Wenn das Jahr um ist werden wir sehen ! ob die Mehrheit mal wieder daneben lag !
Bericht von www.wiwo.de:
Aktien sind noch nicht billig. Warum nach dem großen Crash und der ersten Erholung weiter Verluste drohen, wie Anleger reagieren können.
Bild vergrößern Aktienhändler in Frankfurt dpa Der Mann wirkt gehetzt. Ein Meeting mit einem Kunden hat sich in die Länge gezogen. Der Kunde hatte viele Fragen – wichtige, drängende und schwierige, sagt Janwillem Acket. „Es hat schon einfachere Zeiten gegeben für Banker.“ Acket, Chefvolkswirt der Bank Julius Bär, ist in Deutschland auf Tour, um die gut betuchten Privatkunden der Schweizer zu besuchen. Viele, sagt er, seien „derzeit extrem besorgt“. Manchen müsse er schon „lange gut zureden und alles an Argumenten aufbieten, um Panikverkäufe zu verhindern“.
Dazu kam es dann aber doch in Form des größten anzunehmenden Börsenunfalls – Crash. Allein an den ersten drei Tagen der vergangenen Woche verlor der Dax 16 Prozent. Seit mehr als 40 Jahren hat es in Europa keinen so schlechten Start ins neue Jahr mehr gegeben. Erst am Donnerstag fingen sich die Börsen wieder und setzten zu einer fulminanten Erholungsrally an, die den Dax um fast sechs Prozent wieder auf mehr als 6800 Punkte trieb.
Überraschend gab es auch endlich einen Hinweis, warum der Dax zu Wochenbeginn stärker als viele andere Börsen gefallen war. Ein Händler der französischen Bank Société Générale hatte außerbörslich Milliardenpositionen auf steigende Dax-Kurse gesetzt. Als der Dax am Montag zur Talfahrt ansetzte, brachen diese Wetten in sich zusammen. Am Dienstag schließlich verkaufte die Bank den Restbestand ohne Rücksicht auf Verluste, was den Dax tiefer als alle andere Börsen in den Keller stieß.
Kaum fassbare 4,9 Milliarden Euro Verluste sollen der Bank aus dem Fehlverhalten des Händlers Jérôme Kerviel entstanden sein, der größte Handelsverlust aller Zeiten. Die Summe ist so unglaublich, dass Banker schon argwöhnen, die Société Générale habe gleich noch andere Verluste in dieser Summe versteckt. Dass zugleich eine Zwei-Milliarden-Euro-Abschreibung der Franzosen auf kreditbesicherte Papiere verkündet wurde, wirft ein zusätzliches Schlaglicht auf das katastrophale Risikomanagement der Banken im Allgemeinen und der Société Générale im Besonderen.
Weltweit fragen sich jetzt Anleger, aber auch die Politik, ob der Crash der ersten Wochenhälfte schon der große Ausverkauf war, ob die Kurse sich jetzt wieder dauerhaft nach oben, womöglich in Richtung der Rekordmarke von 8151 Punkten im Dax bewegen könnten. Schließlich könnten die Aktien jetzt historisch günstig sein, und Liquidität ist nach wie vor da: Notenbanken senken die Zinsen massiv und pumpen so neue Milliarden in den Markt; steinreiche Staatsfonds aus Asien, Arabien oder Norwegen werden als künftige Aktienkäufer gehandelt.
Doch Vorsicht! Vieles spricht dafür, dass die Krise noch längst nicht ausgestanden ist. Langfristig orientierte Anleger sollten Erholungsphasen zu Verkäufen nutzen, danach ihr Pulver trocken halten und auf günstigere Einstiegsmöglichkeiten warten. „Ein Crash von einem solchen Ausmaß und einer solchen Härte wie vergangenen Montag lässt sich nicht mehr mit Ängsten vor einer konjunkturellen Delle oder neuen Milliardenabschreibungen einzelner Banken erklären“, sagt Bert Flossbach, Gründer und Vorstand von einem der größten unabhängigen Vermögensverwalter in Deutschland, „dahinter stecken tiefere, größere Ängste“.
Überdeutliche Warnsignale senden die Charttechniker, die aus vergangenen Kursmustern Trends herauslesen. Ihr Urteil steht fest: Der Dax hat den seit 2003 bestehenden Aufwärtstrend jetzt definitiv beendet. Die enorme Dynamik, mit der der Index gleich mehrere Unterstützungen, Trends und Durchschnittslinien riss, spricht zudem dafür, dass die Trendwende nach unten längst eingeleitet ist.
Noch schlimmer als die 30 großen Vorzeige-Aktien im Dax sehen die Charts der kleinen und mittleren Werte aus, auch das ein weltweites Phänomen. „Der Gesamtmarkt ist schon seit Monaten kaputt, nur einige Blue Chips wie E.On, General Electric oder Pfizer hatten sich bis Montag noch gut gehalten und verzerren so das Gesamtbild der Markttechnik ins Positive“, sagt der Pullacher Vermögensverwalter Jens Ehrhardt.
Im Gesamtmarkt wächst das Lager der Verlierer schon seit Monaten. Immer weniger Aktien verzeichnen noch steigende Kurse. „Je umfassender man das technische Bild zeichnet, desto schlechter sieht der Markt aus“, beobachtet Ehrhardt, „im MDax ist die Lage schlimmer als im Dax, der SDax sieht noch schlechter aus.“ Und von den 684 Aktien im marktbreitesten Index der Deutschen Börse, dem CDax, schafften in den vergangenen sechs Monaten nur noch 70 ein Plus; fast 90 Prozent aller deutschen Aktien liegen schon teils erheblich im Minus.