Eine Erholung ist in Sicht
Von Eric Wahlgren, Business Week Online
18. Okt. 2002 Im Fall von Intel könnte sich eine schlechte Nachricht als gutes Omen erweisen. Natürlich war es nicht gerade erfreulich, dass die enttäuschenden Umsatz- und Gewinnaussichten des Chipherstellers am Mittwoch die vier Tage dauernde Rally der Wall Street beendeten. Die Reaktion der Anleger auf diese Nachricht war jedoch das neueste Anzeichen dafür, dass sich der Markt wieder für die Unternehmensgewinne interessiert.
Das war seit mindestens zwei Monaten nicht mehr der Fall. In letzter Zeit sah es so aus, als könnten die Aktien sowieso nur noch fallen - egal, ob die Ergebnismeldungen der US-Unternehmen positiv oder negativ ausfielen. Schließlich wurde die Wall Street durch so viele andere Dinge abgelenkt: Ein drohender Krieg mit dem Irak, die bedenkliche Wirtschaftslage und die Entwicklung der Unternehmensskandale.
Doch am zehnten Oktober, als die Berichtssaison für das dritte Quartal langsam in Schwung kam, trat eine klare Wende ein - eine Veränderung, die nach Meinung einiger Analysten dem Ende des Bärenmarktes den Boden bereitet. Vier Handelstage lang konnte sich die Wall Street über zahlreiche optimistische Ergebnismeldungen von bedeutenden Unternehmen wie Citigroup, Johnson & Johnson und General Motors freuen. Der Standard & Poor's 500 legte 13 Prozent zu.
Bessere Marktstimmung unterstützt Bodenbildung
„Die Marktstimmung hat sich plötzlich verbessert“, erklärt Donald Luskin, Chief Investment Officer bei der Wirtschaftsberatungsfirma TrendMacrolytics in Menlo Park, Kalifornien. „Der Markt bekommt Aufwind, da die Anleger den Wert vieler Aktien jetzt wieder bewusst wahrnehmen.“
Viele Marktexperten hüten sich aber noch davor, zu schnell eine Bodenbildung auszurufen. „In diesem Bärenmarkt hat es schon zahlreiche starke Rallys gegeben, von denen man glaubte, sie würden die Bären verjagen. Stattdessen sackte der Markt jedes Mal noch weiter ab“, kommentiert Alan Ackerman, Marktstratege bei Fahnestock in New York. Tatsächlich begann der S&P 500 am 23. Juli eine Einmonatsrally, die ihm eine Steigerung um 21 Prozent bescherte - danach aber fiel der Index auf einen tieferen Stand als vor dieser kurzen Erholung. Trotzdem sagen Wall-Street-Experten, dass sie das jüngste Kursfeuerwerk mit gutem Grund optimistisch betrachten.
Zwei Quartale im Plus
Die Gewinne verbessern sich, wenn auch in bescheidenem Umfang. Laut Thomson First Call dürften die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 im dritten Quartal um 5,9 Prozent steigen. Das ist zwar weit von der Steigerung um 16,6 Prozent entfernt, die Anfang Juli für das Quartal vorhergesagt wurde; es ist aber immerhin schon das zweite Quartal in Folge, in dem eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr erzielt wird, nachdem zuvor fünf Quartale hintereinander rückläufige Ergebnisse verzeichnet wurden. Für das vierte Quartal prognostiziert Thomson First Call einen stärkeren Anstieg von 18,6 Prozent, obwohl auch diese Zahl im weiteren Jahresverlauf wohl noch nach unten korrigiert werden dürfte.
Trotzdem soll das Bruttoinlandsprodukt der USA in der zweiten Jahreshälfte 2002 um drei Prozent oder mehr steigen. Das dürfte nach Meinung von Sam Stovall, dem leitenden Anlagestrategen von S&P, den Aktien auf die Beine helfen - insbesondere in konjunkturempfindlichen Sektoren wie den Werkstoffen und den Konsumgütern des gehobenen Bedarfs. Im Grunde sehen die Aktien sogar ziemlich attraktiv aus, wenn man das gegenwärtige konjunkturelle Umfeld berücksichtigt. Da Inflation praktisch nicht vorhanden ist und die Rendite der zehnjährigen Treasuries bei etwa vier Prozent liegt, werden nach Ansicht von Marktbeobachtern nun sogar Aktien interessant, deren Kurs-Gewinn-Verhältnisse über den historischen Niveaus liegen.
Technologieaktien weiterhin zu teuer
„Wir glauben, dass mittelfristig eine gute Chance auf höhere Kurse besteht“, erklärt Stovall. „Die entscheidende Frage lautet: Handelt es sich hier um eine Rally in einem Bärenmarkt oder um den Beginn eines Bullenmarktes?“ Seiner Ansicht nach sind die Aktien möglicherweise immer noch zu teuer. Stovall zufolge notiert der S&P 500 ungefähr mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 28 (basierend auf den Gewinnschätzungen für 2002). In der Vergangenheit lagen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse im Durchschnitt bei 17 - am Boden eines Bärenmarktes sogar nur knapp über 13. Geht man von dieser Zahl aus, so müsste der S&P 500 laut Stovall eigentlich bei 400 notieren anstatt bei seinem derzeitigen Stand von etwa 860.
Andere wiederum halten nicht viel von der These, dass Aktien immer noch zu teuer sind. Das mag auf Technologieaktien zutreffen, die immer noch hohe KGVs haben, meint Luskin. Diese Aktien verzerren jedoch seiner Ansicht nach die Gesamtbewertung des S&P 500. Lässt man die Technologieaktien unberücksichtigt, so sind die Standardwerte und sonstigen Unternehmen günstig zu haben.
Abwarten und wählerisch sein
Luskins Modell zufolge könnten die Nicht-Technologie-Aktien des Index sogar einen Gewinnrückgang von 14 Prozent in den nächsten zwölf Monaten melden - was eher unwahrscheinlich ist - und wären trotzdem im historischen Vergleich immer noch fair bewertet. „Viele Aktien sind mittlerweile extrem unterbewertet, und es gibt keinen wirklichen Grund, warum ihre Kurse im Keller sind“, erklärt Luskin.
„Es bleibt abzuwarten, ob wir tatsächlich am Boden der Talsohle angekommen sind“, meint Fahnestock-Stratege Ackerman. „Aber wenn Sie wählerisch sind und vor Ihrer Anlageentscheidung entsprechend recherchieren, könnten Sie durchaus Erfolg haben.“ Das ist auf jeden Fall ein vernünftiger Ratschlag - selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Bär uns noch nicht den Rücken gekehrt hat.
Von Eric Wahlgren, Business Week Online
18. Okt. 2002 Im Fall von Intel könnte sich eine schlechte Nachricht als gutes Omen erweisen. Natürlich war es nicht gerade erfreulich, dass die enttäuschenden Umsatz- und Gewinnaussichten des Chipherstellers am Mittwoch die vier Tage dauernde Rally der Wall Street beendeten. Die Reaktion der Anleger auf diese Nachricht war jedoch das neueste Anzeichen dafür, dass sich der Markt wieder für die Unternehmensgewinne interessiert.
Das war seit mindestens zwei Monaten nicht mehr der Fall. In letzter Zeit sah es so aus, als könnten die Aktien sowieso nur noch fallen - egal, ob die Ergebnismeldungen der US-Unternehmen positiv oder negativ ausfielen. Schließlich wurde die Wall Street durch so viele andere Dinge abgelenkt: Ein drohender Krieg mit dem Irak, die bedenkliche Wirtschaftslage und die Entwicklung der Unternehmensskandale.
Doch am zehnten Oktober, als die Berichtssaison für das dritte Quartal langsam in Schwung kam, trat eine klare Wende ein - eine Veränderung, die nach Meinung einiger Analysten dem Ende des Bärenmarktes den Boden bereitet. Vier Handelstage lang konnte sich die Wall Street über zahlreiche optimistische Ergebnismeldungen von bedeutenden Unternehmen wie Citigroup, Johnson & Johnson und General Motors freuen. Der Standard & Poor's 500 legte 13 Prozent zu.
Bessere Marktstimmung unterstützt Bodenbildung
„Die Marktstimmung hat sich plötzlich verbessert“, erklärt Donald Luskin, Chief Investment Officer bei der Wirtschaftsberatungsfirma TrendMacrolytics in Menlo Park, Kalifornien. „Der Markt bekommt Aufwind, da die Anleger den Wert vieler Aktien jetzt wieder bewusst wahrnehmen.“
Viele Marktexperten hüten sich aber noch davor, zu schnell eine Bodenbildung auszurufen. „In diesem Bärenmarkt hat es schon zahlreiche starke Rallys gegeben, von denen man glaubte, sie würden die Bären verjagen. Stattdessen sackte der Markt jedes Mal noch weiter ab“, kommentiert Alan Ackerman, Marktstratege bei Fahnestock in New York. Tatsächlich begann der S&P 500 am 23. Juli eine Einmonatsrally, die ihm eine Steigerung um 21 Prozent bescherte - danach aber fiel der Index auf einen tieferen Stand als vor dieser kurzen Erholung. Trotzdem sagen Wall-Street-Experten, dass sie das jüngste Kursfeuerwerk mit gutem Grund optimistisch betrachten.
Zwei Quartale im Plus
Die Gewinne verbessern sich, wenn auch in bescheidenem Umfang. Laut Thomson First Call dürften die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 im dritten Quartal um 5,9 Prozent steigen. Das ist zwar weit von der Steigerung um 16,6 Prozent entfernt, die Anfang Juli für das Quartal vorhergesagt wurde; es ist aber immerhin schon das zweite Quartal in Folge, in dem eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr erzielt wird, nachdem zuvor fünf Quartale hintereinander rückläufige Ergebnisse verzeichnet wurden. Für das vierte Quartal prognostiziert Thomson First Call einen stärkeren Anstieg von 18,6 Prozent, obwohl auch diese Zahl im weiteren Jahresverlauf wohl noch nach unten korrigiert werden dürfte.
Trotzdem soll das Bruttoinlandsprodukt der USA in der zweiten Jahreshälfte 2002 um drei Prozent oder mehr steigen. Das dürfte nach Meinung von Sam Stovall, dem leitenden Anlagestrategen von S&P, den Aktien auf die Beine helfen - insbesondere in konjunkturempfindlichen Sektoren wie den Werkstoffen und den Konsumgütern des gehobenen Bedarfs. Im Grunde sehen die Aktien sogar ziemlich attraktiv aus, wenn man das gegenwärtige konjunkturelle Umfeld berücksichtigt. Da Inflation praktisch nicht vorhanden ist und die Rendite der zehnjährigen Treasuries bei etwa vier Prozent liegt, werden nach Ansicht von Marktbeobachtern nun sogar Aktien interessant, deren Kurs-Gewinn-Verhältnisse über den historischen Niveaus liegen.
Technologieaktien weiterhin zu teuer
„Wir glauben, dass mittelfristig eine gute Chance auf höhere Kurse besteht“, erklärt Stovall. „Die entscheidende Frage lautet: Handelt es sich hier um eine Rally in einem Bärenmarkt oder um den Beginn eines Bullenmarktes?“ Seiner Ansicht nach sind die Aktien möglicherweise immer noch zu teuer. Stovall zufolge notiert der S&P 500 ungefähr mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 28 (basierend auf den Gewinnschätzungen für 2002). In der Vergangenheit lagen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse im Durchschnitt bei 17 - am Boden eines Bärenmarktes sogar nur knapp über 13. Geht man von dieser Zahl aus, so müsste der S&P 500 laut Stovall eigentlich bei 400 notieren anstatt bei seinem derzeitigen Stand von etwa 860.
Andere wiederum halten nicht viel von der These, dass Aktien immer noch zu teuer sind. Das mag auf Technologieaktien zutreffen, die immer noch hohe KGVs haben, meint Luskin. Diese Aktien verzerren jedoch seiner Ansicht nach die Gesamtbewertung des S&P 500. Lässt man die Technologieaktien unberücksichtigt, so sind die Standardwerte und sonstigen Unternehmen günstig zu haben.
Abwarten und wählerisch sein
Luskins Modell zufolge könnten die Nicht-Technologie-Aktien des Index sogar einen Gewinnrückgang von 14 Prozent in den nächsten zwölf Monaten melden - was eher unwahrscheinlich ist - und wären trotzdem im historischen Vergleich immer noch fair bewertet. „Viele Aktien sind mittlerweile extrem unterbewertet, und es gibt keinen wirklichen Grund, warum ihre Kurse im Keller sind“, erklärt Luskin.
„Es bleibt abzuwarten, ob wir tatsächlich am Boden der Talsohle angekommen sind“, meint Fahnestock-Stratege Ackerman. „Aber wenn Sie wählerisch sind und vor Ihrer Anlageentscheidung entsprechend recherchieren, könnten Sie durchaus Erfolg haben.“ Das ist auf jeden Fall ein vernünftiger Ratschlag - selbst wenn sich herausstellen sollte, dass der Bär uns noch nicht den Rücken gekehrt hat.