Eine Meldung und ihre Geschichte
Fight-Club
Wie Videofilmer im kalifornischen San Diego Bettler aufeinander hetzten und dabei reich wurden.
AP
Kläger Brennan, Anwalt Greene
Donald Brennan, 53 Jahre alt, ehemaliges Mitglied der amerikanischen Mittelschicht, ehemaliger Soldat, nun obdachlos, steht auf den Stufen des Superior Court in San Diego (Kalifornien) und fühlt sich unwohl. Vor ihm stehen Journalisten mit Kameras, Mikrofonen, Notizblöcken und starren ihn an. Brennan ist nicht mehr gewohnt, dass Menschen ihn anblicken. Seit zehn Jahren ist er ohne Wohnung, ohne Geld, und in dieser Zeit hat er sich arrangiert mit der Tatsache, dass Menschen mit Wohnungen und Geld durch Menschen wie ihn hindurchsehen.
Die Journalisten starren Brennan auf die Stirn, auf die Tätowierung. "Bumfight" steht da. Pennerkampf. Die acht Buchstaben sind groß und blau-rot, und ihnen folgt das Bild einer Bierflasche. Sie ähnelt einem Ausrufezeichen.
Hinter Brennan steht sein Anwalt mit eckigem Bürstenhaarschnitt und einer roten Fliege, die ihm schief unter dem Kinn klemmt. Er heißt Browne Greene.
"Dieses Gerichtsverfahren ist ein erster Schritt zu einer fairen Behandlung dieser zwei verletzlichen Personen, die entwürdigt und herabgesetzt wurden im Namen der Unterhaltung", sagt Greene und klingt feierlich. Greene spricht von "zwei verletztlichen Personen", weil neben Brennan Rufus Hannah stehen sollte, sein Freund, 47 Jahre alt, obdachlos und alkoholabhängig wie Brennan, und wie er bereit, fast alles für das nächste Bier zu tun.
Um an das nächste Bier zu kommen, sind sie bereit, sich selbst zu verletzen und einander zu verprügeln. Sollten sie nebenbei zu Stars werden, würde es sie auch nicht stören.
Das Video, in dem Brennan und Hannah zu sehen sind, trägt den Titel "Bumfights, Volume one", und sein Umschlag zeigt Hannah. Sein Mund ist aufgerissen, die Haare wirr, das Gesicht ist faltig. Seine Hände sind tätowiert. Das Video kann man im Internet bestellen. Es kostet 19,95 Dollar und soll rund 300 000-mal verkauft worden sein. Das macht sechs Millionen Dollar. Gefilmt wurde das Video von Zachary, Michael, Daniel und Ryan, vier geschäftstüchtigen Jungs, die so jung sind, dass sie Brennans und Hannahs Söhne sein könnten. Die vier gaben den beiden Männern ein paar Dollar und Bier, tätowierten ihnen Stirn und Finger und baten sie, "lustige Sachen" zu tun.
Legt man das Video ein, kann man zuschauen, wie Rufus Hannah mit dem Kopf gegen ein Schild knallt, wie er in einem Einkaufswagen eine Treppe herunterrumpelt, wie er von Mauern springt, gegen Container rennt, gegen Wände, immer volltrunken und immer ungebremst. Man kann sehen, dass er schwer fällt und benommen liegen bleibt.
Man kann auch zuschauen, wie er und Brennan sich prügeln, wie er Brennan das Bein bricht und dann eine Axt holt.
Man kann einen Obdachlosen sehen, dessen Haar brennt, einen, der sich einen Zahn ausreißt, und manchmal liegt der Pornostar Angela Taylor auf einem Bett und drückt sich grundlos die Brüste.
Auf ihrer Internet-Seite werben Zachary, Michael, Daniel und Ryan stolz für ihr Video: "Du siehst besoffene Penner, die sich dumm und dusselig kloppen. Du siehst echte Straßenkämpfe, Crackheads, prügelnde Frauen, das Supermodel Angela Taylor und ganz sicher das übelste Zeug, was jemals gefilmt wurde."
Ausriss aus der "Frankfurter Rundschau"
Außerhalb des Internet sind die vier recht schweigsam. Über einen Anwalt lassen sie mitteilen, es handele sich bei ihrem Film "um Kunst, irgendwie".
Ob der Richter in San Diego das auch so sehen wird, ist fraglich. Fraglich ist aber auch, ob es überhaupt zu einem Prozess kommen wird. Denn Brennan und Hannah geben zu, dass sie nicht gezwungen wurden, sich zu verletzen: "Sie haben uns verführt, mit Bier, mit flüssigem Mut."
Ist das strafbar?
Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in Kalifornien sagen Ja und reden von der Würde des Menschen.
Der Kongressabgeordnete Earl Blumenauer glaubt das auch. Er forderte eine Ermittlung durch das FBI.
Die Polizisten in San Diego glaubten es offenbar nicht. Eine Krankenschwester, die den Kämpfern die Wunden nähte, musste das Police-Department nachdrücklich auf die Schlägereien hinweisen. Erst dann begannen die Beamten mit ihren Ermittlungen und nahmen die vier Verdächtigen fest.
Und Brennan und Hannah, was denken sie?
Donald Brennan sitzt an seinem üblichen Platz, hinter einer Tankstelle in La Mesa. Rufus Hannah ist nicht da. "Was wir wollen? Das ist doch klar. Wir wollen keinen Knast für die Jungs. Wir wollen einen fairen Anteil am Gewinn", sagt Brennan, steht auf und wischt sich die Haare aus der Stirn, um freien Blick auf seine Tätowierung zu garantieren. Er zieht eine Frau an seine Seite, eine Touristin, die sich mit der neuesten Sehenswürdigkeit von San Diego fotografieren lassen will. Die Kamera klickt.
Die Frau fragt: "Fünf Dollar?"
Brennan antwortet: "Logisch".
UWE BUSE
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Wie Videofilmer im kalifornischen San Diego Bettler aufeinander hetzten und dabei reich wurden.
AP
Kläger Brennan, Anwalt Greene
Donald Brennan, 53 Jahre alt, ehemaliges Mitglied der amerikanischen Mittelschicht, ehemaliger Soldat, nun obdachlos, steht auf den Stufen des Superior Court in San Diego (Kalifornien) und fühlt sich unwohl. Vor ihm stehen Journalisten mit Kameras, Mikrofonen, Notizblöcken und starren ihn an. Brennan ist nicht mehr gewohnt, dass Menschen ihn anblicken. Seit zehn Jahren ist er ohne Wohnung, ohne Geld, und in dieser Zeit hat er sich arrangiert mit der Tatsache, dass Menschen mit Wohnungen und Geld durch Menschen wie ihn hindurchsehen.
Die Journalisten starren Brennan auf die Stirn, auf die Tätowierung. "Bumfight" steht da. Pennerkampf. Die acht Buchstaben sind groß und blau-rot, und ihnen folgt das Bild einer Bierflasche. Sie ähnelt einem Ausrufezeichen.
Hinter Brennan steht sein Anwalt mit eckigem Bürstenhaarschnitt und einer roten Fliege, die ihm schief unter dem Kinn klemmt. Er heißt Browne Greene.
"Dieses Gerichtsverfahren ist ein erster Schritt zu einer fairen Behandlung dieser zwei verletzlichen Personen, die entwürdigt und herabgesetzt wurden im Namen der Unterhaltung", sagt Greene und klingt feierlich. Greene spricht von "zwei verletztlichen Personen", weil neben Brennan Rufus Hannah stehen sollte, sein Freund, 47 Jahre alt, obdachlos und alkoholabhängig wie Brennan, und wie er bereit, fast alles für das nächste Bier zu tun.
Um an das nächste Bier zu kommen, sind sie bereit, sich selbst zu verletzen und einander zu verprügeln. Sollten sie nebenbei zu Stars werden, würde es sie auch nicht stören.
Das Video, in dem Brennan und Hannah zu sehen sind, trägt den Titel "Bumfights, Volume one", und sein Umschlag zeigt Hannah. Sein Mund ist aufgerissen, die Haare wirr, das Gesicht ist faltig. Seine Hände sind tätowiert. Das Video kann man im Internet bestellen. Es kostet 19,95 Dollar und soll rund 300 000-mal verkauft worden sein. Das macht sechs Millionen Dollar. Gefilmt wurde das Video von Zachary, Michael, Daniel und Ryan, vier geschäftstüchtigen Jungs, die so jung sind, dass sie Brennans und Hannahs Söhne sein könnten. Die vier gaben den beiden Männern ein paar Dollar und Bier, tätowierten ihnen Stirn und Finger und baten sie, "lustige Sachen" zu tun.
Legt man das Video ein, kann man zuschauen, wie Rufus Hannah mit dem Kopf gegen ein Schild knallt, wie er in einem Einkaufswagen eine Treppe herunterrumpelt, wie er von Mauern springt, gegen Container rennt, gegen Wände, immer volltrunken und immer ungebremst. Man kann sehen, dass er schwer fällt und benommen liegen bleibt.
Man kann auch zuschauen, wie er und Brennan sich prügeln, wie er Brennan das Bein bricht und dann eine Axt holt.
Man kann einen Obdachlosen sehen, dessen Haar brennt, einen, der sich einen Zahn ausreißt, und manchmal liegt der Pornostar Angela Taylor auf einem Bett und drückt sich grundlos die Brüste.
Auf ihrer Internet-Seite werben Zachary, Michael, Daniel und Ryan stolz für ihr Video: "Du siehst besoffene Penner, die sich dumm und dusselig kloppen. Du siehst echte Straßenkämpfe, Crackheads, prügelnde Frauen, das Supermodel Angela Taylor und ganz sicher das übelste Zeug, was jemals gefilmt wurde."
Ausriss aus der "Frankfurter Rundschau"
Außerhalb des Internet sind die vier recht schweigsam. Über einen Anwalt lassen sie mitteilen, es handele sich bei ihrem Film "um Kunst, irgendwie".
Ob der Richter in San Diego das auch so sehen wird, ist fraglich. Fraglich ist aber auch, ob es überhaupt zu einem Prozess kommen wird. Denn Brennan und Hannah geben zu, dass sie nicht gezwungen wurden, sich zu verletzen: "Sie haben uns verführt, mit Bier, mit flüssigem Mut."
Ist das strafbar?
Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in Kalifornien sagen Ja und reden von der Würde des Menschen.
Der Kongressabgeordnete Earl Blumenauer glaubt das auch. Er forderte eine Ermittlung durch das FBI.
Die Polizisten in San Diego glaubten es offenbar nicht. Eine Krankenschwester, die den Kämpfern die Wunden nähte, musste das Police-Department nachdrücklich auf die Schlägereien hinweisen. Erst dann begannen die Beamten mit ihren Ermittlungen und nahmen die vier Verdächtigen fest.
Und Brennan und Hannah, was denken sie?
Donald Brennan sitzt an seinem üblichen Platz, hinter einer Tankstelle in La Mesa. Rufus Hannah ist nicht da. "Was wir wollen? Das ist doch klar. Wir wollen keinen Knast für die Jungs. Wir wollen einen fairen Anteil am Gewinn", sagt Brennan, steht auf und wischt sich die Haare aus der Stirn, um freien Blick auf seine Tätowierung zu garantieren. Er zieht eine Frau an seine Seite, eine Touristin, die sich mit der neuesten Sehenswürdigkeit von San Diego fotografieren lassen will. Die Kamera klickt.
Die Frau fragt: "Fünf Dollar?"
Brennan antwortet: "Logisch".
UWE BUSE