Eine Erholung ist in Sicht

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das Zentrum d.:

Eine Erholung ist in Sicht

 
19.10.02 19:25
Eine Erholung ist in Sicht
Von Eric Wahlgren, Business Week Online


18. Okt. 2002 Im Fall von Intel könnte sich eine schlechte Nachricht als gutes Omen erweisen. Natürlich war es nicht gerade erfreulich, dass die enttäuschenden Umsatz- und Gewinnaussichten des Chipherstellers am Mittwoch die vier Tage dauernde Rally der Wall Street beendeten. Die Reaktion der Anleger auf diese Nachricht war jedoch das neueste Anzeichen dafür, dass sich der Markt wieder für die Unternehmensgewinne interessiert.

Das war seit mindestens zwei Monaten nicht mehr der Fall. In letzter Zeit sah es so aus, als könnten die Aktien sowieso nur noch fallen - egal, ob die Ergebnismeldungen der US-Unternehmen positiv oder negativ ausfielen. Schließlich wurde die Wall Street durch so viele andere Dinge abgelenkt: Ein drohender Krieg mit dem Irak, die bedenkliche Wirtschaftslage und die Entwicklung der Unternehmensskandale.

Doch am zehnten Oktober, als die Berichtssaison für das dritte Quartal langsam in Schwung kam, trat eine klare Wende ein - eine Veränderung, die nach Meinung einiger Analysten dem Ende des Bärenmarktes den Boden bereitet. Vier Handelstage lang konnte sich die Wall Street über zahlreiche optimistische Ergebnismeldungen von bedeutenden Unternehmen wie Citigroup, Johnson & Johnson und General Motors freuen. Der Standard & Poor's 500 legte 13 Prozent zu.

Bessere Marktstimmung unterstützt Bodenbildung

„Die Marktstimmung hat sich plötzlich verbessert“, erklärt Donald Luskin, Chief Investment Officer bei der Wirtschaftsberatungsfirma TrendMacrolytics in Menlo Park, Kalifornien. „Der Markt bekommt Aufwind, da die Anleger den Wert vieler Aktien jetzt wieder bewusst wahrnehmen.“

Viele Marktexperten hüten sich aber noch davor, zu schnell eine Bodenbildung auszurufen. „In diesem Bärenmarkt hat es schon zahlreiche starke Rallys gegeben, von denen man glaubte, sie würden die Bären verjagen. Stattdessen sackte der Markt jedes Mal noch weiter ab“, kommentiert Alan Ackerman, Marktstratege bei Fahnestock in New York. Tatsächlich begann der S&P 500 am 23. Juli eine Einmonatsrally, die ihm eine Steigerung um 21 Prozent bescherte - danach aber fiel der Index auf einen tieferen Stand als vor dieser kurzen Erholung. Trotzdem sagen Wall-Street-Experten, dass sie das jüngste Kursfeuerwerk mit gutem Grund optimistisch betrachten.

Zwei Quartale im Plus

Die Gewinne verbessern sich, wenn auch in bescheidenem Umfang. Laut Thomson First Call dürften die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 im dritten Quartal um 5,9 Prozent steigen. Das ist zwar weit von der Steigerung um 16,6 Prozent entfernt, die Anfang Juli für das Quartal vorhergesagt wurde; es ist aber immerhin schon das zweite Quartal in Folge, in dem eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr erzielt wird, nachdem zuvor fünf Quartale hintereinander rückläufige Ergebnisse verzeichnet wurden. Für das vierte Quartal prognostiziert Thomson First Call einen stärkeren Anstieg von 18,6 Prozent, obwohl auch diese Zahl im weiteren Jahresverlauf wohl noch nach unten korrigiert werden dürfte.

Trotzdem soll das Bruttoinlandsprodukt der USA in der zweiten Jahreshälfte 2002 um drei Prozent oder mehr steigen. Das dürfte nach Meinung von Sam Stovall, dem leitenden Anlagestrategen von S&P, den Aktien auf die Beine helfen - insbesondere in konjunkturempfindlichen Sektoren wie den Werkstoffen und den Konsumgütern des gehobenen Bedarfs. Im Grunde sehen die Aktien sogar ziemlich attraktiv aus, wenn man das gegenwärtige konjunkturelle Umfeld berücksichtigt. Da Inflation praktisch nicht vorhanden ist und die Rendite der zehnjährigen Treasuries bei etwa vier Prozent liegt, werden nach Ansicht von Marktbeobachtern nun sogar Aktien interessant, deren Kurs-Gewinn-Verhältnisse über den historischen Niveaus liegen.

Technologieaktien weiterhin zu teuer

„Wir glauben, dass mittelfristig eine gute Chance auf höhere Kurse besteht“, erklärt Stovall. „Die entscheidende Frage lautet: Handelt es sich hier um eine Rally in einem Bärenmarkt oder um den Beginn eines Bullenmarktes?“ Seiner Ansicht nach sind die Aktien möglicherweise immer noch zu teuer. Stovall zufolge notiert der S&P 500 ungefähr mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 28 (basierend auf den Gewinnschätzungen für 2002). In der Vergangenheit lagen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse im Durchschnitt bei 17 - am Boden eines Bärenmarktes sogar nur knapp über 13. Geht man von dieser Zahl aus, so müsste der S&P 500 laut Stovall eigentlich bei 400 notieren anstatt bei seinem derzeitigen Stand von etwa 860.

Andere wiederum halten nicht viel von der These, dass Aktien immer noch zu teuer sind. Das mag auf Technologieaktien zutreffen, die immer noch hohe KGVs haben, meint Luskin. Diese Aktien verzerren jedoch seiner Ansicht nach die Gesamtbewertung des S&P 500. Lässt man die Technologieaktien unberücksichtigt, so sind die Standardwerte und sonstigen Unternehmen günstig zu haben.

Abwarten und wählerisch sein

Luskins Modell zufolge könnten die Nicht-Technologie-Aktien des Index sogar einen Gewinnrückgang von 14 Prozent in den nächsten zwölf Monaten melden - was eher unwahrscheinlich ist - und wären trotzdem im historischen Vergleich immer noch fair bewertet. „Viele Aktien sind mittlerweile extrem unterbewertet, und es gibt keinen wirklichen Grund, warum ihre Kurse im Keller sind“, erklärt Luskin.

„Es bleibt abzuwarten, ob wir tatsächlich am Boden der Talsohle angekommen sind“, meint Fahnestock-Stratege Ackerman. „Aber wenn Sie wählerisch sind und vor Ihrer Anlageentscheidung entsprechend recherchieren, könnten Sie durchaus Erfolg haben.“ Das ist auf jeden Fall ein vernünftiger Ratschlag - selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Bär uns noch nicht den Rücken gekehrt hat.
das Zentrum d.:

Die Kunst des Verdrängens

 
19.10.02 19:40
Die Kunst des Verdrängens

Die Börsianer hören nur, was sie auch hören wollen. In dieser Woche wollten sie jedenfalls nicht hören, daß der ZEW-Konjunkturindikator für die deutsche Wirtschaft alarmierende Signale liefert. Sie verdrängten auch die jüngsten Daten aus Amerika, wie etwa die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe, die alles andere als ermutigend aussahen. Und sie nahmen auch nur am Rande wahr, daß dem Finanzplatz Deutschland von der alten und neuen Bundesregierung eine volle Breitseite verpaßt wird. Denn kommt die geplante Besteuerung von Wertpapiergewinnen so umfassend, wie es derzeit klingt, erscheint für Aktien- und Fondssparer ein Rückzug vom Aktienmarkt nicht nur wegen der Baisse als sinnvoll.

Die Börsianer wollen aber nur gute Nachrichten hören. Deshalb scheint sie in diesen Tagen nur eines zu interessieren - Amerika. Weil von dort in der bewegtesten Woche der laufenden Berichtssaison viele positive Meldungen kamen, bessert sich die Stimmung zusehends. Es wird jetzt auf eine Trendwende bei den Unternehmensgewinnen spekuliert. Der Deutsche Aktienindex Dax legte dank solcher Verdrängungskünste innerhalb einer Woche bis zum Donnerstag um 16 Prozent zu und ließ dabei den Euro Stoxx 50 (13,5 Prozent) und den amerikanischen S&P-500-Index (9,3 Prozent) locker hinter sich.

Der deutsche Aktienmarkt profitierte von einer Eigendynamik, die sich von Tag zu Tag verstärkte. Hierzulande war der Nachholbedarf nach dem jähen Absturz der Standardwerte besonders hoch. Das Dax-Tief lag im Oktober um 40 Prozent unter dem 200-Tage-Durchschnitt - ein Rekord. Gleichzeitig war das Kurs-Gewinn-Verhältnis im Dax unter 11 gefallen und die Dividendenrendite auf mehr als 3 Prozent gestiegen. Es war offensichtlich Zeit für eine Gegenbewegung. Die brauchte nur einen Auslöser, und das waren die amerikanischen Quartalsberichte.

Unterstützt wurde die Entwicklung auch von aktuellen Unternehmensergebnissen aus Europa. Dankbar nahmen die Investoren vor allem erfreuliche Nachrichten aus der Technologiebranche auf. Nokia meldete einen höheren Gewinn und legte an einem Tag um mehr als 10 Prozent an Wert zu. SAP wollte zwar wegen der politischen und wirtschaftlichen Lage keine weitere Umsatzprognose mehr abgeben. Allein daß das Unternehmen aber an seiner Gewinnprognose festhielt, genügte, um den Aktienkurs um gut 25 Prozent nach oben zu treiben.

Dieser Sprung von SAP zeigte aber auch, daß derzeit nicht nur fundamentale Gründe die Kurse bewegen. Niemals hätte allein eine bestätigte Gewinnprognose für Ausschläge dieser Größenordnung gereicht. Es waren vielmehr die sogenannten Short-Seller (Leerverkäufer), die in den vergangenen Wochen auf dem deutschen Markt ein immer größeres Rad drehten. Ihr Geschäftsmodell funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Sie verkaufen Aktien, die sie gar nicht besitzen, in der Hoffnung, sie zum Zeitpunkt der fälligen Lieferung billiger am Markt erstehen zu können. Das Modell funktioniert allerdings nur bei fallenden Märkten. Deshalb wurden die Leerverkäufer in dieser Woche vielfach auf dem falschen Fuß erwischt. Das galt für den Markt im allgemeinen und für die SAP-Aktie im besonderen. Einzelne Short-Seller mußten sich um nahezu jeden Preis wieder mit Aktien eindecken, um ihre Verluste zu begrenzen.

Angesichts solcher lange nicht mehr gesehenen Tumulte in den Handelsräumen - MLP-Aktien sollen etwa am Donnerstag zeitweise "ausverkauft" gewesen sein - ist es kein Wunder, daß das Wort Trendwende derzeit kaum ein ernstzunehmender Börsenexperte in den Mund nimmt. Vielmehr lautet die gängige Diagnose auf "Bärenrallye" - wie schon so oft in den vergangenen zwei Jahren. Es gibt halt noch Strategen, die in der Hektik des Tagesgeschäfts das wirtschaftliche und - für Deutschland besonders wichtig - das politische Umfeld nicht aus den Augen verloren haben.

Der Schaden, den etwa der steuerpolitische Schnellschuß der rot-grünen Koalition auf dem Finanzplatz Deutschland angerichtet hat, wird in seiner gesamten Dimension nicht heute oder morgen, sondern erst mittelfristig zu messen sein. In dieser Woche kursierte jedoch schon eine E-Mail in Frankfurter Banken, in der ein verfremdetes SPD-Wahlplakat zu finden war. Ein lächelnder Bundeskanzler Schröder sitzt auf dem Rücksitz seines Dienstwagens und telefoniert. Dazu der Spruch: "Die Weichen sind gestellt. Dax 1000 - wir schaffen das."

STEFFEN UTTICH

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.10.2002, Nr. 243 / Seite 19
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