EM.TV-Hauptversammlung muss Vergangenheit bewältigen
Von Alexander Hübner - München, 29. Jul (Reuters) -
Am 26. Juli 2000 sah die Welt für EM.TV noch rosig aus. Vorstandschef Thomas Haffa stellte den 4500 Aktionären im Münchener Messe-Kongresszentrum einen "Mega-Börsengang" der Formel 1 in Aussicht, Finanzvorstand Florian Haffa sprach von einer "deutlichen Umsatzsteigerung" für 2001, und auch die Aktionärsschützer wollten die Euphorie nicht allzu sehr stören: "Der Aktienkurs bereitet zurzeit nur wenig Freude", hatte ein Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) auf der Hauptversammlung mit Blick auf die Notierung von 64,37 Euro gesagt. Aber das liege wohl nur daran, dass der Rechtehändler das Ertragspotenzial seiner Zukäufe noch nicht ausreichend klar gemacht habe. Und der Kauf der "Muppets"- Firma Jim Henson sei "etwas teuer" geraten. Ein Jahr und wenige Tage später stehen die Nachfolger der zurückgetretenen Haffa-Brüder vor den Trümmern dessen, was eine goldene Zukunft verheißen hatte. Marketingvorstand Rainer Hüther und Finanzchef Rolf Rickmeyer, beide vor Jahresfrist noch nicht an Bord, werden sich am Mittwoch an gleicher Stelle mit wütenden Aktionären auseinandersetzen müssen, deren Papiere innerhalb von zwölf Monaten über 95 Prozent ihres Wertes verloren haben. Die Hälfte der Formel-1-Beteiligung gehört dem Medienkonzern Kirch- Gruppe[KRCH.UL], weil EM.TV die Schulden über den Kopf gewachsen wären, Jim Henson steht zum Verkauf. Schwarze Zahlen erwartet die Münchener Unternehmensberatung Roland Berger angesichts des Bilanzierungschaos erst wieder 2004. Der Stuhl von Thomas Haffa bleibt leer, sein designierter Nachfolger als Vorstandschef und Großaktionär, Werner Klatten, wird nur als "Gastredner" auftreten und seine Pläne mit EM.TV erläutern. Klatten tritt sein Amt frühestens im September an. "Haffa wird diesen Termin nicht mehr wahrnehmen", formulierte Aufsichtsratschef Bernd Thiemann - auch er erst seit April an Bord - am Mittwoch nach dem Rückzug des Gründers. Haffa habe sich den Anschuldigungen nicht mehr aussetzen wollen - oder können, heißt es. Auch über Thiemann und den neuen Aufsichtsrat, zu dem außer ihm Roland Berger und ein Düsseldorfer Rechtsanwalt gehören sollen, wird diskutiert werden am Mittwoch: 90.000 Euro soll Thiemann im Jahr für seine Aufsichts-Arbeit erhalten, mit 10.200 Euro hatte sich Vorgänger Nickolaus Becker begnügt. Die Aktionäre müssen der Aufstockung zustimmen. Klatten stellt das ganze, von Haffa aufgebaute Beteiligungsportfolio in Frage, will andererseits unterbewertete Medienfirmen zukaufen. "In den nächsten drei Monaten werden die ersten qualitativen Verbesserungen zu spüren sein", sagte er der "Welt am Sonntag". Den Ursprung und Kern von EM.TV, den Handel mit Kinder-Fernsehprogramm, wolle er auf eine europäische Basis heben. Fragen wollen die Aktionäre, woher Klatten die kolportierten über 100 Millionen Euro hat, für die er Haffa 25,1 Prozent von EM.TV abkauft. Spekulationen, sie könnten von der Bad Homburger Industriellenfamilie und BMW-Großaktionärin Quandt stammen, in die sein Bruder eingeheiratet hat, hat der Hamburger Medienmanager ebenso dementiert wie den Verdacht, er sei als früherer Sat.1-Chef nur Strohmann von Kirch, dessen Einstieg das Bundeskartellamt in der geplanten Form torpediert hat. Er habe bereits zwei Kreditzusagen von einer Bank und einer Beteiligungsgesellschaft, sagte Klatten der "Welt am Sonntag". Und EM.TV wolle er von Kirch unabhängig halten, bekräftigte er. Auf dem Aktionärstreffen wird ihn aber noch die turbulente Vergangenheit einholen. Bereits im Vorfeld ist ein Hickhack um die Entlastung des Vorstands entbrannt. EM.TV hält daran fest, die Angelegenheit zu verschieben, bis die Sanierung auf dem Weg und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Thomas Haffa abgeschlossen sind. Aktionärsvertreter wollen die Abstimmung und Haffa die Entlastung verweigern. Mehr ein symbolischer Akt, denn rechtliche Konsequenzen hat das nach Ansicht von Aktienrechtlern nicht. Insbesondere schützt eine Entlastung nach dem Aktienrecht nicht vor Schadenersatzansprüchen. Doch dagegen hat sich der Ex- Börsenstar offenbar zum größten Teil abgesichert: Der "Berliner Zeitung" zufolge hat Haffa eine Missmanagement-Versicherung über 200 Millionen DM abgeschlossen.