Konjunktur: So wird das Jahr 2000
Banken: Chance in der Nische
Seinem Gewerbe prophezeit Klaus Wächter, Chef der
Frankfurter Sparkasse von 1822, schwere Zeiten. „Ich sehe
eine gewaltige Strukturkrise auf uns zukommen“, fürchtet der
Chef der drittgrößten Sparkasse Deutschlands. Bei einigen
Häusern ist die Zinsspanne bereits auf zwei Prozent und
weniger geschmolzen. Früher, schwärmen Banker, sei es
noch gut die Hälfte mehr gewesen.
„Wir Sparkassen können den Margenrückgang nicht durch
andere Erträge ausgleichen“, beklagt Wächter mit einem
Seitenhieb in Richtung der Großbanken. Denn die setzen
längst nicht mehr auf die Zinseinnahmen aus Krediten,
sondern drängen in das Provisionsgeschäft: Die Begebung
von Anleihen oder Börseneinführungen bringen noch gute
Erträge bei weitaus weniger Risiko.
Gut zupaß kommt den Großbanken, daß sich die Lage im
Investment-Banking im vergangenen Jahr spürbar entspannt
hat. Noch 1998 hatte das Kapitalmarktgeschäft unter den
weltweiten Finanzturbulenzen in Asien und Lateinamerika
gelitten. Im abgelaufenen Jahr jedoch machten die
Geldkonzerne wieder Boden gut. Allerdings haben auch die
mächtigen Kreditinstitute schwer zu schaffen. Steigerungen
beim Zins- oder Provisionsüberschuß werden meist durch
explodierende Verwaltungskosten, vor allem durch
Investitionen in die EDV, aufgefressen. Das Filialnetz muß
modernisiert und neue Vertriebswege über Telefon, Handy
und Internet gefunden werden. Folge sind stagnierende
Betriebsergebnisse. Ihren Gewinn steigern die Großbanken
derzeit nur durch höhere Erträge aus Finanzanlagen und
Beteiligungen dank der guten Börsenkonjunktur.
Dabei wird sich der Strukturwandel eher noch beschleunigen.
Immer mehr Banken müssen aufgeben und sich mit anderen
zusammenschließen. Das trifft vor allem die knapp 600
Sparkassen und 2250 Volks- und Raiffeisenbanken.
Verzweifelt wird in den Bankvorständen nach neuen Ideen
gesucht, um das dichte Netz von rund 60000 Filialen
inklusive der Deutschen Postbank besser auszulasten.
Einige denken bereits daran, auch Versicherungspolicen,
Pauschalreisen oder Briefmarken zu verkaufen. Es wird
nichts helfen: Viele der 500000 Beschäftigten in der Branche
werden gehen müssen.
Doch wenn die Finanzbranche, in den kommenden Jahren
gründlich auf den Kopf gestellt wird, gibt es nicht nur
Verlierer. Zwar werden traditionelle Geschäftsfelder allmählich
unprofitabel, insgesamt jedoch bleibt der Sektor eine der
dynamischsten Wachstumsbranchen überhaupt, glaubt
Henning Gebhardt, Fondsmanager für Finanzwerte beim
Deutsche-Bank-Ableger DWS.
Neue Anbieter – Internetbroker etwa oder Anbieter von
elektronischem Zahlungsverkehr – drängen mit Erfolg in die
lukrativen Geschäftsfelder. Der Trend zur privaten
Altersvorsorge, ein weltweit hohes Bevölkerungswachstum
und der Boom in der Vermögensverwaltung (Asset
Management) sind die großen Triebkräfte im Finanzgeschäft.
Jene Finanzdienstleister, denen es gelingt, zu günstigen
Kosten im Technologie-Wettlauf mitzuhalten, könnten zu den
Gewinnern zählen. Gute Chancen sieht Bankenexperte
Gebhardt auch für „Tausende von Nischenanbietern“, die sich
auf ein klar umgrenztes Geschäft beschränken:
„Internetbanken haben noch eine glänzende Zukunft vor sich.“
HI
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