gute Unternehmen werden immer besser
von Prof. Dr. Max Otte
Bislang sieht die Entwicklung von Ebay ganz nach einem solchen Top-Unternehmen aus. Jahr für Jahr hat das Unternehmen seine Gewinne mit zum Teil beträchtlichen Zuwachsraten gesteigert und damit andere frühere Internet-Pioniere wie zum Beispiel Amazon.com (das immer noch Verluste macht) und Yahoo (das eine wechselhafte Gewinnentwicklung hat) weit hinter sich gelassen.
In den Jahren 2000 und 2001 wuchs der Netto-Cash-Flow um jeweils 300%. Die Gewinne pro Aktie wuchsen in den letzten fünf Jahren jeweils um durchschnittlich 50%. Der Umsatz stieg von 32 Millionen Dollar im Jahr 1996 auf 720 Millionen Dollar im Jahr 2001. Auch im letzten Jahr war fast eine Umsatzverdoppelung drin – Ebay schaltet keinen Gang zurück, sondern beschleunigt sogar! Und das eben nicht, indem einige Großkunden mit guten Konditionen gelockt werden oder indem Unsummen in die Werbung gesteckt werden. Es sind die vielen Millionen kleiner Auktionen, die Ebay zu einem solchen Umsatzwachstum verhelfen.
Was hat Ebay, das andere Unternehmen nicht haben?
Innovatives Geschäftsmodell:
Zunächst einmal hat Ebay ein wirklich innovatives Geschäftsmodell die Plattform des Unternehmens erlaubt es Privatpersonen, in Form von Auktionen Sachen zu kaufen und zu verkaufen. Der Verkäufer listet seine Produkte bei Ebay und zahlt hierfür eine Listinggebühr. Der Höchstbietendende erhält den Zuschlag – allerdings kann sich der Verkäufer einen Mindestpreis vorbehalten. Käufer und Verkäufer treten dann in Kontakt: zuerst erfolgt die Bezahlung, dann die Übersendung der Ware. Mittlerweile laufen zu jedem beliebigen Zeitpunkt 7 Millionen Auktionen auf Ebay. Von der Baseball-Karte zum Mindestgebot von einem Dollar bis zum Gulfstream-Jet für 4,9 Millionen Dollar können Sie mittlerweile alle Produktgruppen finden. Illegale oder obszöne Angebote sind ausgeschlossen.
Gemeinschaft:
Ebay ist eine große Gemeinschaft, eine Community. Käufer und Verkäufer müssen sich bei Ebay registrieren. Wenn eine Transaktion durchgeführt wurde, können die Parteien Kommentare über die jeweils andere Seite in die Akten schreiben. Je mehr positive Kommentare ein Käufer oder Verkäufer hat, umso besser ist das für seine Reputation – und umso mehr wird er tun, um dieser Reputation zu unterstützen. Die Ebay-Gemeinschaft sorgt auch dafür, dass Störenfriede und Betrüger schnell identifiziert werden. Die Betrugsquote ist mit 0,01% (ein Zehntausendstel) nur ein Neuntel der Betrugsquote bei Kreditkarten (0,09%). Reputation ist ein kostbares Gut – gerade im Wirtschaftsleben. Wenn Sie sich als Käufer oder Verkäufer eine solche Reputation mühsam erarbeitet haben, werden Sie sehr ungern zu einem anderen Online-Auktionshaus wechseln, wo Sie von vorne anfangen müssten.
Aufregung:
keine Frage, Ebay hat das Kaufen und Verkaufen wieder aufregend gemacht. Sie benötigen Ihre Schallplattensammlung nicht mehr? Verkaufen Sie diese bei Ebay! Sie wollen sich nach einem Auto umsehen? Zumindest in den USA können Sie dies tun! Ich sammele „antike“ E-Gitarren der Marke „Fender Telecaster“. Bei Ebay finde ich eine Auswahl wie sonst nirgends.
Kundennähe:
durch die Millionen von Aktionen, die auf Ebay laufen, hat das Management die Möglichkeit, neue Trends schnell zu erkennen. Als im Jahre 1998 auf einmal die Käufe und Verkäufe von Autos und Autoteilen zunahmen, schuf Ebay schnell eine eigene Autokategorie – komplett mit Inspektionsservice und anderen Hilfsdienstleistungen. Heute wird schon eine Milliarde Dollar jährlich in Autos und Autoteilen umgesetzt. Kunden schreiben Ebay, wenn die Technik nicht optimal ist oder wenn sich Fehler einschleichen. Als Ebay im letzten Jahr diejenigen Bieter, die eine Auktion verloren haben, zu anderen ähnlichen Auktionen auf der Seite weiterleiten wollte, bekam das Unternehmen viele verärgerte mails. Die Verkäufer waren über diese Idee gar nicht glücklich.
Management:
Pierre Omidyar gründete und schuf Ebay im Herbst 1995. Omidyar gehört zu den „Kreativen“. Als kreativer zog er sich bald aus dem Management von Ebay zurück – denn das Unternehmen betreibt ein Massengeschäft. Hier kommt es im Tagesgeschäft nicht so sehr auf Kreativität, sondern auf die optimale Abwicklung und die kleinen, aber permanenten Verbesserungen an. Ebay wird heute von Meq Whitman und ihrem Team geleitet. Pierre Omidyar hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Ohr am Kunden zu behalten und die einigartige Kultur von Ebay selbst in Phasen des Hyperwachstums zu erhalten.
Natürliches Monopol:
alles in allem hat Ebay gute Chance, das „Betriebssystem“ für konsumorientierte Dienstleistungen im Internet zu werden. Vor gut zwei Jahren haben Amazon.com und Yahoo versucht, selber Internetauktionen aufzubauen. Beide Unternehmen hatten damals eine größere Zahl von Nutzern hatten. Sie gingen mit großen Werbebudgets und günstigeren Angeboten ins Rennen. Dennoch gelang es werde Amazon noch Yahoo, einen wesentlichen Teil des Auktionsmarktes zu erobern. Ebay hat auch heute 80% des Online-Aktionsmarktes. Es ist fast unmöglich, die Community von Ebay und das Vertrauen der einzelnen Mitglieder noch einmal an anderer Stelle aufzubauen. So etwas nennt man „social capital“.
Gefahren:
Ebay drohen mehrere Gefahren. Zum einem hat das Unternehmen auch kommerzielle Verkäufer wie zum Beispiel Disney auf seiner Seite zugelassen. Das könnte ab einem gewissen Punkte das einzigartige Gefühl der Ebay-Seite zerstören. Kunden könnten zunehmend der Auffassung sein, dass man sich nur in einen weiteren großen Online-Kaufhaus mit wenig Aktionsmöglichkeiten bewegt. Diese Gefahr ist nicht zu unterschätzen und bereitet auch Gründer Omidyar Sorgen. Spezielle Auktionshäuser: es besteht auch die Gefahr, dass sich zunehmend spezielle Auktionshäuser mit einer noch engeren und spezielleren Community etablieren (z.B. für Baseball-Cards, E-Gitarren). Bislang ist hat das Ebay nicht in nennenswertem Umfang bedrohen können. Die Tendenz muss aber im Auge behalten werden. Internationale Expansion: In Deutschland und Großbritannien ist Ebay schon eine feste Größe, aber der Großteil des Geschäfts findet in den USA statt. In Frankreich gibt es einen nationalen Marktführer. Die internationale Expansion könnte ins Stocken geraten – Ebay muss sich aber global entwickeln.
Bewertung:
Derzeit kostet die Aktie 77,30 €. Basierend auf den geschätzten Gewinnzahlen für 2002 hat Ebay ein KGV von 80. Das ist nicht billig! Dennoch halten wir Ebay für unterbewertet.
Wir haben für Ebay einen inneren Wert von 120 € errechnet. Da wir nur dann eine Kaufempfehlung aussprechen, wenn der Wert der Aktie deutlich unter dem inneren Wert notiert, ist für uns Ebay unterhalb vom 72,18 € ein klarer Kauf. Dies entspricht einer Sicherheitsmarge von 40% zum inneren Wert. Ein Verkauf wäre Ebay ab 144 €.
Ebay kann sich zu einem der ganz großen Unternehmen entwickeln. Wenn Sie warten, bis Ebay nach traditionellen Maßstäben wieder „billig“ ist, schauen Sie vielleicht immer nur steigenden Kursen hinterher. Ebay ist in unserer Systematik derzeit eine Halteposition. Da das Unternehmen die Kaufrange nur knapp durchstoßen hat und noch deutlich unter seinem inneren Wert liegt, können Sie auch jetzt noch – für Spätentschlossene – einen Kauf in Erwägung ziehen. Wie bei allen jüngeren Unternehmen hängt die Entwicklung von Ebay davon ab, dass es die hohen Erwartungen erfüllt. Die bisherige Entwicklung macht mich optimistisch.