ENTZAUBERT
Morpheus offline
Rund 36 Stunden war die beliebte Tauschbörse "Morpheus" des Betreibers MusicCity nicht mehr erreichbar. Grund ist angeblich eine "verfrühte Protokoll-Umstellung". Der Vorgang kratzt am Mythos der Unverletzlichkeit dezentraler P2P-Dienste.
"Kein Anschluss" hieß es für gut 36 Stunden im Morpheus-Netzwerk: Anmeldeversuche quittierte das Netzwerk mit dem Hinweis, die Software sei veraltet und man möge sich bitteschön einen Upgrade besorgen. Der Haken daran: Es gibt derzeit gar keine neue Version von Morpheus. Und das wird auch noch ein paar Tage so bleiben.
Morpheus ist ein dezentrales Peer-to-Peer-Netzwerk, das heißt, eigentlich sollten die Nutzer miteinander kommunizieren und Dateien tauschen können, ohne auf einen zentralen Rechner angewiesen zu sein. Theoretisch ist ein P2P-Netz damit unverwundbar: Wo kein Zentralrechner ist, kann man auch keinen ausknipsen.
In der Praxis geht es offenbar doch: Die Tauschbörse Morpheus benutzt ein Protokoll, das von der niederländischen Firma Fasttrack stammt. Nach Darstellung der Morpheusbetreiber hat Fasttrack überraschend sein Übertragungsprotokoll geändert, seitdem können Morpheus-Nutzer sich nicht mehr anmelden - und auch keine Daten mehr tauschen.
Zwei Konkurrenzbörsen, Grokster und KaZaA, arbeiten mit der gleichen Technik. Bei ihnen treten die Probleme aber nicht auf, was die Vermutung nahe legt, dass die Änderung der Software vielleicht doch nicht so überraschend gewesen ist. Die Unterschiede zwischen den drei Diensten sind marginal: Im Gegensatz zu Morpheus stehen jedoch die beiden anderen Software-Clienten im dringenden Verdacht, "Spyware" zu enthalten, mit denen werberelevante - und damit verkäufliche - Daten über die Nutzer erhoben werden.
Morpheus will sein Zugangsprogramm jetzt schnellstmöglichst upgraden. Die Gefahr ist nämlich groß, dass die User zu einer anderen Tauschbörse wechseln. Noch keine 24 Stunden nachdem Morpheus offline ging, hieß es beim P2P-Portal ZeroPaid bereits, es sei Zeit, über Alternativen nachzudenken.
Das allerdings ist kaum verwunderlich: ZeroPaid ist aufs engste mit dem Gnutella-Netzwerk verbunden, selbst an der Entwicklung eines Software-Clienten beteiligt. Gnutella galt vor der Einführung des Fasttrack-Netzes als aussichtsreichster Napster-Erbe - und hat seitdem gehörig Federn lassen müssen. Morpheus gilt heute als erfolgreichster P2P-Client.
Update 14.41 Uhr: Der Morpheus-Betrieb läuft wieder weitgehend störungsfrei. Das Unternehmen entschuldigt sich auf der Website, gibt aber sonst keinen Kommentar.
Quelle: Der Spiegel