Anlegerverhalten
Fusionswelle heizt die Gerüchteküche an
12. August 2005 Die Euphorie an den Kapitalmärkten und der wiederbelebte Übernahmeeifer der Unternehmen verleitet die Anleger zunehmend dazu, sich von Gerüchten zum Aktienkauf leiten zu lassen. In dieser Woche sorgten unbestätigte und teils vage Übernahmegerüchte vermehrt dafür, daß die Aktien von Unternehmen wie Commerzbank oder Hochtief in die Höhe schossen.
„Der Markt ist derzeit sehr empfänglich dafür”, sagt ein Aktienhändler. „Nicht nur Meier, Müller und Schulz handeln darauf, sondern die ganze Finanzgemeinschaft, weil man Angst hat, das Nachsehen zu haben.” Experten warnen jedoch vor dem Spiel mit dem Gerüchtefeuer.
Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag
Für den Auftakt in der Gerüchteküche sorgten am Montag die Nokia-Aktien. Nach einem Zeitungsbericht, der ohne Quellen von einer möglichen Übernahme durch den Netzwerkhersteller Cisco berichtete, waren die Aktien des Handyherstellers um mehr als drei Prozent in die Höhe geschossen - auch nach einem umgehenden Dementi aus der finnischen Nokia-Zentrale.
Am Dienstag folgte dann Hochtief, als eine später von einem Analysten später als „recht abenteuerlich” bezeichneten Spekulation, der britische Konkurrent Wimpey interessiere sich für den Konzern, einen Kursanstieg von mehr als sieben Prozent auslöste.
Am Mittwoch war dann die Commerzbank an der Reihe, deren Kurs dank verschiedener Übernahmephantasien ebenfalls um mehr als sieben Prozent in die Höhe sprang. Das Unternehmen gilt schon seit längerer Zeit als Kandidat für eine Übernahme.
Am Donnerstag folgte schließlich Schering, deren Aktien sich an die Spitze der Dax-Gewinner setzte, nachdem Vermutungen über ein Interesse von Novartis an dem Pharmakonzern aufgekommen waren.
Besser, wenn keiner etwas weiß
Angesichts der nicht gerade nachrichtenarmen Zeit sei diese Häufung der Übernahmegerüchte schon ungewöhnlich, sagt Henning Gebhardt, Leiter deutsche Aktien der Fondsgesellschaft DWS. Das Spiel sei aber riskant, weil Unternehmen, die als Übernahmekandidaten gehandelt werden, oft im operativen Geschäft nicht gut dastünden. Die Gerüchte lösen dann mitunter ihren eigenen Untergang aus, weil das Unternehmen dank der Spekulationen zu teuer für eine Übernahme geworden ist. „Die Luft kann dann ganz schnell wieder rausgehen.” Zudem seien viele Gerüchte eher fragwürdig, denn „die besten Transaktionen sind die, von denen niemand die leiseste Ahnung hatte.”
Fondsgesellschaften wie die DWS setzen denn in ihrer Anlagestrategie zumeist nicht auf Gerüchte. Darauf reagierten eher kurzfristig orientierte Anleger wie Maklerhäuser und Handelsabteilungen von Banken, meint Wolfgang Gerke, Banken- und Börsenexperte der Universität Erlangen-Nürnberg. Mitunter seien auch Hedge-Fonds aktiv, diese gingen aber oft gezielter vor. Privatanlegern rät er, sich die Plausibilität der Spekulationen genauestens zu überlegen. Um die Transparenz zu verbessern, fordert Gebhardt, die Veröffentlichungspflichten für Übernahmeangebote ähnlich wie in Großbritannien auszuweiten.
Die Sensibilität für den Gerüchte-Wildwuchs macht die Aktienmärkte für Manipulationen anfällig. Es gebe Marktteilnehmer, die darauf spezialisiert seien, Gerüchte in die Welt zu setzen, sagt ein Aktienhändler. Zwar ist die "Kurs- und Marktpreismanipulation" nach dem Paragraph 20a des Wertpapiergesetzes (WpHG) strafbar, doch häufig schwer nachzuweisen.
Vor allem bei kleinen, kaum gehandelten Werten sei die Gefahr der Manipulation groß, sagte Anja Neukötter von der Aufsichtsbehörde Bafin. „Wir forschen da sehr genau nach.” Zum Teil mit Erfolg: Ende 2004 verurteilte das Amtsgericht München einen Anleger zu einer Geldstrafe, der 2002 in ein Internetforum eine fingierte Meldung der frei erfundenen Nachrichtenagentur „apx” eingestellt hatte. Darin stand, der Softwarehersteller SAP wolle die Mehrheit an Intershop erwerben. Die Aktie stieg in 30 Minuten um 16 Prozent, bis der Schwindel aufflog.
Quelle: F.A.Z., 13.08.2005, Nr. 187 / Seite 17
...be invested
Der Einsame Samariter
Fusionswelle heizt die Gerüchteküche an
12. August 2005 Die Euphorie an den Kapitalmärkten und der wiederbelebte Übernahmeeifer der Unternehmen verleitet die Anleger zunehmend dazu, sich von Gerüchten zum Aktienkauf leiten zu lassen. In dieser Woche sorgten unbestätigte und teils vage Übernahmegerüchte vermehrt dafür, daß die Aktien von Unternehmen wie Commerzbank oder Hochtief in die Höhe schossen.
„Der Markt ist derzeit sehr empfänglich dafür”, sagt ein Aktienhändler. „Nicht nur Meier, Müller und Schulz handeln darauf, sondern die ganze Finanzgemeinschaft, weil man Angst hat, das Nachsehen zu haben.” Experten warnen jedoch vor dem Spiel mit dem Gerüchtefeuer.
Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag
Für den Auftakt in der Gerüchteküche sorgten am Montag die Nokia-Aktien. Nach einem Zeitungsbericht, der ohne Quellen von einer möglichen Übernahme durch den Netzwerkhersteller Cisco berichtete, waren die Aktien des Handyherstellers um mehr als drei Prozent in die Höhe geschossen - auch nach einem umgehenden Dementi aus der finnischen Nokia-Zentrale.
Am Dienstag folgte dann Hochtief, als eine später von einem Analysten später als „recht abenteuerlich” bezeichneten Spekulation, der britische Konkurrent Wimpey interessiere sich für den Konzern, einen Kursanstieg von mehr als sieben Prozent auslöste.
Am Mittwoch war dann die Commerzbank an der Reihe, deren Kurs dank verschiedener Übernahmephantasien ebenfalls um mehr als sieben Prozent in die Höhe sprang. Das Unternehmen gilt schon seit längerer Zeit als Kandidat für eine Übernahme.
Am Donnerstag folgte schließlich Schering, deren Aktien sich an die Spitze der Dax-Gewinner setzte, nachdem Vermutungen über ein Interesse von Novartis an dem Pharmakonzern aufgekommen waren.
Besser, wenn keiner etwas weiß
Angesichts der nicht gerade nachrichtenarmen Zeit sei diese Häufung der Übernahmegerüchte schon ungewöhnlich, sagt Henning Gebhardt, Leiter deutsche Aktien der Fondsgesellschaft DWS. Das Spiel sei aber riskant, weil Unternehmen, die als Übernahmekandidaten gehandelt werden, oft im operativen Geschäft nicht gut dastünden. Die Gerüchte lösen dann mitunter ihren eigenen Untergang aus, weil das Unternehmen dank der Spekulationen zu teuer für eine Übernahme geworden ist. „Die Luft kann dann ganz schnell wieder rausgehen.” Zudem seien viele Gerüchte eher fragwürdig, denn „die besten Transaktionen sind die, von denen niemand die leiseste Ahnung hatte.”
Fondsgesellschaften wie die DWS setzen denn in ihrer Anlagestrategie zumeist nicht auf Gerüchte. Darauf reagierten eher kurzfristig orientierte Anleger wie Maklerhäuser und Handelsabteilungen von Banken, meint Wolfgang Gerke, Banken- und Börsenexperte der Universität Erlangen-Nürnberg. Mitunter seien auch Hedge-Fonds aktiv, diese gingen aber oft gezielter vor. Privatanlegern rät er, sich die Plausibilität der Spekulationen genauestens zu überlegen. Um die Transparenz zu verbessern, fordert Gebhardt, die Veröffentlichungspflichten für Übernahmeangebote ähnlich wie in Großbritannien auszuweiten.
Die Sensibilität für den Gerüchte-Wildwuchs macht die Aktienmärkte für Manipulationen anfällig. Es gebe Marktteilnehmer, die darauf spezialisiert seien, Gerüchte in die Welt zu setzen, sagt ein Aktienhändler. Zwar ist die "Kurs- und Marktpreismanipulation" nach dem Paragraph 20a des Wertpapiergesetzes (WpHG) strafbar, doch häufig schwer nachzuweisen.
Vor allem bei kleinen, kaum gehandelten Werten sei die Gefahr der Manipulation groß, sagte Anja Neukötter von der Aufsichtsbehörde Bafin. „Wir forschen da sehr genau nach.” Zum Teil mit Erfolg: Ende 2004 verurteilte das Amtsgericht München einen Anleger zu einer Geldstrafe, der 2002 in ein Internetforum eine fingierte Meldung der frei erfundenen Nachrichtenagentur „apx” eingestellt hatte. Darin stand, der Softwarehersteller SAP wolle die Mehrheit an Intershop erwerben. Die Aktie stieg in 30 Minuten um 16 Prozent, bis der Schwindel aufflog.
Quelle: F.A.Z., 13.08.2005, Nr. 187 / Seite 17
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Der Einsame Samariter