Eine Geschichte von Geld und Gier

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Nassie:

Eine Geschichte von Geld und Gier

 
24.02.03 16:57
 
Auf 460 Seiten beschreibt die Anklage in der Mannesmann-Affäre, wie sich das Management schadlos hielt.
Von Hans Leyendecker

   

(SZ vom 24.02.2003) — Zwei Düsseldorfer Staatsanwälte haben einen 460 Seiten dicken Wirtschaftskrimi geschrieben. Sechs Beschuldigte, 61 Zeugen, ein komplizierter Stoff.

In ihrer vorige Woche bei der 14. Strafkammer des Düsseldorfer Landgerichts eingereichten Anklage zum Fall Mannesmann messen die Strafverfolger Johannnes Puls, 42, und Lothar Schroeter, 49, eine der großen Wirtschaftsaffären der Nachkriegszeit aus.

Bis zum 17. April hat Brigitte Koppenhöfer, Vorsitzende Richterin der Kammer, den Beschuldigten Zeit für Einwände zugestanden. Wenn die 51-Jährige die Anklage zulassen sollte, muss ein Teil der Elite dieser Republik vor Gericht erscheinen.

Zu den sechs Beschuldigten gehören Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, der Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel, der frühere Mannesmann-Vorstandsvorsitzende Klaus Esser und dessen Vorgänger Joachim Funk, der im Jahr 2000 Aufsichtsratschef bei Mannesmann war.

Scherbenhaufen

Das Zeugenverzeichnis benennt neben anderen Vodafone-Chef Sir Christopher Gent, dessen damaligen Deutschland-Statthalter Julian Horn-Smith, Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle, den früheren Mannesmann-Vorstandsvorsitzenden Werner Dieter sowie fünf Kriminalbeamte und vier Wirtschaftsprüfer.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft geht es um Fakten und Fiktionen, Gier und Maßlosigkeit. Ein Prozess würde „mit einem Scherbengericht“ über die „Führungsqualität der deutschen Wirtschaft“ enden, haben sie im vergangenen Juli in einem internen Vermerk zu Protokoll gegeben.

Die Beschuldigten sollen zwischen dem 4.Februar 2000 und dem 5.Juni 2000 ohne Rechtsgrundlage die Zahlung von 111.514.794 Mark Prämien, Boni und Pensionsabfindungen auf den Weg gebracht haben. 48.005.000 Mark bekamen demnach Esser und sein Team. 63.509.794 Mark erhielten pensionierte Vorstandsmitglieder und/oder deren Angehörige. Die Ankläger werten das Wirken der sechs von Mannesmann als schwere Untreue beziehungsweise Beihilfe zur schweren Untreue.

Neuland

Der einschlägige Paragraf 266 des Strafgesetzbuches ist oft kommentiert worden, ein Prozess würde sich dennoch auf juristischem Neuland bewegen. Aus Sicht der Beschuldigten ist die Anklage ein Anschlag auf die unternehmerische Freiheit und ein typisch deutscher Fall von Profilierungssucht und Neid.

Die Beurteilung von Recht und Unrecht hängt oft davon ab, ob man vom Berg oder aus der Ebene schaut. Bis zum 2.Februar 2000, so stellten die Staatsanwälte Puls und Schroeter fest, hätten sich Esser und seine Leute „massiv“ für den Fortbestand des Unternehmens Mannesmann und gegen eine Übernahme durch Vodafone eingesetzt.

Dann aber seien sie davon ausgegangen, dass Mannesmann keine Abwehrchance mehr habe und dass der Kapitalmarkt eine so genannte freundliche Übernahme durch Vodafone eher befürworten werde.

Funk und Esser hätten die freundliche Übernahme akzeptiert und gleichzeitig beschlossen, diese Gelegenheit für sich zu nutzen. Die Sonderzahlungen, so formuliert es die Staatsanwaltschaft an einer Stelle, seien für Esser eine der Bedingungen für seine Zustimmung gewesen.

Einige der Beschuldigten profitierten kräftig. Gegen eine Abfindungszahlung für Esser, die einschließlich eines Bonus 29.781.173 Mark brutto betrug, haben die Ermittler keine Einwände. Darüber hinaus wollte Esser aber noch eine Vergütung, die, so kritisieren die Strafverfolger, verharmlosend Anerkennungsprämie genannt worden sei. Diese betrug weitere 32.105.000 Mark, und sie ist Gegenstand der Anklage.

Später Lohn

Die Summe, haben die Ermittler ausgerechnet, mache das Zwanzigfache von Essers festem Jahresgehalt und das Siebenfache seines Einkommens (Festgehalt und Bonus) für das Jahr 1999 aus. Darauf habe Esser keinen Anspruch gehabt.

Im Jahr 2001 ließ sich Esser noch den lebenslangen Anspruch auf einen Pkw nebst Fahrer sowie Büro und Sekretärin für zwei Millionen Euro abkaufen, der ihm in aller Eile gewährt worden war. Weil Vodafone zahlte, ist dieser Vorgang strafrechtlich ohne Bedeutung.

Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Funk wollte nicht leer ausgehen. Bei der Übernahme der Mannesmann AG erhielt er eine Prämie von sechs Millionen Mark für seine Arbeit als Vorstandsvorsitzender in den Jahren 1994 bis 1999.

Warum bekommt ein Aufsichtsratschef im nachhinein Geld für seine Zeit im Vorstand, fragen die Ermittler. Obendrein kassierte er 5,3 Millionen Mark für die Abgeltung von Pensionsansprüchen.

Bei dieser Vergütungsaktion, so die Ermittler, seien vor allem die Aufsichtsräte Ackermann und Zwickel als Mitglieder eines Ausschusses für Vorstandsangelegenheiten behilflich gewesen.

Der Bankier und der Gewerkschafter hätten zwar erkannt, dass „Grund und Anlass“ für die geplanten Zahlungen einzig und allein Essers und Funks Zustimmung zu einer freundlichen Übernahme gewesen sei; dennoch seien beide einverstanden gewesen. Sowohl Zwickel als auch Ackermann sei dabei klar gewesen, dass die Zahlungen nicht im Interesse von Mannesmann, sondern nur im Interesse der Begünstigten gelegen hätten.

Weil Vodafone die Sonderzahlungen auf keinen Fall selbst leisten, aber Auszahlungen durch Mannesmann auch nicht entgegentreten wollte, sei den Beschuldigten bis zur Übernahme nur wenig Zeit für ihren Coup geblieben, stellen die Staatsanwälte fest. So seien Sonderzahlungen an Vorstandsmitglieder über insgesamt rund 16,6 Millionen Mark bereits am 14. Februar 2000 in das Gehaltsabrechnungssystem der Mannesmann AG eingegeben worden, als noch gar kein Beschluss auf Auszahlung vorlag.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die von Anfang an heftige Bedenken hatte, remonstrierte am 18.Februar. In aller Eile sei dann von Ausschussmitgliedern ein „wahrheitswidriges“ Beschlussprotokoll gefertigt worden, das rückdatiert worden sei, um den Auszahlungen „den Anschein einer Rechtsgrundlage“ zu geben. Die Unterschrift des IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel sei nachträglich eingeholt worden. Alle notwendigen Unterschriften hätten erst am 28.Februar vorgelegen. Drei Tage zuvor sei das Geld schon an die Manager überwiesen worden.

Manchmal sei innerhalb weniger Minuten über riesige Summen entschieden worden, so das Ergebnis der Ermittlungen, ohne entsprechende Vorlage, ohne rechtliche Prüfung. Der Begriff Anerkennungsprämie sei nur ein Trick. Es sei den Beteiligten nur um die Zustimmung zur freundlichen Übernahme gegangen.

Wenn es sich wirklich um Anerkennungsprämien gehandelt hätte, wäre die Eile nicht notwendig gewesen. Die Beteiligten hätten sich darauf verlassen, dass ihr Vorgehen geheim bleibe. Das gelte insbesondere für den IG-Metall-Chef Zwickel. Bei den Gewerkschaftsvertretern, so hatte es Esser den Ermittlern erklärt, gebe es einen Unterschied zwischen der kämpferischen öffentlichen Darstellung und dem einsichtigen Verhalten im Aufsichtsrat. Das sei seit 50 Jahren bestens gelaufen.
 
altmeister:

wäre es nicht rausgekommen hätten sie meinen

 
24.02.03 17:02
allergrößten respekt.
volvic:

ich zitiere mal poentiert

 
24.02.03 17:03

Das gelte insbesondere für den IG-Metall-Chef Zwickel. Bei den Gewerkschaftsvertretern, so hatte es Esser den Ermittlern erklärt, gebe es einen Unterschied zwischen der kämpferischen öffentlichen Darstellung und dem einsichtigen Verhalten im Aufsichtsrat. Das sei seit 50 Jahren bestens gelaufen.
Nassie:

Sie haben das Geld der Gesellschaft veruntreut

 
24.02.03 17:06
da kann man keinen Respekt zollen.
altmeister:

das wäre zu zeitaufwendig dir

 
24.02.03 17:10
hier meinen standpunkt so zu erörtern das du verstehst was ich meine nassie.
kalle4712:

Kann jemand mal ein gutes Beispiel

 
25.02.03 10:13
für "einsichtiges Verhalten" der Gewerkschaften geben? (möglichst aus der jüngeren Vergangenheit)
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