestern. Dies wird zu höheren Darlehenszinsen für Bürger und Unternehmen führen. Die Regulierungsbehörde habe den Zinssatz „im Einklang mit der neuen Marktsituation gebracht“, die aufgrund der neuen Sanktionen entstanden sei, schreibt die Alfa-Bank-Chefökonomin Natalija Orlowa. Eine weitere Straffung der Geldpolitik könnte nicht ausgeschlossen werden, genauso weitere Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor, so Orlowa weiter.
Der Chefökonom der Raiffeisenbank, Stanislaw Muraschow, bezeichnete die Leitzins-Entscheidung der Zentralbank als eine „Notmaßnahme“, die „eher einen symbolischen als einen realen Wert“ habe. Der Schritt sei aber notwendig, um der russischen Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln und ihr Vertrauen in Banken aufrechtzuerhalten.
Die derzeitige Rubelschwäche wird die Inflation anheizen, solange russische Kunden in der Lage sind, große Mengen importierter Güter und Dienstleistungen zu finanzieren. Wenn der Rubel lange schwach bleibt, werden die Importe sinken, was diesen Effekt verringert. Gleichzeitig werden hohe Kreditzinsen und die vielen Unwägbarkeiten den privaten Konsum ausbremsen. Auch das dürfte mittelfristig dazu führen, dass die Inflation mittelfristig sinkt.