Samstag, 08. Dezember 2012
um die Stimmungslage der Börsianer zu bestimmen, wurde hierzulande früher gerne der BILD-Indikator herangezogen.
Der war ganz einfach: Wenn die BILD-Zeitung auf der Titelseite empfahl, in Aktien zu investieren, war es Zeit seine Positionen zu verkaufen.
Mein Vorschlag: Benennen wir ihn in Financial Times-Indikator um, und machen wir das Gegenteil. Kaufen wir Aktien! Lesen Sie nachfolgend, warum:
Gestern stieg der DAX auf den höchsten Stand seit Jahresbeginn. Er ist weniger als zehn Prozent von seinem Allzeit-Hoch entfernt. Doch in der Mainstream-Presse rät kein Mensch zum Kauf von Aktien. Stattdessen macht die Financial Times Deutschland dicht und das Traditions-Zugpferd Börse Online, das ebenfalls im Gruner&Jahr-Stall steht, könnte ebenfalls den Gnadenstoß verpasst bekommen, so wird gemunkelt.
Das ist sehr schade, denn guter, kritischer Journalismus ist speziell in der Finanzbranche unentbehrlich. Traurig, dass dafür offenbar nur noch (zu) wenige Menschen bereit sind, Geld zu bezahlen. Strukturwandel und Smartphone-Boom hin oder her ist der Niedergang des Börsenjournalismus aber auch ein Signal für den Verdruss vieler deutscher Anleger, die nach mehreren kapitalen Börsencrashs seit der Jahrtausendwende keine Lust mehr auf Aktien und Co. zu haben scheinen.
Das Beispiel Financial Times illustriert gut das Dilemma vieler Börsianer in den 2000er-Jahren. Die erste Ausgabe der Financial Times Deutschland erschien am 21. Februar 2000. DAX-Stand damals: 7.590 Punkte. DAX-Stand am 07. Dezember 2012: 7.527 Punkte. Nettoperformance in den vergangenen knapp dreizehn Jahren: Minus 0,8 Prozent!
Privatanleger haben Milliarden verloren
Dazwischen lag eine wilde Berg- und Talfahrt während derer der DAX im Frühjahr 2003 zwischenzeitlich bis auf 2.200 Punkte abstürzte, aber nie höher als auf 8.150 Punkte stieg.
Wenn man nun weiß, dass...
- die meisten Privatanleger prozyklisch agieren, also in steigende Kurse hinein kaufen und in fallende Kurse hinein verkaufen,
- gleichzeitig zu hohe Risiken eingehen und eine zu spekulative Depotausrichtung haben und
- die meisten Aktienfonds chronische Underperformer sind und schlechter als ihre jeweilige Benchmark rentieren,
... braucht man kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass Kleinanleger in diesem Zeitraum Milliarden an meist hart erarbeitetem Privatvermögen an der Börse verbrannt haben.
DAX
DAX-ETF
593393 / EXS1
Fondsvolumen ETF 12,8 Mrd. EUR
Total Ex. Ratio 0,16 % p.A.
Perf. 1 / 5 Jahr(e) 24% / -10%
Akt. Kurs 136,87 EUR
Nachdem in den Wirtschaftsmedien zudem nach wie vor die Eurokrise und nun die so genannte Fiskalklippe in den USA im Mittelpunkt stehen, ist die Aussage: "Der DAX macht neue Hochs und keiner merkt`s" nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt.
Deutsche mit Volatilitäts-Phobie
Da passt es gut ins Bild, dass Fondsmanager beim traditionellen Petersberger Treffen vergangenen Donnerstag in Königswinter über die "Vola-Phobie" deutscher Anleger klagten. Bezeichnend waren dabei die Aussagen von Bert Flossbach von der Kölner Flossbach von Storch AG, seines Zeichens Fondsmanager des Jahres 2011, wonach vielen Kunden sogar die Fonds mit einer unterdurchschnittlich niedrigen Schwankungsbreite und überdurchschnittlicher Performance, noch zu volatil seien.
Das führt dann zu der teilweise skurrilen Situation, dass Anleger mit ihren Banken um 0,1 Prozent mehr Rendite bei einer 10.000 Euro-Tagesgeld-Anlage erbittert streiten, Aktien aber scheuen wie der Teufel das Weihwasser.
Dabei ändert die Tatsache, dass der DAX in den letzten dreizehn Jahren eine Null-Rendite erwirtschaftet hat überhaupt nichts an der Tatsache, dass Aktien langfristig die profitabelste Anlageform sind und im Durchschnitt Renditen von zehn Prozent vor Steuern erwirtschaften.
Ethna-GLOBAL Defensiv T
Ein Oldenburger Vermögensberater hat bei der Erstellung des Risikoprofils seiner Kunden herausgefunden, dass 90 Prozent seiner (potenziellen) Kunden fast kein Risiko haben möchten. Die maximale Vola-Toleranz liegt bei zwei bis drei Prozent. Das ist ein Wert, wo reine Aktieninvestments von vorneherein durchs Sieb fallen.
Sein Lieblingsprodukt, das er den meisten Kunden überstülpt, ist der Ethna-GLOBAL Defensiv T-Mischfonds. Dieser hat das Kunststück fertig gebracht, bei einer Vola von nahezu null im letzten Jahr eine Rendite von 13 Prozent zu erwirtschaften.
Der Traum deutscher Anleger! Auch auf Sicht von fünf Jahren ist die Performance mit einem Plus von 45 Prozent bei einer Vola von knapp drei Prozent extrem gut.
WKN /
ISIN
A0LF5X /
LU0279509144 Fondsvolumen 302 Mio. EUR
Perf. 1 / 5 Jahr(e) 13% / 45%
Morningstar Rating 5* (Höchstnote)
Akt. Kurs 146,74 EUR
Fondsmanager Guido Barthels investiert vor allem in Anleihen mit sehr guter bis guter Qualität und schichtet in Krisenphasen bis zu 100 Prozent des Anlagevermögens in Festgelder und Geldmarktpapiere um. Seine Aktienbeimischung liegt bei maximal zehn Prozent, aktuell sogar nur bei 1,2 Prozent. Damit liegt er voll im Trend.
Small Cap-Fonds leiden
Kein Wunder, dass es bei dieser Stimmungslage Fonds schwer haben, die auf kleinere Aktien spezialisiert sind. Zwar belegte John Bennet vom Fondshaus Henderson in seinem Referat auf dem Petersberger Treffen mit neuen Statistiken und Graphiken erneut die langfristig höhere Performance von kleinen Aktien im Vergleich zu Blue Chips, allerdings zum Preis einer höheren Volatilität.
Ergo will die Fonds momentan keiner haben. Hinzu kommt, dass zuletzt auch im Small Cap-Sektor die Fonds am besten performten, die gleichzeitig eine geringe Volatilität aufweisen.
Wegweisend ist hier der im November letzten Jahres leider verstorbene Günter Weispfennig, der Gründer der börsennotierten Shareholder Value AG. Dieser investierte langfristig in unterbewertete deutsche Nebenwerte.
Zuletzt gab es hier unter Nachfolger Frank Fischer gewaltige Zuschreibungen auf das Anlagevermögen.
Hoch gewichtete Beteiligungen wie Heiler Software und Advanced Inflight Alliance wurden zu hohen Kursaufschlägen von US-Firmen aufgekauft.
Shareholder Value AG
WKN / Kürzel 605996 / SVE
Börsenwert 30 Mio. EUR
KGV 12e/13e k.A. / k.A.
52 Wochen
Hoch / Tief 45,20 EUR /
24,00 EUR
Akt. Kurs 43,33 EUR
Neben der Shareholder Value AG ist auch die publicity-scheue Erbengemeinschaft Weispfennig, bestehend aus Günter Weispfennigs Witwe Ingrid und der gemeinsamen Tochter Christiane, im Nebenwerte-Segment sehr erfolgreich. Die Gemeinschaft hält unter anderem Positionen in den gut laufenden deutschen Nebenwerten Pulsion, LS Telcom, Renk und WMF.
Die von den Aufkäufern bezahlten Aufschläge bei den oben genannten Übernahmen zeigen, dass deutsche Nebenwerte noch immer sehr günstig bewertet sind und mittelfristig hohes Potenzial haben - sofern es nicht zu einem massiven konjunkturellen Einbruch kommt. Bei Heiler wurde beispielsweise ein Aufschlag von sage und schreibe 173 Prozent auf den letzten Kurs vor der Übernahme bezahlt.
Frank Fischer feiert auch mit den Frankfurter Stiftungsfonds, dort ebenfalls auf der Strategie seines Mentors und Förderers Weispfennig aufbauend, große Erfolge.
Doch das sind eher Ausnahmefälle. Das Gros der deutschen Small Cap-Szene darbt. Die Handelsvolumina bei deutschen Nebenwerten sind weiter sehr niedrig. Das Interesse ist gering. Ich rate daher, nun antizyklisch in deutsche Nebenwerte zu investieren. Die besten Empfehlungen erhalten Sie in meinem Premium-Brief Nebenwerte-Trader.
Aktien der Shareholder Value AG selbst sollten Sie allerdings momentan nicht unbedingt kaufen. Auf Grund der jüngsten Erfolge ist das Interesse an der Beteiligungsgesellschaft stark gestiegen. Das führt dazu, dass der aktuelle Kurs der Shareholder Value AG mit 43,01 Euro sogar knapp über dem inneren Wert der Aktie von 41,58 Euro (Stichtag: 30.11.2012) liegt. Das ist eine absolute Ausnahme. Normal sind Abschläge auf den inneren Wert von rund 20 Prozent.
MEIN FAZIT:
- Trotz neuer Hochs im DAX kann von Euphorie keine Rede sein. Im Gegenteil: Börsenmedien werden eingestellt (FTD) bzw. sind von der Einstellung bedroht (Börse Online).
- Die verbleibenden aktiven Privatanleger scheuen überwiegend vor hoher Volatilität zurück.
- Das ist genau das Gegenstück zur Euphorie um die Jahrtausendwende, wo fast jeder in Aktien investiert hat. Damals war es Zeit, zu verkaufen. Heute sollten Sie die negative Stimmung eher zum Kauf von Aktien nutzen.
- Die niedrigen Handelsvolumina zeugen von Desinteresse und führen zu niedrigen Bewertungen. Die hohen Aufschläge, die bei Übernahmen von Einzelwerten gezahlt werden, unterstreichen dies