Stromausfall in Westeuropa
E.on macht das Licht aus
Nach mehreren Pannen im deutschen Stromnetz sind am Samstagabend in Millionen Haushalten in Westeuropa die Lichter ausgegangen. In Deutschland saßen weit über eine Million Menschen in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen im Dunkeln.
In Frankreich hatten fünf Millionen Bürger keinen Strom. Der Energieausfall dauerte meist nicht länger als eine Stunde, legte aber in Deutschland und Belgien den Zugverkehr streckenweise lahm.
Eine der Ursachen für den Blackout könnte die geplante Durchfahrt des Kreuzfahrtschiffes "Norwegian Pearl" auf der Ems unter einer abgeschalteten Starkstromleitung gewesen sein, sagte ein E.on-Sprecher. Das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium behauptete, eine Panne bei der Einspeisung von Strom aus Windkraft ins Netz habe den Stromausfall mit verursacht.
Scharfe Kritik an Versorgern
Die Bundesregierung griff die Energieversorger scharf an. Die Versorger müssten ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen und ein leistungsfähiges Stromnetz gewährleisten, sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin. "Sie müssen ihre hohen Gewinne maßgeblich für Investitionen in das Stromnetz einsetzen." Alte Hochspannungsleitungen müssten schnellstens saniert und neue Trassen gebaut werden.
"Ich erwarte von E.on eine rückhaltlose Aufklärung des Vorfalls und seiner Ursachen", erklärte Wirtschaftsminister Michael Glos. "Stromausfälle der jetzt vorgefallenen Art sind nicht nur für die Menschen ein Ärgernis, sondern stellen für die Wirtschaft ein erhebliches Risiko dar." Die Bundesregierung bemüht sich seit einiger Zeit um mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt. In Deutschland dominieren vier große Stromkonzerne den Markt.
Experten fordern seit Jahren einen Ausbau der Leitungen und Verteilernetze. "Ohne diese Investitionen", warnte die Europäische Kommission bereits im Dezember 2003, "und bei Fortdauer der gegenwärtigen Nachfragesteigerung und Belastung des Netzes entsteht ein immer größeres Risiko von Versorgungsunterbrechungen". E.on ist mit einem Umsatz von 56 Milliarden Euro der größte private Strom- und Gasversorger in Europa.
Zehn Millionen Europäer betroffen
Etwa zehn Millionen Europäer seien von der Panne betroffen gewesen, sagte der Präsident des französischen Stromzulieferers RTE, André Merlin, am Sonntag in Paris. Über Schäden wurde zunächst nichts bekannt. Dank der späten Stunde am Samstag blieb ein Verkehrschaos aus. Laut E.on fiel der Strom im E.on-Netz um 22.10 Uhr aus und wurde spätestens um 22.48 Uhr wieder angeschaltet. In einer E-Mail aus dem Rheinland an n-tv.de berichtet ein Leser allerdings, die Lichter in Frechen bei Köln seien erst um 23.39 Uhr wieder angegangen. In einer weiteren Mail aus Bayern teilt eine Leserin mit, der Stromausfall habe bis 23.15 Uhr gedauert.
"Eine halbe Stunde vor dem Netzausfall wurde eine Höchstspannungsleitung über der Ems nördlich von Papenburg ausgeschaltet, um ein Schiff passieren zu lassen", sagte der Sprecher der E.on Netz, Christian Schneller. "Hier kann es möglicherweise einen Zusammenhang geben. Es erklärt den Vorgang aber nicht. Es muss noch andere Ursachen geben."
Für große Schiffe sei es zu riskant, unter einer nicht abgeschalteten Hochspannungsleitung durchzufahren, sagte ein Sprecher der Meyer-Werft in Papenburg. Die Überfahrt des Luxuskreuzers aus der Meyer Werft fiel jedoch ins Wasser, da E.on die Leitung wegen extremer Stromschwankungen später nicht erneut abschalten konnte.
Windkraft-Spekulationen aus NRW
Ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums sagte, je nach Menge des zugeführten Windkraft-Stroms müsse der Anteil von Strom anderer Energieträger angepasst werden. Am Samstag habe es eine erhöhte Einspeisung von Windkraft-Strom gegeben, im Gegenzug sei vermutlich die übrige Strommenge nicht ausreichend reduziert worden.
Belgische und französische Netzbetreiber hatten schon am Sonntagmorgen eine Panne im deutschen Stromnetz für die Ausfälle verantwortlich gemacht. "Um 21.30 Uhr wurde dort eine Hochspannungsleitung von 400.000 Volt ausgeschaltet", sagte Erik De Leye, Sprecher des belgischen Netzbetreibers Elia am Sonntag. "Um 22.10 Uhr geriet dadurch eine andere Hochspannungsleitung unter Überlast mit einem Dominoeffekt für die umliegenden Länder."
Über 100 Züge betroffen
Der Stromausfall betraf nach Bahnangaben über 100 Züge mit mehr als 1.000 Fahrgästen. "Die Auswirkungen waren aber in ganz Deutschland deutlich zu spüren", sagte Bahn-Sprecher Achim Strauß in Berlin. Züge hätten bis zu zwei Stunden Verspätung gehabt. Der Zeitpunkt des Stromausfalls am Samstagabend hat die Industrie wahrscheinlich vor größeren Schäden bewahrt. "Der Gesamtschaden, der entstanden sein könnte, ist vermutlich gering", sagte der Geschäftsführer des Verbands der industriellen Kraftwirtschaft (VIK), Alfred Richmann.
"Größte Panne seit 30 Jahren"
In Frankreich traf der Blackout vor allem den Norden und einige Stadtteile von Paris. Französische Medien sprachen von der "größten Strompanne seit fast 30 Jahren". In Belgien kam der Zugverkehr bei Antwerpen zum Erliegen. In Italien waren mehr als hunderttausend Menschen betroffen, vor allem in Turin und Umgebung. Aber auch im Süden des Landes waren die Folgen des Stromausfalls zu spüren.
Auch in einigen Teilen Spaniens kam es zu Energieengpässen. Dort waren Kraftwerke automatisch abgeschaltet worden. Die Verbindung von Spanien nach Marokko sei zum Schutz der dortigen Anlagen abgestellt worden. In Niederösterreich waren nach offiziellen Angaben 2.000 Haushalte 13 Minuten ohne Elektrizität