Zum Geschäftsbericht 2010 kann ich allen Interessierten nur wärmstens das Anhören der Telefonkonferenz mit CFO Jörg Fischer empfehlen. Das Analysteninteresse war dieses Quartal ungewöhnlich groß und deren kritische Fragen bzw. Jörg Fischers Antworten (am Ende der Konferenzschaltung) sind äußerst aufschlußreich:
www.envitec-biogas.de/fileadmin/...iTec_Biogas_AG_27.04.11.mp3
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier das Wichtigste in Kürze:
- Ein Delisting von der Börse (mit eventuellem Squeeze-Out) ist nicht geplant. Vielmehr könnte man sich, ein in Deutschland weiterhin günstiges politisches/gesetzliches Umfeld vorausgesetzt, zur Finanzierung eines noch wesentlich aggressiveren Ausbaus des Eigenbetriebs eine Kapitalerhöhung vorstellen.
- Die jüngsten, teilweise spekulativen (als Geldanlage neben den Fernseher im Wohnzimmer noch ne Tonne Mais stellen), teilweise kurzfristig fundamentalen (schlechte Ernte in Rußland aufgrund von Trockenheit) Preissteigerungen beim Mais werden das Ergebnis im Eigenbetrieb nicht negativ beeinflussen, da hier fast immer langfristige Liefervereinbarungen zu Preisen innerhalb einer festen Bandbreite bestehen. Dies betrifft auch den bereits geplanten Zubau, da Lieferverträge für Eigenprojekte bereits einige Zeit vor dem Aufbau der Anlage abgeschlossen werden. (In einem früheren Beitrag hatte ich ausgeführt, daß der Mais-Preis im langfristigen Durchschnitt ja im Wesentlichen volatil seitwärts läuft und allenfalls die Inflation ausgleicht.
- Das Segment Anlagenbau war, abgesehen von den von Jörg Fischer beschriebenen Einmaleffekten mit der Deinstallation einer bereits aufgebauten Anlage bzw. der Strafzahlung für eine verspätete Inbetriebnahme, im Jahr 2010 aus zweierlei Gründen noch negativ: Erstens kamen die Bauaktivitäten in Deutschland wegen des ungewöhnlichen Wetters sowohl in den ersten 3 Monaten als auch im Dezember fast vollständig zum Erliegen (jeder kann sich vorstellen, wie das Ergebnis in Q4 ohne schlechtes Wetter ausgefallen wäre). Dementsprechend waren die Kapazitäten in diesen 4 Monaten nicht ausgelastet. Zweitens war das Kostenmanagement noch nicht optimal. Es bestehen größere Einsparmöglichkeiten in sämtlichen Unternehmensbereichen, z.B. bei den Flugkosten, Beratungskosten, Anwaltskosten, etc. In diesem Zusammenhang möchte ich auf meinen Beitrag zur Eröffnung der USA-Niederlassung (die im Geschäftsbericht unter dem Abschnitt "Währungsrisiken" übrigens Erwähnung findet, pdf-Dokumentenseite 53) verweisen, wo ich bereits dargestellt habe, daß Envitec schon dabei ist, sein Kostenmanagement zu verbessern. Auf Nachfrage hat Jörg Fischer nochmals bestätigt, daß Envitec die künftige EBIT-Marge im Anlagenbau auf ca. 8 % schätzt.
- Die äußerst positive internationale Entwicklung macht Envitec zunehmend unabhängiger von der politischen Entwicklung in Deutschland. Meine persönliche Meinung ist, daß Envitec auch auf europäischer und weltweiter Ebene immer mehr als Marktführer wahrgenommen wird, siehe z.B. Italien. Das ist ein herausragender Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitkonkurrenten. Außerdem wird man durch die fortschreitende Internationalisierung natürlich auch unabhängiger von unberechenbaren Wettereinflüssen, die es ja in diesem Umfang in den meisten anderen Ländern nicht gibt.
- Laut Jörg Fischer geht der Trend bezüglich der EEG-Novelle dahin, das bestehende Gesetz in seiner jetzigen Form übergangsweise für 3-6 Monate zu verlängern, da die Politik aufgrund von Fukushima mehr Zeit benötigt, um sich auf eine neue Gesamtstrategie bei der der Energieversorgung festzulegen. Seiner Meinung nach wird Biogas ein entscheidender Baustein dieser neuen Gesamtstrategie werden. Von einem Analysten auf ein neues CDU-Positionspapier zur EEG-Novellierung angesprochen, welches die künftige Vergütung für Energie aus Biogas an die Effizienz der Anlagen koppeln will, antwortete Fischer, daß Envitec dadurch begünstigt werden würde, da deren Anlagen die derzeit effizientesten im Markt seien. Abgesehen davon sieht man der künftigen Novellierung relativ entspannt entgegen. Auch die zu erwartende, stärkere Berücksichtigung von organischen Reststoffen und Gülle stellt für Envitec einen Wettbewerbsvorteil dar, da man bereits mehrere funktionierende Anlagen für den ausschließlichen Einsatz dieser Input-Stoffe gebaut hat (u.a. die viel beachtete Prestige-Anlage in Wales).
- Die ersten 3 Monate des Jahres 2011 sind laut Jörg Fischer positiv verlaufen, von wetterbedingten Einschränkungen oder sonstigen negativen Effekten war nicht die Rede.
Im Geschäftsbericht, dessen Lektüre ich ebenfalls allen Interessierten empfehle, habe ich noch folgende spektakuläre Prognose gefunden (pdf-Dokumentenseite 17, ganz unten):
"...Pflanzen mit höherem Energiegehalt und Technologien, die aus ihnen mehr Energie gewinnen, werden den Flächenbedarf pro Megawattstunde in den kommenden Jahren um bis zu 50 Prozent reduzieren." !!!!!!
Ich möchte an dieser Stelle auf meinen früheren Beitrag zum zukünftigen Energiepflanzenanbau für Biogas verweisen.
www.envitec-biogas.de/fileadmin/...Geschaeftsbericht2010dt.pdf
Es kann sich wohl jeder ausrechnen, was das für die Rentabilität von Biogas-Anlagen bedeuten würde...
Fazit:
Der Geschäftsbericht ist wesentlich besser ausgefallen, als erwartet werden durfte. Man hat trotz der widrigen Umstände auf EBIT-Ebene den Turnaround geschafft, beim Konzernabschluß hat Envitec ja ohnehin seit dem Börsengang ausschließlich Gewinne ausgewiesen (wird gerne vergessen, aber letztendlich zählt eben nur die Zahl unter dem letzten Strich). Das Ergebnis pro Aktie konnte von 8 auf 15 Cent fast verdoppelt und das Eigenkapital (=Buchwert) weiter gesteigert werden. Die Entwicklung in allen 3 Segmenten ist als positiv zu betrachten. Envitec ist strategisch von allen Unternehmen (vermutlich einschließlich der nicht börsennotierten) am Besten aufgestellt. Es ist mit zeitnahen Anhebungen des Envitec-Kursziels durch die Analysten zu rechnen, spätestens aber bei Veröffentlichung des Quartalsberichts am 26. Mai. Persönlich könnte ich mir gut vorstellen, daß dann auch das eine oder andere Anlegermagazin die Envitec-Aktie "entdecken" wird. Allen Investierten wünsche ich vorab schon einmal viel Freude beim Start Ihrer Kursrakete.