EU-Gipfel Lissabon ´00: USA und China überholen?!

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Parocorp:

EU-Gipfel Lissabon ´00: USA und China überholen?!

 
06.11.04 13:39

Ich musste herzlich lachen, als unsere Staats- und Regierungschefs im Jahre 2000 in Lissabon beschlossen haben, zu dem führenden Wirtschaftsraum der Welt aufsteigen "zu wollen" und Ländern wie den USA oder China zu zeigen, was eine GDP-Harke ist...

Ich kann mir heute noch ein dickes Grinsen nicht verkneifen *hoho*

:-)

Naja, es kam wie es kommen musste und ab hier geb ich nun ab an die Kollegen... *g*

 

 

Hausaufgaben erledigen

Verfehlt die EU ihr ehrgeiziges Ziel, bis 2010 die "dynamischste und wettbewerbsfähigste wissensbasierte Wirtschaft der Welt" zu werden? Nach dem Urteil der hochrangigen Expertengruppe unter Leitung von Wim Kok ist bislang jedenfalls zu wenig geschehen. Der Abstand zu den Volkswirtschaften in den USA und Asien hat eher noch zugenommen.

Die Gruppe unabhängiger Sachverständiger hatte im Mai 2004 mit der Überprüfung der seit vier Jahren bestehenden Lissabon-Strategie begonnen. Damit sollen die Vorarbeiten für eine Überprüfung zur Halbzeit auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rates im März 2005 der EU-Kommission unterstützt werden.

Wichtige Benchmarks verfehlt

"Die Gesamtperformance der europäischen Wirtschaft in den vergangenen vier Jahren ist enttäuschend", so der Kok-Bericht:

  • Die Produktivitätswachstumsrate der EU15 im Zeitraum 1996-2003 betrug im Schnitt 1,4 gegenüber 2,2 Prozent in den USA.
  • Die Wachstumskurve ist auf 1,4 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) abgeflacht, die USA liegen bei 2,8 Prozent des BIP.
  • Die Beschäftigungsquote ist zwar von 62,5 Prozent (1999) auf 64,3 Prozent (2003) gestiegen, doch beträgt der Abstand zu den USA noch 10 Prozent.
  • Ausgaben für Forschung und Entwicklung stagnieren bei 2 Prozent des BIP, in den USA erreichen sie fast die 3-Prozent-Marke. Nur Schweden und Finnland stehen besser da.

Korrekturen am Konzept notwendig

Die Argumente, die für die Lissabon-Strategie sprechen, sind heute zwingender denn je. Europa muss um seiner selbst willen Innovationen vorantreiben. Gerade wenn Europa das Gesellschaftsmodell mit einem hohen Maß an Sozialstaatlichkeit erhalten will, dann muss es ökonomisch besser dastehen. Fazit: Ein ehrgeiziges Reformprogramm auf allen Ebenen sollte in den kommenden Jahren in den Vordergrund der EU-Politik rücken.

Kurz gefasst: die Lissabon-Ziele
Am 22./23. März 2000 beschloss der Europäische Rat in Lissabon eine neue Strategie. Im Kern handelt es sich um ein Bündel sich gegenseitig beeinflussender Reformen (aus den Schlussfolgerungen des Rates):
  • "den Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft durch bessere Politiken für die Informationsgesellschaft und für die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie durch die Forcierung des Prozesses der Strukturreform im Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit und Innovation und durch die Vollendung des Binnenmarktes vorzubereiten;
  • das europäische Gesellschaftsmodell zu modernisieren, in die Menschen zu investieren und die soziale Ausgrenzung zu bekämpfen;
  • für anhaltend gute wirtschaftliche Perspektiven und günstige Wachstumsaussichten Sorge zu tragen ist, indem ein geeigneter makroökonomischer Policymix angewandt wird."

Kurz- und langfristige Benchmarks
Zu den kurzfristigen Zielen zählt der Anschluss aller Schulen an das Internet und der allgemeine Zugang zu den wichtigsten öffentlichen Diensten. Die langfristigen Zielsetzungen sehen vor:

  • bis 2010 in die Bereiche Forschung und Entwicklung sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor rund 3% des Bruttoinlandproduktes (BIP) zu investieren;
  • die Beschäftigungsquote möglichst nahe an 70% heranzuführen (2000: 61%) und die Beschäftigungsquote der Frauen auf über 60% (2000: ca. 50%) anzuheben;
  • eine durchschnittliche wirtschaftliche Wachstumsrate von etwa 3% zu erzielen;
  • die Zahl der 18- bis 24-Jährigen, die lediglich über einen Abschluss der Sekundarstufe I verfügen und keine weiterführende Schul- oder Berufsausbildung durchlaufen, zu halbieren.

Interview mit Thomas Mirow

Entscheidung in Hauptstädten

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Thomas Mirow

Thomas Mirow (SPD) ist deutsches Mitglied der hochrangigen Sachverständigengruppe unter Vorsitz von Wim Kok.

EU-Nachrichten: Die Kok-Gruppe hat heute den Lissabon-Bericht vorgestellt, sie haben mitgewirkt. Was ist der Befund?

Thomas Mirow: Wir stellen fest, dass man schon in der "alten" EU von den gesetzten Zielen weit entfernt ist. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Ziele bei dem Produktionsniveau, der Beschäftigungsquote sowie der Forschung und Entwicklung erreicht werden. Mehr noch: Die EU wird durch die Erweiterung weiter zurückgeworfen. Denn die neuen Mitgliedstaaten liegen in allen wesentlichen Indikatoren deutlich unter dem Durchschnitt der EU, außer beim Punkt Wirtschaftswachstum.

Hat der Europäische Rat im Jahr 2000 die Kräfte für mehr Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit der EU überschätzt?

Der wichtigere Aspekt ist, dass die Hausaufgaben nicht gemacht worden sind. Aber "Lissabon 2000" war in der Tat auch geprägt von der Atmosphäre der New Economy, die dann - kaum dass die Tinte trocken war - in sich zusammenbrach. Das spürt man unter anderem daran, dass das Thema Industrie und Industrieproduktion - für die deutsche Volkswirtschaft von besonderem Gewicht - in der Lissabon-Agenda kaum vorkommt. Das Hauptproblem liegt allerdings nicht in einer falschen Anlage, sondern einer unzulänglichen Umsetzung.

Die Sachverständigengruppe und die EU-Kommission bemängeln "strukturelle Verkrustungen". Heißt das mehr Flexibilität?

Man muss mit dem Begriff nach mehr Flexibilität sorgsam umgehen, denn viele verstehen darunter eine Rücknahme sozialstaatlicher Absicherungen. Schweden etwa verfügt hier über ein hohes Niveau, zugleich aber ist sein Arbeitsmarkt überaus anpassungsfähig. Ein Großteil der Mitgliedstaaten ist dagegen nicht vorbereitet auf die Alterung der Gesellschaft, sowohl bei der Versorgung als auch der Gesundheit. Sie investieren nicht genug in Forschung und Entwicklung oder in die Fähigkeiten von Menschen. Gegenüber den USA sind sie bei der Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien sogar zurückgefallen. Anstöße zur Modernisierung sind - kurz gesagt - in einem Großteil der europäischen Gesellschaften unterentwickelt.

Gerät der Standort Europa gegenüber den USA stärker ins Hintertreffen?

Die Vereinigten Staaten haben gegenüber der EU einen Wohlstandsvorsprung von 30 Prozent. 10 Prozent - Mehr Menschen arbeiten. 10 Prozent - Sie arbeiten länger. 10 Prozent - Sie arbeiten produktiver. Letzeres hat mit der Implementierung von Informationstechnologien in den Arbeitsprozess zu tun. Europa hat ein Problem.

Es gibt innerhalb der EU ein deutliches Gefälle. Warum orientiert man sich nicht stärker an den "fortgeschrittenen" Staaten?

Wenn die EU so gut wäre, wie Finnland und Schweden, hätten wir wenig Sorgen auf dem Gebiet. Dann lägen wir auch vor den USA. Nun sind dies relativ kleine, homogene Gesellschaften. Deutschland, Frankreich und Italien sollten ihnen nacheifern, aber es gibt große strukturelle und kulturelle Unterschiede - und also kein einfaches Rezept. Wir plädieren für eine Bewertung nach 14 klaren Indikatoren, um die Fortschritte besser zu beurteilen.

Wird man zur Halbzeitbilanz 2005 die Reformagenda verändern müssen?

Wir sollten uns nicht zu lange aufhalten bei der Frage, ob das Ziel, wettbewerbsfähigste Gesellschaft zu werden, bis 2010 zu erreichen ist. Es ist richtig, es zu versuchen. Wir plädieren nicht dafür, die Strategie neu aufzurollen, wohl aber zu konzentrieren auf die Hauptfaktoren Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Wir empfehlen Schritte und Aktionen in fünf Punkten:

  1. Verbesserung der Wissensgesellschaft,
  2. Vollendung des Binnenmarktes,
  3. Schaffung eines besseren Unternehmensklimas - etwa schnellere Unternehmensgründungen,
  4. mehr Anpassungsfähigkeit der Ar-beitsmärkte und schließlich
  5. Investitionen in Öko-Innovationen.

Die Umsetzung aber entscheidet sich zu einem erheblichen Anteil in den europäischen Hauptstädten. Deswegen empfehlen wir den Staats- und Regierungschefs, nationale Aktionspläne zu entwickeln und diese mit den Parlamenten und Sozialpartnern zu diskutieren.

Quelle:
»EU-Nachrichten« Nr. 39 vom 04.11.2004

 

Parocorp:

Die Europäische Union erinnert an den Neuen Markt

 
06.11.04 13:44
Der wichtigere Aspekt ist, dass die Hausaufgaben nicht gemacht worden sind. Aber "Lissabon 2000" war in der Tat auch geprägt von der Atmosphäre der New Economy, die dann - kaum dass die Tinte trocken war - in sich zusammenbrach. Das spürt man unter anderem daran, dass das Thema Industrie und Industrieproduktion - für die deutsche Volkswirtschaft von besonderem Gewicht - in der Lissabon-Agenda kaum vorkommt. Das Hauptproblem liegt allerdings nicht in einer falschen Anlage, sondern einer unzulänglichen Umsetzung.
Parocorp:

Immer objektiv bleiben...

 
06.11.04 13:48

Europa hat den USA (wirtschaftlich) so rein gar nichts entgegen zu setzen... merkt euch das!

Das muss sich "der" grösste EU-Beitragszahler gefallen lassen *ggg*

Deutschland macht was falsch... ;-)

 

 

(05.11.2004 )          


Studie: EU fällt zurück

Das Ziel, die US-Wirtschaft zu überholen, ist gescheitert. Und mit China gibt es einen neuen Konkurrenten

Brüssel - Die Kluft zwischen den dynamischen Volkswirtschaften Asiens und der USA einerseits und der stagnierenden Wirtschaft Europas andererseits wird immer größer. Zum Auftakt des zweitägigen EU-Gipfeltreffens hat eine Gruppe von 13 Wirtschaftsexperten den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am Donnerstagabend einen Bericht auf den Tisch gelegt, der ein düsteres Bild der europäischen Wirtschaftslage zeichnet. Vor vier Jahren hatten sich die damals noch 15 EU-Staaten beim Gipfeltreffen in Lissabon vorgenommen, Europa bis 2010 „zum dynamischsten, wettbewerbsfähigsten und nachhaltigsten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen. Die Europäer glaubten damals, mit ihrer „Lissabon-Strategie“ in nur einem Jahrzehnt die USA wirtschaftlich überholen zu können.

Nachdem nahezu die Hälfte der Zeit verstrichen ist, kann davon nicht mehr die Rede sein. Der Bericht, den die Sachverständigengruppe unter der Leitung des ehemaligen niederländischen Ministerpräsidenten Wim Kok erarbeitet hat, entlarvt das schöne Ziel als Illusion. Tatsächlich hat Europa seit dem Jahr 2000 im Vergleich mit den USA an Wohlstand und Wirtschaftskraft verloren. Mit China ist ein neuer gefährlicher Konkurrent auf dem Weltmarkt aufgetreten.


Vor allem aber die Osterweiterung der EU um neun wirtschaftsschwache, arme Länder machen alle Hoffnungen zunichte, bis 2010 die USA zu überflügeln. Ähnlich wie die Wiedervereinigung seit 1990 Deutschland wirtschaftlich zurückgeworfen hat, haben sich nach der Osterweiterung die Wirtschaftsdaten der EU spürbar verschlechtert. In Lissabon hatten sich die 15 Regierungen vorgenommen, durch die Verbesserung von Bildung und Ausbildung eine „wissensbasierte Wirtschaft“ voranzutreiben, das Wachstum anzukurbeln und neue Jobs zu schaffen.

Heute müssen sie feststellen, dass das Wachstum schwach ist, die Arbeitslosigkeit hoch bleibt und immer noch viel zu wenig in Bildung, Forschung und Entwicklung investiert wird. Vor allem Deutschland bremst die Aufholjagd der Europäer. Nach Italien hat Deutschland die höchste Zahl der Langzeitarbeitlosen. Das Pro-Kopf-BIP ist unter den europäischen Durchschnitt gefallen. Auch die Arbeitsproduktivität pro Beschäftigten liegt nun nur noch bei 94,3 Prozent des EU-Durchschnitts.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) forderte dennoch am Donnerstagabend, an der „Lissabon-Strategie“ festzuhalten. Dieses erzeuge einen „heilsamen Druck“. Der designierte EU-Kommissionspräsident José Manuel Durao Barroso schlug vor, dass jedes Mitgliedsland einen „Lissabon-Beauftragten“ einsetzen soll.Thomas Gack

 

Parocorp:

Die (un)fähige EU...

 
07.11.04 11:36
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