Börse als Orakel
Für die Anleger zählt nur die Zukunft
Wer kennt das nicht? Blühende ökonomische Landschaften mit Rekordgewinnen auf Unternehmensebene, mit noch immer historisch niedrigen Zinsen und im Hinblick auf Deutschland mit durchaus positiven politischen Perspektiven.
Hinzu kommt, dass die Wachstumsstory China nach wie vor stimmt. Ein Umfeld also, in dem Ökonomen und Analysten aus Börsensicht schon beinahe wagen, von einem Idealzustand und von der „besten aller Welten“ zu sprechen.
Kein Wunder also, dass die Marke von 5 000 Punkten im Deutschen Aktienindex (Dax) sowie von 11 000 Punkten im Dow-Jones-Index in New York von der an Börsen und Aktien interessierten Öffentlichkeit noch vor kurzem nicht mehr als wirklich unüberwindbare Hürden galten. Doch dann kam bekanntlich alles anders als gedacht. Die Stimmung trübte sich urplötzlich ein – ohne erkennbaren Grund, zunächst jedenfalls. Die Aktienkurse gehen seit einigen Tagen in die Knie. Und der Anleger, der sich noch vor kurzem möglicherweise durch positive Kommentare von Wertpapier-Analysten noch zum Einstieg in Aktien verleiten ließ, gewinnt so rasch den Eindruck, er sei im falschen Film.
So ist die Börse – unberechenbar und immer wieder für Überraschungen gut, für positive und negative. Man kann die jüngste Minuskorrektur an den Börsen als eine durch übliche Gewinnmitnahmen ausgelöste kurze Pause interpretieren. Man kann sie möglicherweise auch mit negativen saisonalen Einflussfaktoren begründen. Denn bekanntlich gelten die Monate September und Oktober seit Jahrzehnten traditionell als jene Monate, in denen es immer wieder zu erheblichen Störungen des Börsenklimas gekommen ist.
Noch wesentlich wichtiger als diese genannten Einflussfaktoren scheint eine andere Beobachtung. Die Anleger sollten nicht vergessen: Was an der Börse zählt, ist allein die Zukunft. Gute Konjunkturdaten und positive Unternehmensmeldungen sind in der Regel im großen Stimmungsbild bereits weitgehend aktuell eingepreist. Einzelne überraschende Unternehmens-Stories können zwar die Kurse der betreffenden Aktien stärker bewegen - größeren nachhaltigen Einfluss auf die Stimmung des Gesamtmarkts haben sie indes selten.
Trendbrüche an den Aktienbörsen kommen meist überraschend. Zu begründen ist dies damit, dass die Börse Eigenschaften eines Orakels hat und sehr sensibel auf heute erst im Ansatz erkennbare künftige wirtschaftliche und politische Entwicklungen reagiert. Die Börse klopft also heute in einer Zeit vergleichsweise positiver Wirtschafts- und Unternehmensdaten die Zukunft auf mögliche negative Entwicklungen ab. Aus der Gesamtheit des Meinungsbildes der Anleger für die kommenden sechs bis zwölf Monate ergibt sich dann das aktuelle Stimmungsbild, das wiederum in der Entwicklung von Aktienkursen und Aktienindizes heute zum Ausdruck kommt.
Wenn die Aktienindizes derzeit von ihren jüngsten Höchstständen zurückgefallen sind, so ist dies möglicherweise ein Warnsignal für eine nicht mehr ganz so rosige Zukunft. Sind jene in die Zukunft blickenden Trend-Gestalter z.B. der Meinung, dass der Ölpreis weiter steigen und zum Wachstumskiller wird, nimmt deren Bereitschaft zu Gewinnmitnahmen zu. Ein möglicher Tiefschlag, dessen zerstörerische Wirkung in der Weltwirtschaft erst Monate später offenkundig werden dürfte, könnte auch in einer Überhitzung der boomenden chinesischen Wirtschaft zu sehen sein.
Solche Störungen des heilen Börsenklimas sind ebenso vorstellbar wie weitere politische Spannungen im Nahen und Mittleren Osten. Auch der von der Weltöffentlichkeit kaum beachtete Kampf um die Energiereserven der Welt kann Unruhe stiften. In der Vergangenheit lagen die Ursachen für Börsenturbulenzen oft in Ereignissen, die zum Zeitpunkt der Kurswende nicht oder nur vage erkennbar waren. Man darf gespannt sein, ob dies auch im aktuellen Zyklus so sein wird.
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 19. August 2005, 07:00 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Für die Anleger zählt nur die Zukunft
Wer kennt das nicht? Blühende ökonomische Landschaften mit Rekordgewinnen auf Unternehmensebene, mit noch immer historisch niedrigen Zinsen und im Hinblick auf Deutschland mit durchaus positiven politischen Perspektiven.
Hinzu kommt, dass die Wachstumsstory China nach wie vor stimmt. Ein Umfeld also, in dem Ökonomen und Analysten aus Börsensicht schon beinahe wagen, von einem Idealzustand und von der „besten aller Welten“ zu sprechen.
Kein Wunder also, dass die Marke von 5 000 Punkten im Deutschen Aktienindex (Dax) sowie von 11 000 Punkten im Dow-Jones-Index in New York von der an Börsen und Aktien interessierten Öffentlichkeit noch vor kurzem nicht mehr als wirklich unüberwindbare Hürden galten. Doch dann kam bekanntlich alles anders als gedacht. Die Stimmung trübte sich urplötzlich ein – ohne erkennbaren Grund, zunächst jedenfalls. Die Aktienkurse gehen seit einigen Tagen in die Knie. Und der Anleger, der sich noch vor kurzem möglicherweise durch positive Kommentare von Wertpapier-Analysten noch zum Einstieg in Aktien verleiten ließ, gewinnt so rasch den Eindruck, er sei im falschen Film.
So ist die Börse – unberechenbar und immer wieder für Überraschungen gut, für positive und negative. Man kann die jüngste Minuskorrektur an den Börsen als eine durch übliche Gewinnmitnahmen ausgelöste kurze Pause interpretieren. Man kann sie möglicherweise auch mit negativen saisonalen Einflussfaktoren begründen. Denn bekanntlich gelten die Monate September und Oktober seit Jahrzehnten traditionell als jene Monate, in denen es immer wieder zu erheblichen Störungen des Börsenklimas gekommen ist.
Noch wesentlich wichtiger als diese genannten Einflussfaktoren scheint eine andere Beobachtung. Die Anleger sollten nicht vergessen: Was an der Börse zählt, ist allein die Zukunft. Gute Konjunkturdaten und positive Unternehmensmeldungen sind in der Regel im großen Stimmungsbild bereits weitgehend aktuell eingepreist. Einzelne überraschende Unternehmens-Stories können zwar die Kurse der betreffenden Aktien stärker bewegen - größeren nachhaltigen Einfluss auf die Stimmung des Gesamtmarkts haben sie indes selten.
Trendbrüche an den Aktienbörsen kommen meist überraschend. Zu begründen ist dies damit, dass die Börse Eigenschaften eines Orakels hat und sehr sensibel auf heute erst im Ansatz erkennbare künftige wirtschaftliche und politische Entwicklungen reagiert. Die Börse klopft also heute in einer Zeit vergleichsweise positiver Wirtschafts- und Unternehmensdaten die Zukunft auf mögliche negative Entwicklungen ab. Aus der Gesamtheit des Meinungsbildes der Anleger für die kommenden sechs bis zwölf Monate ergibt sich dann das aktuelle Stimmungsbild, das wiederum in der Entwicklung von Aktienkursen und Aktienindizes heute zum Ausdruck kommt.
Wenn die Aktienindizes derzeit von ihren jüngsten Höchstständen zurückgefallen sind, so ist dies möglicherweise ein Warnsignal für eine nicht mehr ganz so rosige Zukunft. Sind jene in die Zukunft blickenden Trend-Gestalter z.B. der Meinung, dass der Ölpreis weiter steigen und zum Wachstumskiller wird, nimmt deren Bereitschaft zu Gewinnmitnahmen zu. Ein möglicher Tiefschlag, dessen zerstörerische Wirkung in der Weltwirtschaft erst Monate später offenkundig werden dürfte, könnte auch in einer Überhitzung der boomenden chinesischen Wirtschaft zu sehen sein.
Solche Störungen des heilen Börsenklimas sind ebenso vorstellbar wie weitere politische Spannungen im Nahen und Mittleren Osten. Auch der von der Weltöffentlichkeit kaum beachtete Kampf um die Energiereserven der Welt kann Unruhe stiften. In der Vergangenheit lagen die Ursachen für Börsenturbulenzen oft in Ereignissen, die zum Zeitpunkt der Kurswende nicht oder nur vage erkennbar waren. Man darf gespannt sein, ob dies auch im aktuellen Zyklus so sein wird.
Quelle: HANDELSBLATT, Freitag, 19. August 2005, 07:00 Uhr
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Der Einsame Samariter